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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Nachrichten
welches einen furchtsamen Liebhaber natürlich be-
schreibet, liest, der wird sichs nicht Wunder neh-
men lassen, daß Hr. M. Schwabe seine alten
um etwas plumpen Begriffe, bey denen es ihm
sonst bloß halb Ernst gewesen, verläugnet hat;
zumahlen da das Gedicht, an sich selbst betrachtet,
den Character eines furchtsamen Liebhabers nach
der Natur ausdrüket und beschreibet: Nur läßt
sichs fast zweifeln, ob dieser Character für den
ehmahligen Stand der Unschuld und Freyheit nicht
zu weit getrieben sey, und ob er seine genugsame
relatife Wahrscheinlichkeit habe? Sonst hat der
geschickte Verfasser auch selbst in dem Ausdruke
und der Mundart den Character seines Schäfers
recht glücklich nachgeahmet. Eine einzige Stelle
dünckt mich ein wenig zu gekünstelt; Bl. 70.

- - - - Wer weis es, ob auch nicht
Die Furcht, daß sie mich flieht, sobald ich mich erkläret,
Dem ängstlichen Gestehn den leichten Ausdruck wehret.
O Kind, ich bin dir gut - - ich bin - - dir - - gar zu gut.
Und weiter kan ich nicht, ich seh verschämt in Hut.

Die Redensart: Die Furcht wehret dem ängst-
lichen Gestehn den leichten Ausdruck,
ist für
diesen Philander schier zu hoch, und das Einschieb-
sel, daß sie, so bald ich mich erkläret, fliehen
werde,
macht dieselbe noch um etwas dunkel und
verworren. Aber die Anmerkung; ich seh ver-
schämt in Hut,
ist recht mahlerisch.

Das siebende St. hat die Aufschrift: Kurzer
Erweis, daß sich alle Studierende eine histo-
rische Erkänntniß von guten Künsten und
Handwerken zuwegebringen müssen.
Der
ganze Erweis beruhet auf folgenden Sazen:

"Al-
"le

Nachrichten
welches einen furchtſamen Liebhaber natuͤrlich be-
ſchreibet, lieſt, der wird ſichs nicht Wunder neh-
men laſſen, daß Hr. M. Schwabe ſeine alten
um etwas plumpen Begriffe, bey denen es ihm
ſonſt bloß halb Ernſt geweſen, verlaͤugnet hat;
zumahlen da das Gedicht, an ſich ſelbſt betrachtet,
den Character eines furchtſamen Liebhabers nach
der Natur ausdruͤket und beſchreibet: Nur laͤßt
ſichs faſt zweifeln, ob dieſer Character fuͤr den
ehmahligen Stand der Unſchuld und Freyheit nicht
zu weit getrieben ſey, und ob er ſeine genugſame
relatife Wahrſcheinlichkeit habe? Sonſt hat der
geſchickte Verfaſſer auch ſelbſt in dem Ausdruke
und der Mundart den Character ſeines Schaͤfers
recht gluͤcklich nachgeahmet. Eine einzige Stelle
duͤnckt mich ein wenig zu gekuͤnſtelt; Bl. 70.

‒ ‒ ‒ ‒ Wer weis es, ob auch nicht
Die Furcht, daß ſie mich flieht, ſobald ich mich erklaͤret,
Dem aͤngſtlichen Geſtehn den leichten Ausdruck wehret.
O Kind, ich bin dir gut ‒ ‒ ich bin ‒ ‒ dir ‒ ‒ gar zu gut.
Und weiter kan ich nicht, ich ſeh verſchaͤmt in Hut.

Die Redensart: Die Furcht wehret dem aͤngſt-
lichen Geſtehn den leichten Ausdruck,
iſt fuͤr
dieſen Philander ſchier zu hoch, und das Einſchieb-
ſel, daß ſie, ſo bald ich mich erklaͤret, fliehen
werde,
macht dieſelbe noch um etwas dunkel und
verworren. Aber die Anmerkung; ich ſeh ver-
ſchaͤmt in Hut,
iſt recht mahleriſch.

Das ſiebende St. hat die Aufſchrift: Kurzer
Erweis, daß ſich alle Studierende eine hiſto-
riſche Erkaͤnntniß von guten Kuͤnſten und
Handwerken zuwegebringen muͤſſen.
Der
ganze Erweis beruhet auf folgenden Sazen:

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[158/0160] Nachrichten welches einen furchtſamen Liebhaber natuͤrlich be- ſchreibet, lieſt, der wird ſichs nicht Wunder neh- men laſſen, daß Hr. M. Schwabe ſeine alten um etwas plumpen Begriffe, bey denen es ihm ſonſt bloß halb Ernſt geweſen, verlaͤugnet hat; zumahlen da das Gedicht, an ſich ſelbſt betrachtet, den Character eines furchtſamen Liebhabers nach der Natur ausdruͤket und beſchreibet: Nur laͤßt ſichs faſt zweifeln, ob dieſer Character fuͤr den ehmahligen Stand der Unſchuld und Freyheit nicht zu weit getrieben ſey, und ob er ſeine genugſame relatife Wahrſcheinlichkeit habe? Sonſt hat der geſchickte Verfaſſer auch ſelbſt in dem Ausdruke und der Mundart den Character ſeines Schaͤfers recht gluͤcklich nachgeahmet. Eine einzige Stelle duͤnckt mich ein wenig zu gekuͤnſtelt; Bl. 70. ‒ ‒ ‒ ‒ Wer weis es, ob auch nicht Die Furcht, daß ſie mich flieht, ſobald ich mich erklaͤret, Dem aͤngſtlichen Geſtehn den leichten Ausdruck wehret. O Kind, ich bin dir gut ‒ ‒ ich bin ‒ ‒ dir ‒ ‒ gar zu gut. Und weiter kan ich nicht, ich ſeh verſchaͤmt in Hut. Die Redensart: Die Furcht wehret dem aͤngſt- lichen Geſtehn den leichten Ausdruck, iſt fuͤr dieſen Philander ſchier zu hoch, und das Einſchieb- ſel, daß ſie, ſo bald ich mich erklaͤret, fliehen werde, macht dieſelbe noch um etwas dunkel und verworren. Aber die Anmerkung; ich ſeh ver- ſchaͤmt in Hut, iſt recht mahleriſch. Das ſiebende St. hat die Aufſchrift: Kurzer Erweis, daß ſich alle Studierende eine hiſto- riſche Erkaͤnntniß von guten Kuͤnſten und Handwerken zuwegebringen muͤſſen. Der ganze Erweis beruhet auf folgenden Sazen: „Al- „le

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/160>, abgerufen am 24.11.2024.