[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.für die Tr-ll-rischen Fabeln. die Mäuse, ohne Verletzung des Gewissensund der Religion, einander Gevattern heissen können.? Dieses leztere bejahen alle neuen Fabulisten, als La Fontaine, Richer, und La Motte, als der es so gar gebietet; daher ist nichts gewöhnlicher bey ihnen, als Com- pere Renard, Compere Corbeau, Commere Haze, Lionne, und dergleichen, und bey dem ehrlichen Froschmäuseler kommt der Gevatter Fuchs, Heins, und so weiter, zum öftern für, welche Stellen der müssige Criticus selbst nachsehen kan. Nur unser Verfasser soll die Freyheit nicht haben, die Mäuse einander Gevatter heissen zu lassen. Warum? Der strenge Gebieter will es nun so haben. Dieses ist Ob die Mäuse einander Gevattern heissen können?)
Diesen Einwurff hat Hr. Doctor alleine einer Antwort würdig geachtet, weil er das Gewissen antastet, und die Vertheidigung derselben ist so bündig gerathen, daß ich nichts beysetzen könnte, ohne ihren Nachdruck zu schwächen. Exemplis vivimus, non praeceptis. Und wenn ich La Fontaine, La Motte, Richer, zu Vorgän- gern habe, malo cum his errare, quam solus recte sapere. Es wäre auch eine lähre Spitzfündigkeit, wenn man sagen wollte, bey den angezognen Fabuli- sten werde diese Benennung den Thieren in den Mund geleget, hier aber sage der Poet selbst von der Feld- und der Stadt-Maus: Denn sie waren alte Freunde u. Gevattern ausser dem. Wenn das, was gesagt wird, wahr ist, so liegt ja nichts daran, wer es sage. fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. die Maͤuſe, ohne Verletzung des Gewiſſensund der Religion, einander Gevattern heiſſen koͤnnen.? Dieſes leztere bejahen alle neuen Fabuliſten, als La Fontaine, Richer, und La Motte, als der es ſo gar gebietet; daher iſt nichts gewoͤhnlicher bey ihnen, als Com- pére Renard, Compére Corbeau, Commére Haze, Lionne, und dergleichen, und bey dem ehrlichen Froſchmaͤuſeler kommt der Gevatter Fuchs, Heins, und ſo weiter, zum oͤftern fuͤr, welche Stellen der muͤſſige Criticus ſelbſt nachſehen kan. Nur unſer Verfaſſer ſoll die Freyheit nicht haben, die Maͤuſe einander Gevatter heiſſen zu laſſen. Warum? Der ſtrenge Gebieter will es nun ſo haben. Dieſes iſt Ob die Maͤuſe einander Gevattern heiſſen koͤnnen?)
Dieſen Einwurff hat Hr. Doctor alleine einer Antwort wuͤrdig geachtet, weil er das Gewiſſen antaſtet, und die Vertheidigung derſelben iſt ſo buͤndig gerathen, daß ich nichts beyſetzen koͤnnte, ohne ihren Nachdruck zu ſchwaͤchen. Exemplis vivimus, non præceptis. Und wenn ich La Fontaine, La Motte, Richer, zu Vorgaͤn- gern habe, malo cum his errare, quam ſolus recte ſapere. Es waͤre auch eine laͤhre Spitzfuͤndigkeit, wenn man ſagen wollte, bey den angezognen Fabuli- ſten werde dieſe Benennung den Thieren in den Mund geleget, hier aber ſage der Poet ſelbſt von der Feld- und der Stadt-Maus: Deñ ſie waren alte Freunde u. Gevattern auſſer dem. Wenn das, was geſagt wird, wahr iſt, ſo liegt ja nichts daran, wer es ſage. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0045" n="43"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">die Maͤuſe,</hi> ohne Verletzung des Gewiſſens<lb/> und der Religion, <hi rendition="#fr">einander Gevattern heiſſen<lb/> koͤnnen.?