Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite
in Miltons verlohrnen Paradiese.
Elige, Myrrha, tibi, dum ne sit in omnibus unus.
Metam. L. X. 317.
Nunc quia tam meus est, non est meus.
Ib. L. V. 339.

Unter den Titel Pun und Quibble mögte man
auch die zweydeutigen Spottreden Satans und
Belials über die Würkungen ihres teuflischen Ge-
schosses bringen, welche dennoch in dem Munde
des Vaters der Lügen eine gewisse eigene Anstän-
digkeit haben. Wer diese Kleinigkeiten in Mil-
ton finden will, muß sie mit Fleisse, und lange suchen.
Und diese wenigen sind in seinem Gedichte nur da-
rum desto anstössiger, weil sie darinnen so fremd sind.

Wieder auf Miltons Gedanken zu kommen,
welche gewissen Leuten von unsers scharfen Rich-
ters Gesellschaft so widerlich, so wild, und ver-
drüßlich scheinen, so kennen wir auch eine Menge
dergleichen, die in ihren Gewerb, ihre tägliche
Lebensart, ihren kleinen Witz, ihre Provinzial-
sprache, wie in einen Zauberkreis eingesperrt sind,
so daß sie sich daraus nicht einen Fußbreit bege-
ben dürffen. Miltons Thema von den Entschlüs-
sen, Meinungen und Handlungen der Engel, der
Teufel, und solcher Menschen, die den übrigen
Menschen, ihren Nachkommen und Kindern, so
ungleich sind, so viel erhabene Dinge, die Milton
ihrem eigenen Character gemäß ausbildet, sind
kein leichter Unterhalt für Leute, die in Amthors,
Gottscheds, Neukirchs, Schule reden und denken,
entschliessen und handeln gelernet haben. Satans,
Beelzebubs, Michaels, Raphaels, Adams und
Evens Reden sind der Sprache dieser deutschen

Poeten
in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Elige, Myrrha, tibi, dum ne ſit in omnibus unus.
Metam. L. X. 317.
Nunc quia tam meus eſt, non eſt meus.
Ib. L. V. 339.

Unter den Titel Pun und Quibble moͤgte man
auch die zweydeutigen Spottreden Satans und
Belials uͤber die Wuͤrkungen ihres teufliſchen Ge-
ſchoſſes bringen, welche dennoch in dem Munde
des Vaters der Luͤgen eine gewiſſe eigene Anſtaͤn-
digkeit haben. Wer dieſe Kleinigkeiten in Mil-
ton finden will, muß ſie mit Fleiſſe, und lange ſuchen.
Und dieſe wenigen ſind in ſeinem Gedichte nur da-
rum deſto anſtoͤſſiger, weil ſie darinnen ſo fremd ſind.

Wieder auf Miltons Gedanken zu kommen,
welche gewiſſen Leuten von unſers ſcharfen Rich-
ters Geſellſchaft ſo widerlich, ſo wild, und ver-
druͤßlich ſcheinen, ſo kennen wir auch eine Menge
dergleichen, die in ihren Gewerb, ihre taͤgliche
Lebensart, ihren kleinen Witz, ihre Provinzial-
ſprache, wie in einen Zauberkreis eingeſperrt ſind,
ſo daß ſie ſich daraus nicht einen Fußbreit bege-
ben duͤrffen. Miltons Thema von den Entſchluͤſ-
ſen, Meinungen und Handlungen der Engel, der
Teufel, und ſolcher Menſchen, die den uͤbrigen
Menſchen, ihren Nachkommen und Kindern, ſo
ungleich ſind, ſo viel erhabene Dinge, die Milton
ihrem eigenen Character gemaͤß ausbildet, ſind
kein leichter Unterhalt fuͤr Leute, die in Amthors,
Gottſcheds, Neukirchs, Schule reden und denken,
entſchlieſſen und handeln gelernet haben. Satans,
Beelzebubs, Michaels, Raphaels, Adams und
Evens Reden ſind der Sprache dieſer deutſchen

