[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Das Complot Sie wollten sich mit Wort- und Sinnenspielen,mit Sylbengeklingel, mit Gegensäzen, mit Schelt- worten und Lästerungen wieder sie rüsten. Sie wollten für die Ehre ihres Abgottes die Augen blind sehen, und sich das Hirn bis auf die Hefen aus dem Kopf denken, sie wollten ihm zum Lobe solche Schriften verfertigen, dergleichen niemahls ge- schrieben worden, oder wenn dergleichen geschrie- ben, doch niemahls gelesen worden. Dieser wollte sie in Leberreimen zu Tode klingeln, jener in einem Schäfergedichte durch die Hechel ziehen, ein ande- rer wollte Ueberschriften mit faulen Eyern und mür- ben Aepfeln laden, und auf sie losschiessen. Tirl- ler selbst vergaß der empfangenen Streichen, von welchen ihm doch der Kopf noch izo schwindelte, und drohete der Welt mit dem dritten Theile seiner Gedichte. Jhre enthusiastische Wuth stekete auch diejeni- gen
Das Complot Sie wollten ſich mit Wort- und Sinnenſpielen,mit Sylbengeklingel, mit Gegenſaͤzen, mit Schelt- worten und Laͤſterungen wieder ſie ruͤſten. Sie wollten fuͤr die Ehre ihres Abgottes die Augen blind ſehen, und ſich das Hirn bis auf die Hefen aus dem Kopf denken, ſie wollten ihm zum Lobe ſolche Schriften verfertigen, dergleichen niemahls ge- ſchrieben worden, oder wenn dergleichen geſchrie- ben, doch niemahls geleſen worden. Dieſer wollte ſie in Leberreimen zu Tode klingeln, jener in einem Schaͤfergedichte durch die Hechel ziehen, ein ande- rer wollte Ueberſchriften mit faulen Eyern und muͤr- ben Aepfeln laden, und auf ſie losſchieſſen. Tirl- ler ſelbſt vergaß der empfangenen Streichen, von welchen ihm doch der Kopf noch izo ſchwindelte, und drohete der Welt mit dem dritten Theile ſeiner Gedichte. Jhre enthuſiaſtiſche Wuth ſtekete auch diejeni- gen
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Das Complot
Sie wollten ſich mit Wort- und Sinnenſpielen,
mit Sylbengeklingel, mit Gegenſaͤzen, mit Schelt-
worten und Laͤſterungen wieder ſie ruͤſten. Sie
wollten fuͤr die Ehre ihres Abgottes die Augen blind
ſehen, und ſich das Hirn bis auf die Hefen aus
dem Kopf denken, ſie wollten ihm zum Lobe ſolche
Schriften verfertigen, dergleichen niemahls ge-
ſchrieben worden, oder wenn dergleichen geſchrie-
ben, doch niemahls geleſen worden. Dieſer wollte
ſie in Leberreimen zu Tode klingeln, jener in einem
Schaͤfergedichte durch die Hechel ziehen, ein ande-
rer wollte Ueberſchriften mit faulen Eyern und muͤr-
ben Aepfeln laden, und auf ſie losſchieſſen. Tirl-
ler ſelbſt vergaß der empfangenen Streichen, von
welchen ihm doch der Kopf noch izo ſchwindelte,
und drohete der Welt mit dem dritten Theile ſeiner
Gedichte.
Jhre enthuſiaſtiſche Wuth ſtekete auch diejeni-
gen an, die ihnen in dem Vorgemache auf den
Dienſt warteten. Der Witzbringende Dunſt
hatte ſich durch die Rizen der Thuͤren gedrungen
und ſich auch ihnen mitgetheilet. Es war ein ent-
ſetzlicher Lermen und ein betaͤubendes Getuͤmmel,
die Gaſſen und Haͤuſer erklangen in allen ihren
Winkeln und Gewoͤlbern von einem heiſernen Wie-
derſchalle. Die goͤttliche Critick, welche gleich
damahls im Hirſchbergiſchen Hofe mit Luchſin-
gern beſchaͤftiget war, Werzaſchens Ueberſezung
der Aeneis auf den Ambos zu legen, hoͤrete den
Tumult, und verſtuhnd die Urſache deſſelben. Sie
lachete uͤber ihre Ungebehrden und ihren aberwizi-
gen
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