</hi> Dieſes leztere bejahen alle neuen<lb/> Fabuliſten, als La Fontaine, Richer, und<lb/> La Motte, als der es ſo gar gebietet; daher<lb/> iſt nichts gewoͤhnlicher bey ihnen, als <hi rendition="#aq">Com-<lb/> pére Renard, Compére Corbeau, Commére<lb/> Haze, Lionne,</hi> und dergleichen, und bey dem<lb/> ehrlichen Froſchmaͤuſeler kommt der Gevatter<lb/> Fuchs, Heins, und ſo weiter, zum oͤftern<lb/> fuͤr, welche Stellen der muͤſſige Criticus ſelbſt<lb/> nachſehen kan. Nur unſer Verfaſſer ſoll die<lb/> Freyheit nicht haben, die Maͤuſe einander<lb/> Gevatter heiſſen zu laſſen. Warum? Der<lb/> ſtrenge Gebieter will es nun ſo haben. Dieſes<lb/> <fw place="bottom" type="catch">iſt</fw><lb/><note place="foot"><hi rendition="#fr">Ob die Maͤuſe einander Gevattern heiſſen koͤnnen?</hi>)<lb/> Dieſen Einwurff hat Hr. Doctor alleine einer Antwort<lb/> wuͤrdig geachtet, weil er das Gewiſſen antaſtet, und<lb/> die Vertheidigung derſelben iſt ſo buͤndig gerathen, daß<lb/> ich nichts beyſetzen koͤnnte, ohne ihren Nachdruck zu<lb/> ſchwaͤchen. <hi rendition="#aq">Exemplis vivimus, non præceptis.</hi> Und<lb/> wenn ich La Fontaine, La Motte, Richer, zu Vorgaͤn-<lb/> gern habe, <hi rendition="#aq">malo cum his errare, quam ſolus recte<lb/> ſapere.</hi> Es waͤre auch eine laͤhre Spitzfuͤndigkeit,<lb/> wenn man ſagen wollte, bey den angezognen Fabuli-<lb/> ſten werde dieſe Benennung den Thieren in den Mund<lb/> geleget, hier aber ſage der Poet ſelbſt von der Feld-<lb/> und der Stadt-Maus:<lb/><hi rendition="#fr">Deñ ſie waren alte Freunde u. Gevattern auſſer dem.</hi><lb/> Wenn das, was geſagt wird, wahr iſt, ſo liegt ja<lb/> nichts daran, wer es ſage.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [43/0045]
fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln.
die Maͤuſe, ohne Verletzung des Gewiſſens
und der Religion, einander Gevattern heiſſen
koͤnnen.? Dieſes leztere bejahen alle neuen
Fabuliſten, als La Fontaine, Richer, und
La Motte, als der es ſo gar gebietet; daher
iſt nichts gewoͤhnlicher bey ihnen, als Com-
pére Renard, Compére Corbeau, Commére
Haze, Lionne, und dergleichen, und bey dem
ehrlichen Froſchmaͤuſeler kommt der Gevatter
Fuchs, Heins, und ſo weiter, zum oͤftern
fuͤr, welche Stellen der muͤſſige Criticus ſelbſt
nachſehen kan. Nur unſer Verfaſſer ſoll die
Freyheit nicht haben, die Maͤuſe einander
Gevatter heiſſen zu laſſen. Warum? Der
ſtrenge Gebieter will es nun ſo haben. Dieſes
iſt
Ob die Maͤuſe einander Gevattern heiſſen koͤnnen?)
Dieſen Einwurff hat Hr. Doctor alleine einer Antwort
wuͤrdig geachtet, weil er das Gewiſſen antaſtet, und
die Vertheidigung derſelben iſt ſo buͤndig gerathen, daß
ich nichts beyſetzen koͤnnte, ohne ihren Nachdruck zu
ſchwaͤchen. Exemplis vivimus, non præceptis. Und
wenn ich La Fontaine, La Motte, Richer, zu Vorgaͤn-
gern habe, malo cum his errare, quam ſolus recte
ſapere. Es waͤre auch eine laͤhre Spitzfuͤndigkeit,
wenn man ſagen wollte, bey den angezognen Fabuli-
ſten werde dieſe Benennung den Thieren in den Mund
geleget, hier aber ſage der Poet ſelbſt von der Feld-
und der Stadt-Maus:
Deñ ſie waren alte Freunde u. Gevattern auſſer dem.
Wenn das, was geſagt wird, wahr iſt, ſo liegt ja
nichts daran, wer es ſage.
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