Poeten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote>
            <pb facs="#f0129" n="127"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in Miltons verlohrnen Paradie&#x017F;e.</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#aq">Elige, Myrrha, tibi, dum ne &#x017F;it in omnibus unus.<lb/><hi rendition="#et">Metam. L. X. 317.</hi><lb/>
Nunc quia tam meus e&#x017F;t, non e&#x017F;t meus.<lb/><hi rendition="#et">Ib. L. V. 339.</hi></hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Unter den Titel <hi rendition="#aq">Pun</hi> und <hi rendition="#aq">Quibble</hi> mo&#x0364;gte man<lb/>
auch die zweydeutigen Spottreden Satans und<lb/>
Belials u&#x0364;ber die Wu&#x0364;rkungen ihres teufli&#x017F;chen Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;es bringen, welche dennoch in dem Munde<lb/>
des Vaters der Lu&#x0364;gen eine gewi&#x017F;&#x017F;e eigene An&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
digkeit haben. Wer die&#x017F;e Kleinigkeiten in Mil-<lb/>
ton finden will, muß &#x017F;ie mit Flei&#x017F;&#x017F;e, und lange &#x017F;uchen.<lb/>
Und die&#x017F;e wenigen &#x017F;ind in &#x017F;einem Gedichte nur da-<lb/>
rum de&#x017F;to an&#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;iger, weil &#x017F;ie darinnen &#x017F;o fremd &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Wieder auf Miltons Gedanken zu kommen,<lb/>
welche gewi&#x017F;&#x017F;en Leuten von un&#x017F;ers &#x017F;charfen Rich-<lb/>
ters Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;o widerlich, &#x017F;o wild, und ver-<lb/>
dru&#x0364;ßlich &#x017F;cheinen, &#x017F;o kennen wir auch eine Menge<lb/>
dergleichen, die in ihren Gewerb, ihre ta&#x0364;gliche<lb/>
Lebensart, ihren kleinen Witz, ihre Provinzial-<lb/>
&#x017F;prache, wie in einen Zauberkreis einge&#x017F;perrt &#x017F;ind,<lb/>
&#x017F;o daß &#x017F;ie &#x017F;ich daraus nicht einen Fußbreit bege-<lb/>
ben du&#x0364;rffen. Miltons Thema von den Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, Meinungen und Handlungen der Engel, der<lb/>
Teufel, und &#x017F;olcher Men&#x017F;chen, die den u&#x0364;brigen<lb/>
Men&#x017F;chen, ihren Nachkommen und Kindern, &#x017F;o<lb/>
ungleich &#x017F;ind, &#x017F;o viel erhabene Dinge, die Milton<lb/>
ihrem eigenen Character gema&#x0364;ß ausbildet, &#x017F;ind<lb/>
kein leichter Unterhalt fu&#x0364;r Leute, die in Amthors,<lb/>
Gott&#x017F;cheds, Neukirchs, Schule reden und denken,<lb/>
ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en und handeln gelernet haben. Satans,<lb/>
Beelzebubs, Michaels, Raphaels, Adams und<lb/>
Evens Reden &#x017F;ind der Sprache die&#x017F;er deut&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Poeten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0129] in Miltons verlohrnen Paradieſe. Elige, Myrrha, tibi, dum ne ſit in omnibus unus. Metam. L. X. 317. Nunc quia tam meus eſt, non eſt meus. Ib. L. V. 339. Unter den Titel Pun und Quibble moͤgte man auch die zweydeutigen Spottreden Satans und Belials uͤber die Wuͤrkungen ihres teufliſchen Ge- ſchoſſes bringen, welche dennoch in dem Munde des Vaters der Luͤgen eine gewiſſe eigene Anſtaͤn- digkeit haben. Wer dieſe Kleinigkeiten in Mil- ton finden will, muß ſie mit Fleiſſe, und lange ſuchen. Und dieſe wenigen ſind in ſeinem Gedichte nur da- rum deſto anſtoͤſſiger, weil ſie darinnen ſo fremd ſind. Wieder auf Miltons Gedanken zu kommen, welche gewiſſen Leuten von unſers ſcharfen Rich- ters Geſellſchaft ſo widerlich, ſo wild, und ver- druͤßlich ſcheinen, ſo kennen wir auch eine Menge dergleichen, die in ihren Gewerb, ihre taͤgliche Lebensart, ihren kleinen Witz, ihre Provinzial- ſprache, wie in einen Zauberkreis eingeſperrt ſind, ſo daß ſie ſich daraus nicht einen Fußbreit bege- ben duͤrffen. Miltons Thema von den Entſchluͤſ- ſen, Meinungen und Handlungen der Engel, der Teufel, und ſolcher Menſchen, die den uͤbrigen Menſchen, ihren Nachkommen und Kindern, ſo ungleich ſind, ſo viel erhabene Dinge, die Milton ihrem eigenen Character gemaͤß ausbildet, ſind kein leichter Unterhalt fuͤr Leute, die in Amthors, Gottſcheds, Neukirchs, Schule reden und denken, entſchlieſſen und handeln gelernet haben. Satans, Beelzebubs, Michaels, Raphaels, Adams und Evens Reden ſind der Sprache dieſer deutſchen Poeten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/129
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/129>, abgerufen am 28.11.2024.