Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite
Nachrichten von dem Ursprunge
"Harsdörfers unvergessen, der zwey berühmten
"sinnreichen Männer, Gryphii und des von Lo-
"henstein schuldigst gedenke, so, wie in allen Sa-
"chen, so sie angegriffen, also auch in ihren
"Trauerspielen, nach Art Sophocles und Se-
"necä gefertiget, was ein hurtiger und gelehrter
"Geist kan, zur Gnüge erwiesen."

Er meint
ferner, daß durch gedachter Männer Fleiß und
Nachsinnen die deutsche Poesie so reine worden,
daß sie der ausländischen nichts mehr nachgebe.
Doch gestehet er, daß die Welschen, wegen ih-
rer insgemein angebohrnen Verstandes und Scharf-
sinnigkeit, an guter Erfindung den Deutschen
manchesmahl zuvorgehen. Von seinen eigenen
Gedichten, insbesondere von seinen Heldenbriefen,
urtheilet er:

"Die Art zu schreiben darinnen ist
"geläuftig, leicht, und mehr lieblich als prächtig,
"dazu denn Ovidius mein Anführer gewesen.
"Viel von heidnischen Göttern und übersteigen-
"den gezwungenen Redensarten, wie auch ande-
"re gemeine Schulpossen, werden hier wenig zu
"finden seyn, und machen die den Enthalt der
"Sachen eigentlich bedeutende Wörter, etliche
"kräftige Beywörter, und andre mit Verstand
"angewandte Kleinigkeiten die ganze Verfassung
"meines Schreibens."

Welcher diesem flüchtigen Urtheil Glauben zustel-
len soll, muß das Ansehen Hoffmannswaldaus
so viel bey sich gelten lassen, daß er ihm auf sein
blosses Wort gläubt. Eine obgleich nur kurze Ein-
sicht in die Schriften Opitzens und seiner Schüler,
eine Vergleichung derselben mit Gryphii, und

Lo-
Nachrichten von dem Urſprunge
„Harsdoͤrfers unvergeſſen, der zwey beruͤhmten
„ſinnreichen Maͤnner, Gryphii und des von Lo-
„henſtein ſchuldigſt gedenke, ſo, wie in allen Sa-
„chen, ſo ſie angegriffen, alſo auch in ihren
„Trauerſpielen, nach Art Sophocles und Se-
„necaͤ gefertiget, was ein hurtiger und gelehrter
„Geiſt kan, zur Gnuͤge erwieſen.„

Er meint
ferner, daß durch gedachter Maͤnner Fleiß und
Nachſinnen die deutſche Poeſie ſo reine worden,
daß ſie der auslaͤndiſchen nichts mehr nachgebe.
Doch geſtehet er, daß die Welſchen, wegen ih-
rer insgemein angebohrnen Verſtandes und Scharf-
ſinnigkeit, an guter Erfindung den Deutſchen
manchesmahl zuvorgehen. Von ſeinen eigenen
Gedichten, insbeſondere von ſeinen Heldenbriefen,
urtheilet er:

„Die Art zu ſchreiben darinnen iſt
„gelaͤuftig, leicht, und mehr lieblich als praͤchtig,
„dazu denn Ovidius mein Anfuͤhrer geweſen.
„Viel von heidniſchen Goͤttern und uͤberſteigen-
„den gezwungenen Redensarten, wie auch ande-
„re gemeine Schulpoſſen, werden hier wenig zu
„finden ſeyn, und machen die den Enthalt der
„Sachen eigentlich bedeutende Woͤrter, etliche
„kraͤftige Beywoͤrter, und andre mit Verſtand
„angewandte Kleinigkeiten die ganze Verfaſſung
„meines Schreibens.„

Welcher dieſem fluͤchtigen Urtheil Glauben zuſtel-
len ſoll, muß das Anſehen Hoffmannswaldaus
ſo viel bey ſich gelten laſſen, daß er ihm auf ſein
bloſſes Wort glaͤubt. Eine obgleich nur kurze Ein-
ſicht in die Schriften Opitzens und ſeiner Schuͤler,
eine Vergleichung derſelben mit Gryphii, und

