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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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in Miltons verlohrnen Paradiese.
"ruchreichen Flügel ein natürliches Rauchwerck
"in die Nase, das sie von den krästigsten Spe-
"cereystauden gestohlen haben. Und damit euer
"Gehöre nicht allein ohne Speise bleibe, so läßt
"er die Vögel ihre Chöre anstimmen, und die
"Blätter der Bäume, wenn die Frühlingslüfte
"damit spielen, von einem wohlklingenden Schal-
"le erthönen."

Diese Metaphoren sind sämmt-
lich oder doch meistentheils aus Miltons Be-
schreibung des Paradieses im vierten B. genom-
men. Von denselben nun hat der bekannte Kunst-
richter, der von unsers Englischen Poeten Schreib-
art so übel denket, folgender Gestalt geurtheilet:

"So poetisch oder vielmehr so ausschweifend klin-
"get eine prosaische Beschreibung nach dem Ge-
"schmacke dieses schweizerischen Kunstlehrers."

Und dieses Urtheil hat er mit diesen Worten zu
behaupten vermeinet:

"Wenn mich, sagt er,
"die Furcht vor der Weitläuftigkeit nicht abhielt,
"so wollte ich mir die Lust machen, und unserm
"hochsinnigen Schreiber darthun, daß er machi-
"nalische Gedächtnißkünste, unnöthige und aus
"einem poetischen Lexicon erborgte Beywörter,
"und seltsame Metaphoren, oder verblümte Aus-
"drükungen darinnen angewandt. Was ist sei-
"ne Herberg der Faunen und Silvanen, sein za-
"kigter Palmenbaum, sein Waldtheater, sein
"Krantz von Obstbäumen, die güldene und mit
"einem heitern Schmeltz eingesprengte Farbe,
"der unschädliche Most, die geruchreichen Flü-
"gel des linden Westes, die ein natürliches Rauch-
"werck von den Specereystauden gestohlen haben,
"end-
in Miltons verlohrnen Paradieſe.
„ruchreichen Fluͤgel ein natuͤrliches Rauchwerck
„in die Naſe, das ſie von den kraͤſtigſten Spe-
„cereyſtauden geſtohlen haben. Und damit euer
„Gehoͤre nicht allein ohne Speiſe bleibe, ſo laͤßt
„er die Voͤgel ihre Choͤre anſtimmen, und die
„Blaͤtter der Baͤume, wenn die Fruͤhlingsluͤfte
„damit ſpielen, von einem wohlklingenden Schal-
„le erthoͤnen.„

Dieſe Metaphoren ſind ſaͤmmt-
lich oder doch meiſtentheils aus Miltons Be-
ſchreibung des Paradieſes im vierten B. genom-
men. Von denſelben nun hat der bekannte Kunſt-
richter, der von unſers Engliſchen Poeten Schreib-
art ſo uͤbel denket, folgender Geſtalt geurtheilet:

„So poetiſch oder vielmehr ſo ausſchweifend klin-
„get eine proſaiſche Beſchreibung nach dem Ge-
„ſchmacke dieſes ſchweizeriſchen Kunſtlehrers.„

Und dieſes Urtheil hat er mit dieſen Worten zu
behaupten vermeinet:

„Wenn mich, ſagt er,
„die Furcht vor der Weitlaͤuftigkeit nicht abhielt,
„ſo wollte ich mir die Luſt machen, und unſerm
„hochſinnigen Schreiber darthun, daß er machi-
„naliſche Gedaͤchtnißkuͤnſte, unnoͤthige und aus
„einem poetiſchen Lexicon erborgte Beywoͤrter,
„und ſeltſame Metaphoren, oder verbluͤmte Aus-
„druͤkungen darinnen angewandt. Was iſt ſei-
„ne Herberg der Faunen und Silvanen, ſein za-
„kigter Palmenbaum, ſein Waldtheater, ſein
„Krantz von Obſtbaͤumen, die guͤldene und mit
„einem heitern Schmeltz eingeſprengte Farbe,
„der unſchaͤdliche Moſt, die geruchreichen Fluͤ-
„gel des linden Weſtes, die ein natuͤrliches Rauch-
„werck von den Specereyſtauden geſtohlen haben,
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[107/0109] in Miltons verlohrnen Paradieſe. „ruchreichen Fluͤgel ein natuͤrliches Rauchwerck „in die Naſe, das ſie von den kraͤſtigſten Spe- „cereyſtauden geſtohlen haben. Und damit euer „Gehoͤre nicht allein ohne Speiſe bleibe, ſo laͤßt „er die Voͤgel ihre Choͤre anſtimmen, und die „Blaͤtter der Baͤume, wenn die Fruͤhlingsluͤfte „damit ſpielen, von einem wohlklingenden Schal- „le erthoͤnen.„ Dieſe Metaphoren ſind ſaͤmmt- lich oder doch meiſtentheils aus Miltons Be- ſchreibung des Paradieſes im vierten B. genom- men. Von denſelben nun hat der bekannte Kunſt- richter, der von unſers Engliſchen Poeten Schreib- art ſo uͤbel denket, folgender Geſtalt geurtheilet: „So poetiſch oder vielmehr ſo ausſchweifend klin- „get eine proſaiſche Beſchreibung nach dem Ge- „ſchmacke dieſes ſchweizeriſchen Kunſtlehrers.„ Und dieſes Urtheil hat er mit dieſen Worten zu behaupten vermeinet: „Wenn mich, ſagt er, „die Furcht vor der Weitlaͤuftigkeit nicht abhielt, „ſo wollte ich mir die Luſt machen, und unſerm „hochſinnigen Schreiber darthun, daß er machi- „naliſche Gedaͤchtnißkuͤnſte, unnoͤthige und aus „einem poetiſchen Lexicon erborgte Beywoͤrter, „und ſeltſame Metaphoren, oder verbluͤmte Aus- „druͤkungen darinnen angewandt. Was iſt ſei- „ne Herberg der Faunen und Silvanen, ſein za- „kigter Palmenbaum, ſein Waldtheater, ſein „Krantz von Obſtbaͤumen, die guͤldene und mit „einem heitern Schmeltz eingeſprengte Farbe, „der unſchaͤdliche Moſt, die geruchreichen Fluͤ- „gel des linden Weſtes, die ein natuͤrliches Rauch- „werck von den Specereyſtauden geſtohlen haben, „end-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/109>, abgerufen am 24.11.2024.