[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.Ablehnung des Verdachts/ Nation in eine Linie gesetzet wird, nur zu demEnde, damit er mit ihnen von dieser Höhe da- niedergestürtzet u. zum Gelächter gemacht wer- de. Kein besseres Schicksal verdienete mein Landsmann, nachdem er sich vermessen, die D. in ihrer alten Gleichgültigkeit im Ansehen Miltons zu stören, u. sich für ihn, wie Addison bey den Engl., müde zu schreiben u. zu verbür- gen, damit man diesen Poeten einiger Auf- mercksamkeit würdigte. Dieser Addison war ein leichtfertiger Kopf, wie jener beym Eras- mus, der s. Gefährten, so mit ihm über Land ritten, beredet, sie sähen ein Luftzeichen am Himmel. Er überredete die Engelländer, daß sie dergleichen Dinge in Milton sähen. Lächer- lich genug! Hr. G-ttsch-d hat diese Thorheit derselben in der charactermässigen Rede, die er ihnen in den Mund leget, in ihrem Ursprung vorgestellet. Wie, läßt er sie sagen, sollen Grie- chenland u. Rom alleine grosse Poeten haben? Wir sind eben so ehrlich als sie. Milton sey al- so ein Poet! Wir wollen den Homer u. Virgil zusammenschmeltzen, u. einen Milton daraus machen. Wer will uns das wehren? Wir En- gel. werden es doch besser wissen, als die Aus- länder. - - Er läßt sie hier vollkommen reden, wie sie seinen Absichten gemäß reden mußten. Er kennet sie besser als sie selber. Nur reden sie zu geistreich, so daß man schier dächte, er hätte ihnen etwas von seinem eigenen Witz gelichen. Allein was die D. anbelangt, so geht es nicht so leicht an, sie aus ihrer Kaltsinnigkeit zu setzen: sie
Ablehnung des Verdachts/ Nation in eine Linie geſetzet wird, nur zu demEnde, damit er mit ihnen von dieſer Hoͤhe da- niedergeſtuͤrtzet u. zum Gelaͤchter gemacht wer- de. Kein beſſeres Schickſal verdienete mein Landsmann, nachdem er ſich vermeſſen, die D. in ihrer alten Gleichguͤltigkeit im Anſehen Miltons zu ſtoͤren, u. ſich fuͤr ihn, wie Addiſon bey den Engl., muͤde zu ſchreiben u. zu verbuͤr- gen, damit man dieſen Poeten einiger Auf- merckſamkeit wuͤrdigte. Dieſer Addiſon war ein leichtfertiger Kopf, wie jener beym Eras- mus, der ſ. Gefaͤhrten, ſo mit ihm uͤber Land ritten, beredet, ſie ſaͤhen ein Luftzeichen am Himmel. Er uͤberredete die Engellaͤnder, daß ſie dergleichen Dinge in Milton ſaͤhen. Laͤcher- lich genug! Hr. G-ttſch-d hat dieſe Thorheit derſelben in der charactermaͤſſigen Rede, die er ihnen in den Mund leget, in ihrem Urſprung vorgeſtellet. Wie, laͤßt er ſie ſagen, ſollen Grie- chenland u. Rom alleine groſſe Poeten haben? Wir ſind eben ſo ehrlich als ſie. Milton ſey al- ſo ein Poet! Wir wollen den Homer u. Virgil zuſammenſchmeltzen, u. einen Milton daraus machen. Wer will uns das wehren? Wir En- gel. werden es doch beſſer wiſſen, als die Aus- laͤnder. ‒ ‒ Er laͤßt ſie hier vollkommen reden, wie ſie ſeinen Abſichten gemaͤß reden mußten. Er kennet ſie beſſer als ſie ſelber. Nur reden ſie zu geiſtreich, ſo daß man ſchier daͤchte, er haͤtte ihnen etwas von ſeinem eigenen Witz gelichen. Allein was die D. anbelangt, ſo geht es nicht ſo leicht an, ſie aus ihrer Kaltſinnigkeit zu ſetzen: ſie
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Ablehnung des Verdachts/
Nation in eine Linie geſetzet wird, nur zu dem
Ende, damit er mit ihnen von dieſer Hoͤhe da-
niedergeſtuͤrtzet u. zum Gelaͤchter gemacht wer-
de. Kein beſſeres Schickſal verdienete mein
Landsmann, nachdem er ſich vermeſſen, die
D. in ihrer alten Gleichguͤltigkeit im Anſehen
Miltons zu ſtoͤren, u. ſich fuͤr ihn, wie Addiſon
bey den Engl., muͤde zu ſchreiben u. zu verbuͤr-
gen, damit man dieſen Poeten einiger Auf-
merckſamkeit wuͤrdigte. Dieſer Addiſon war
ein leichtfertiger Kopf, wie jener beym Eras-
mus, der ſ. Gefaͤhrten, ſo mit ihm uͤber Land
ritten, beredet, ſie ſaͤhen ein Luftzeichen am
Himmel. Er uͤberredete die Engellaͤnder, daß
ſie dergleichen Dinge in Milton ſaͤhen. Laͤcher-
lich genug! Hr. G-ttſch-d hat dieſe Thorheit
derſelben in der charactermaͤſſigen Rede, die er
ihnen in den Mund leget, in ihrem Urſprung
vorgeſtellet. Wie, laͤßt er ſie ſagen, ſollen Grie-
chenland u. Rom alleine groſſe Poeten haben?
Wir ſind eben ſo ehrlich als ſie. Milton ſey al-
ſo ein Poet! Wir wollen den Homer u. Virgil
zuſammenſchmeltzen, u. einen Milton daraus
machen. Wer will uns das wehren? Wir En-
gel. werden es doch beſſer wiſſen, als die Aus-
laͤnder. ‒ ‒ Er laͤßt ſie hier vollkommen reden,
wie ſie ſeinen Abſichten gemaͤß reden mußten.
Er kennet ſie beſſer als ſie ſelber. Nur reden ſie
zu geiſtreich, ſo daß man ſchier daͤchte, er haͤtte
ihnen etwas von ſeinem eigenen Witz gelichen.
Allein was die D. anbelangt, ſo geht es nicht ſo
leicht an, ſie aus ihrer Kaltſinnigkeit zu ſetzen:
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