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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Das Complot
Doch nimmt die gutherzige Muse sie auf des Apol-
lo Befehl wieder heraus, kan es aber nicht hin-
dern, daß sich etliche Tropfen ihres stygischen Gif-
tes darein gemenget hätten. Merbod kan sich zwar
nicht so gleich entschliessen, das Reich der Dich-
ter von neuem anzutasten, dieses hiesse ein We-
spen-Nest stören, welches mit tausend Stacheln
gewaffnet ist. Seine Ruhe scheint ihm lieber zu
seyn, als die Besserung der Undanckbaren. Aber
Greibertin muntert ihn auf, den Willen der gött-
lichen Beurtheilungskunst auszuführen, und die
Ungeheuer eines verfallenen Wizes auszurotten.
Jch verwandle Greibertinen in einen Druiden,
der die griechische Dollmetschung der Bibel, mit
allen ihren Unrichtigkeiten im Kopf hat, und die
Sprache der Rabbinen und Masorethen ohne An-
stoß redet. Merbod läßt sich von ihm überreden,
der Göttin zu gehorchen, und auch uns selbst nicht zu
schonen, die doch von andern für Könige des He-
likons gepriesen werden. Jch verehre ihm zu die-
sem Vorhaben eine Rabenfeder, die ich Swif-
ten aus dem linken Flügel gezogen habe. Er giebt
uns, seinen Brüdern, damit heftige und schmertz-
hafte Stiche, obgleich die sanfte Muse nicht von
seiner Seite wich, und durch gelindere Eingebun-
gen seine Aussprüche zu versüssen beschäftiget war.
Die gedruckten Papierballen in Relos Buchla-
den entsatzten sich, als sie dieses vernahmen, und
die schwersten Stösse poetischer Schriften erzitter-
ten aus einer ängstlichen Ahnung des Schicksals,
welches sie bedrohete. Aber Relo freuete sich, daß
seine Landesleute noch Hertz genug hätten, sich

wider

Das Complot
Doch nimmt die gutherzige Muſe ſie auf des Apol-
lo Befehl wieder heraus, kan es aber nicht hin-
dern, daß ſich etliche Tropfen ihres ſtygiſchen Gif-
tes darein gemenget haͤtten. Merbod kan ſich zwar
nicht ſo gleich entſchlieſſen, das Reich der Dich-
ter von neuem anzutaſten, dieſes hieſſe ein We-
ſpen-Neſt ſtoͤren, welches mit tauſend Stacheln
gewaffnet iſt. Seine Ruhe ſcheint ihm lieber zu
ſeyn, als die Beſſerung der Undanckbaren. Aber
Greibertin muntert ihn auf, den Willen der goͤtt-
lichen Beurtheilungskunſt auszufuͤhren, und die
Ungeheuer eines verfallenen Wizes auszurotten.
Jch verwandle Greibertinen in einen Druiden,
der die griechiſche Dollmetſchung der Bibel, mit
allen ihren Unrichtigkeiten im Kopf hat, und die
Sprache der Rabbinen und Maſorethen ohne An-
ſtoß redet. Merbod laͤßt ſich von ihm uͤberreden,
der Goͤttin zu gehorchen, und auch uns ſelbſt nicht zu
ſchonen, die doch von andern fuͤr Koͤnige des He-
likons geprieſen werden. Jch verehre ihm zu die-
ſem Vorhaben eine Rabenfeder, die ich Swif-
ten aus dem linken Fluͤgel gezogen habe. Er giebt
uns, ſeinen Bruͤdern, damit heftige und ſchmertz-
hafte Stiche, obgleich die ſanfte Muſe nicht von
ſeiner Seite wich, und durch gelindere Eingebun-
gen ſeine Ausſpruͤche zu verſuͤſſen beſchaͤftiget war.
Die gedruckten Papierballen in Relos Buchla-
den entſatzten ſich, als ſie dieſes vernahmen, und
die ſchwerſten Stoͤſſe poetiſcher Schriften erzitter-
ten aus einer aͤngſtlichen Ahnung des Schickſals,
welches ſie bedrohete. Aber Relo freuete ſich, daß
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[192/0194] Das Complot Doch nimmt die gutherzige Muſe ſie auf des Apol- lo Befehl wieder heraus, kan es aber nicht hin- dern, daß ſich etliche Tropfen ihres ſtygiſchen Gif- tes darein gemenget haͤtten. Merbod kan ſich zwar nicht ſo gleich entſchlieſſen, das Reich der Dich- ter von neuem anzutaſten, dieſes hieſſe ein We- ſpen-Neſt ſtoͤren, welches mit tauſend Stacheln gewaffnet iſt. Seine Ruhe ſcheint ihm lieber zu ſeyn, als die Beſſerung der Undanckbaren. Aber Greibertin muntert ihn auf, den Willen der goͤtt- lichen Beurtheilungskunſt auszufuͤhren, und die Ungeheuer eines verfallenen Wizes auszurotten. Jch verwandle Greibertinen in einen Druiden, der die griechiſche Dollmetſchung der Bibel, mit allen ihren Unrichtigkeiten im Kopf hat, und die Sprache der Rabbinen und Maſorethen ohne An- ſtoß redet. Merbod laͤßt ſich von ihm uͤberreden, der Goͤttin zu gehorchen, und auch uns ſelbſt nicht zu ſchonen, die doch von andern fuͤr Koͤnige des He- likons geprieſen werden. Jch verehre ihm zu die- ſem Vorhaben eine Rabenfeder, die ich Swif- ten aus dem linken Fluͤgel gezogen habe. Er giebt uns, ſeinen Bruͤdern, damit heftige und ſchmertz- hafte Stiche, obgleich die ſanfte Muſe nicht von ſeiner Seite wich, und durch gelindere Eingebun- gen ſeine Ausſpruͤche zu verſuͤſſen beſchaͤftiget war. Die gedruckten Papierballen in Relos Buchla- den entſatzten ſich, als ſie dieſes vernahmen, und die ſchwerſten Stoͤſſe poetiſcher Schriften erzitter- ten aus einer aͤngſtlichen Ahnung des Schickſals, welches ſie bedrohete. Aber Relo freuete ſich, daß ſeine Landesleute noch Hertz genug haͤtten, ſich wider

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/194>, abgerufen am 24.11.2024.