[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.Stücke der Schutzvorrede ist schon genug; man wird ihm also künftig auchhierinne blind gehorsamen. Was würde er aber nicht erst alsdann für ein Lärmen ange- fangen haben, wenn der Verfasser gar Apo- stel und Propheten von denen Thieren ge- braucht hätte, als welches bey dem La Motte und Richer vorkömmt; keinesweges aber zu billigen ist, wenn es anders dem Criticus also und nicht anders gefällig ist. Sehr lächerlich ist es indessen, daß dieser ver- Der das vornehmste Gebot der Christl. Liebe etc.)
Ein guter Criticus gleichet einem klugen Arzt, der sich nach dem Geschmack seines Patienten richtet, und die bittern Pillen übergüldet und überzuckert, damit sie desto angenehmer seyn. Man muß aber diese Ver- gleichung nicht so weit treiben, als die Spötter thun, wenn sie fragen, ob denn derjenige Arzt wider die christliche Liebe handle, der bey einem unheilbaren Schaden corrosiva appliciert, oder ein angestecktes Glied abstößt, oder dem Patienten durch seine Cur sonst Schmertzen verursachet. Wovon der Ertzvater der Spötter, Briontes der jüngere Bl. 283. u. f. nach- zusehen ist. Denn omne simile claudicat. Stuͤcke der Schutzvorrede iſt ſchon genug; man wird ihm alſo kuͤnftig auchhierinne blind gehorſamen. Was wuͤrde er aber nicht erſt alsdann fuͤr ein Laͤrmen ange- fangen haben, wenn der Verfaſſer gar Apo- ſtel und Propheten von denen Thieren ge- braucht haͤtte, als welches bey dem La Motte und Richer vorkoͤmmt; keinesweges aber zu billigen iſt, wenn es anders dem Criticus alſo und nicht anders gefaͤllig iſt. Sehr laͤcherlich iſt es indeſſen, daß dieſer ver- Der das vornehmſte Gebot der Chriſtl. Liebe ꝛc.)
Ein guter Criticus gleichet einem klugen Arzt, der ſich nach dem Geſchmack ſeines Patienten richtet, und die bittern Pillen uͤberguͤldet und uͤberzuckert, damit ſie deſto angenehmer ſeyn. Man muß aber dieſe Ver- gleichung nicht ſo weit treiben, als die Spoͤtter thun, wenn ſie fragen, ob denn derjenige Arzt wider die chriſtliche Liebe handle, der bey einem unheilbaren Schaden corroſiva appliciert, oder ein angeſtecktes Glied abſtoͤßt, oder dem Patienten durch ſeine Cur ſonſt Schmertzen verurſachet. Wovon der Ertzvater der Spoͤtter, Briontes der juͤngere Bl. 283. u. f. nach- zuſehen iſt. Denn omne ſimile claudicat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0046" n="44"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Stuͤcke der Schutzvorrede</hi></fw><lb/> iſt ſchon genug; man wird ihm alſo kuͤnftig auch<lb/> hierinne blind gehorſamen. Was wuͤrde er<lb/> aber nicht erſt alsdann fuͤr ein Laͤrmen ange-<lb/> fangen haben, wenn der Verfaſſer gar Apo-<lb/> ſtel und Propheten von denen Thieren ge-<lb/> braucht haͤtte, als welches bey dem La Motte<lb/> und Richer vorkoͤmmt; keinesweges aber<lb/> zu billigen iſt, wenn es anders dem Criticus<lb/> alſo und nicht anders gefaͤllig iſt.</p><lb/> <p>Sehr laͤcherlich iſt es indeſſen, daß dieſer<lb/> Mann jezt ein ſo zaͤrtliches Gewiſſen hat, daß<lb/> er denen armen Maͤuſen ihre Gevatterſchaft<lb/> nicht goͤnnen will; <hi rendition="#fr">der doch kurtz zuvor das<lb/> vornehmſte Geboth der chriſtlichen Liebe<lb/> und Beſcheidenheit ſo groͤblich und ſo oft<lb/> uͤbertreten.</hi> Heißt dieſes nicht recht Muͤken<lb/> ſeigen, und Camele verſchlucken? Sind die-<lb/> ſes nun die geſunden, nuͤtzlichen, und einem<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/><note place="foot"><hi rendition="#fr">Der das vornehmſte Gebot der Chriſtl. Liebe ꝛc.)</hi><lb/> Ein guter Criticus gleichet einem klugen Arzt, der ſich<lb/> nach dem Geſchmack ſeines Patienten richtet, und die<lb/> bittern Pillen uͤberguͤldet und uͤberzuckert, damit ſie<lb/> deſto angenehmer ſeyn. Man muß aber dieſe Ver-<lb/> gleichung nicht ſo weit treiben, als die Spoͤtter thun,<lb/> wenn ſie fragen, ob denn derjenige Arzt wider die<lb/> chriſtliche Liebe handle, der bey einem unheilbaren<lb/> Schaden <hi rendition="#aq">corroſiva</hi> appliciert, oder ein angeſtecktes<lb/> Glied abſtoͤßt, oder dem Patienten durch ſeine Cur<lb/> ſonſt Schmertzen verurſachet. Wovon der Ertzvater<lb/> der Spoͤtter, Briontes der juͤngere Bl. 283. u. f. nach-<lb/> zuſehen iſt. Denn <hi rendition="#aq">omne ſimile claudicat.</hi></note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [44/0046]
Stuͤcke der Schutzvorrede
iſt ſchon genug; man wird ihm alſo kuͤnftig auch
hierinne blind gehorſamen. Was wuͤrde er
aber nicht erſt alsdann fuͤr ein Laͤrmen ange-
fangen haben, wenn der Verfaſſer gar Apo-
ſtel und Propheten von denen Thieren ge-
braucht haͤtte, als welches bey dem La Motte
und Richer vorkoͤmmt; keinesweges aber
zu billigen iſt, wenn es anders dem Criticus
alſo und nicht anders gefaͤllig iſt.
Sehr laͤcherlich iſt es indeſſen, daß dieſer
Mann jezt ein ſo zaͤrtliches Gewiſſen hat, daß
er denen armen Maͤuſen ihre Gevatterſchaft
nicht goͤnnen will; der doch kurtz zuvor das
vornehmſte Geboth der chriſtlichen Liebe
und Beſcheidenheit ſo groͤblich und ſo oft
uͤbertreten. Heißt dieſes nicht recht Muͤken
ſeigen, und Camele verſchlucken? Sind die-
ſes nun die geſunden, nuͤtzlichen, und einem
ver-
Der das vornehmſte Gebot der Chriſtl. Liebe ꝛc.)
Ein guter Criticus gleichet einem klugen Arzt, der ſich
nach dem Geſchmack ſeines Patienten richtet, und die
bittern Pillen uͤberguͤldet und uͤberzuckert, damit ſie
deſto angenehmer ſeyn. Man muß aber dieſe Ver-
gleichung nicht ſo weit treiben, als die Spoͤtter thun,
wenn ſie fragen, ob denn derjenige Arzt wider die
chriſtliche Liebe handle, der bey einem unheilbaren
Schaden corroſiva appliciert, oder ein angeſtecktes
Glied abſtoͤßt, oder dem Patienten durch ſeine Cur
ſonſt Schmertzen verurſachet. Wovon der Ertzvater
der Spoͤtter, Briontes der juͤngere Bl. 283. u. f. nach-
zuſehen iſt. Denn omne ſimile claudicat.
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