Lo-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <cit>
            <quote><pb facs="#f0092" n="90"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nachrichten von dem Ur&#x017F;prunge</hi></fw><lb/>
&#x201E;Harsdo&#x0364;rfers unverge&#x017F;&#x017F;en, der zwey beru&#x0364;hmten<lb/>
&#x201E;&#x017F;innreichen Ma&#x0364;nner, Gryphii und des von Lo-<lb/>
&#x201E;hen&#x017F;tein &#x017F;chuldig&#x017F;t gedenke, &#x017F;o, wie in allen Sa-<lb/>
&#x201E;chen, &#x017F;o &#x017F;ie angegriffen, al&#x017F;o auch in ihren<lb/>
&#x201E;Trauer&#x017F;pielen, nach Art Sophocles und Se-<lb/>
&#x201E;neca&#x0364; gefertiget, was ein hurtiger und gelehrter<lb/>
&#x201E;Gei&#x017F;t kan, zur Gnu&#x0364;ge erwie&#x017F;en.&#x201E;</quote>
          </cit>
          <p>Er meint<lb/>
ferner, daß durch gedachter Ma&#x0364;nner Fleiß und<lb/>
Nach&#x017F;innen die deut&#x017F;che Poe&#x017F;ie &#x017F;o reine worden,<lb/>
daß &#x017F;ie der ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen nichts mehr nachgebe.<lb/>
Doch ge&#x017F;tehet er, daß die Wel&#x017F;chen, wegen ih-<lb/>
rer insgemein angebohrnen Ver&#x017F;tandes und Scharf-<lb/>
&#x017F;innigkeit, an guter Erfindung den Deut&#x017F;chen<lb/>
manchesmahl zuvorgehen. Von &#x017F;einen eigenen<lb/>
Gedichten, insbe&#x017F;ondere von &#x017F;einen Heldenbriefen,<lb/>
urtheilet er:</p>
          <cit>
            <quote>&#x201E;Die Art zu &#x017F;chreiben darinnen i&#x017F;t<lb/>
&#x201E;gela&#x0364;uftig, leicht, und mehr lieblich als pra&#x0364;chtig,<lb/>
&#x201E;dazu denn Ovidius mein Anfu&#x0364;hrer gewe&#x017F;en.<lb/>
&#x201E;Viel von heidni&#x017F;chen Go&#x0364;ttern und u&#x0364;ber&#x017F;teigen-<lb/>
&#x201E;den gezwungenen Redensarten, wie auch ande-<lb/>
&#x201E;re gemeine Schulpo&#x017F;&#x017F;en, werden hier wenig zu<lb/>
&#x201E;finden &#x017F;eyn, und machen die den Enthalt der<lb/>
&#x201E;Sachen eigentlich bedeutende Wo&#x0364;rter, etliche<lb/>
&#x201E;kra&#x0364;ftige Beywo&#x0364;rter, und andre mit Ver&#x017F;tand<lb/>
&#x201E;angewandte Kleinigkeiten die ganze Verfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
&#x201E;meines Schreibens.&#x201E;</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Welcher die&#x017F;em flu&#x0364;chtigen Urtheil Glauben zu&#x017F;tel-<lb/>
len &#x017F;oll, muß das An&#x017F;ehen Hoffmannswaldaus<lb/>
&#x017F;o viel bey &#x017F;ich gelten la&#x017F;&#x017F;en, daß er ihm auf &#x017F;ein<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;es Wort gla&#x0364;ubt. Eine obgleich nur kurze Ein-<lb/>
&#x017F;icht in die Schriften Opitzens und &#x017F;einer Schu&#x0364;ler,<lb/>
eine Vergleichung der&#x017F;elben mit Gryphii, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Lo-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0092] Nachrichten von dem Urſprunge „Harsdoͤrfers unvergeſſen, der zwey beruͤhmten „ſinnreichen Maͤnner, Gryphii und des von Lo- „henſtein ſchuldigſt gedenke, ſo, wie in allen Sa- „chen, ſo ſie angegriffen, alſo auch in ihren „Trauerſpielen, nach Art Sophocles und Se- „necaͤ gefertiget, was ein hurtiger und gelehrter „Geiſt kan, zur Gnuͤge erwieſen.„ Er meint ferner, daß durch gedachter Maͤnner Fleiß und Nachſinnen die deutſche Poeſie ſo reine worden, daß ſie der auslaͤndiſchen nichts mehr nachgebe. Doch geſtehet er, daß die Welſchen, wegen ih- rer insgemein angebohrnen Verſtandes und Scharf- ſinnigkeit, an guter Erfindung den Deutſchen manchesmahl zuvorgehen. Von ſeinen eigenen Gedichten, insbeſondere von ſeinen Heldenbriefen, urtheilet er: „Die Art zu ſchreiben darinnen iſt „gelaͤuftig, leicht, und mehr lieblich als praͤchtig, „dazu denn Ovidius mein Anfuͤhrer geweſen. „Viel von heidniſchen Goͤttern und uͤberſteigen- „den gezwungenen Redensarten, wie auch ande- „re gemeine Schulpoſſen, werden hier wenig zu „finden ſeyn, und machen die den Enthalt der „Sachen eigentlich bedeutende Woͤrter, etliche „kraͤftige Beywoͤrter, und andre mit Verſtand „angewandte Kleinigkeiten die ganze Verfaſſung „meines Schreibens.„ Welcher dieſem fluͤchtigen Urtheil Glauben zuſtel- len ſoll, muß das Anſehen Hoffmannswaldaus ſo viel bey ſich gelten laſſen, daß er ihm auf ſein bloſſes Wort glaͤubt. Eine obgleich nur kurze Ein- ſicht in die Schriften Opitzens und ſeiner Schuͤler, eine Vergleichung derſelben mit Gryphii, und Lo-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/92
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/92>, abgerufen am 23.11.2024.