[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.für die Tr-ll-rischen Fabeln. Oedipus auflösen kan! Welcher schertzhafterEinfall, der einem Thränen auspressen mög- te! Welche Critische Dichtkunst, die den Aristoteles und Horaz weit übertrift! Er fraget ferner, ob die Bäume etwas vom König Salomo wissen können? Dieses ist Und "sen solches eben so geschickt zu gebrauchen, einanderDieses weitläuftige Gewä- sche verdienet zwar keine Widerlegung, und es verloh- net sich nicht der Mühe, alles zu beantworten. Jch will nur ein par kleine Anmerckungen beyfügen. Die erste siehet auf die Erkenntniß, welche die Dichtung leb- losen Geschöpfen in der Fabel beyleget. Sind sie ei- niger Erkenntniß fähig, so müssen sie eine Seele ha- ben, und warum sollten sie dann nicht bey ihrer See- len etwas betheuren können? So sprach er, jeder fiel ihm bey, Dieses ist die Sprache des Herren von Dornbusch.Aus unverschämter Schmeicheley, Selbst Salomo, bey meiner Seelen! Könnt weiser nicht und besser wählen. C 4
fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. Oedipus aufloͤſen kan! Welcher ſchertzhafterEinfall, der einem Thraͤnen auspreſſen moͤg- te! Welche Critiſche Dichtkunſt, die den Ariſtoteles und Horaz weit uͤbertrift! Er fraget ferner, ob die Baͤume etwas vom Koͤnig Salomo wiſſen koͤnnen? Dieſes iſt Und „ſen ſolches eben ſo geſchickt zu gebrauchen, einanderDieſes weitlaͤuftige Gewaͤ- ſche verdienet zwar keine Widerlegung, und es verloh- net ſich nicht der Muͤhe, alles zu beantworten. Jch will nur ein par kleine Anmerckungen beyfuͤgen. Die erſte ſiehet auf die Erkenntniß, welche die Dichtung leb- loſen Geſchoͤpfen in der Fabel beyleget. Sind ſie ei- niger Erkenntniß faͤhig, ſo muͤſſen ſie eine Seele ha- ben, und warum ſollten ſie dann nicht bey ihrer See- len etwas betheuren koͤnnen? So ſprach er, jeder fiel ihm bey, Dieſes iſt die Sprache des Herren von Dornbuſch.Aus unverſchaͤmter Schmeicheley, Selbſt Salomo, bey meiner Seelen! Koͤnnt weiſer nicht und beſſer waͤhlen. C 4
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fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln.
Oedipus aufloͤſen kan! Welcher ſchertzhafter
Einfall, der einem Thraͤnen auspreſſen moͤg-
te! Welche Critiſche Dichtkunſt, die den
Ariſtoteles und Horaz weit uͤbertrift! Er
fraget ferner, ob die Baͤume etwas vom
Koͤnig Salomo wiſſen koͤnnen? Dieſes
iſt
Und
„ſen ſolches eben ſo geſchickt zu gebrauchen, einander
„zu beſtechen, als die Menſchen, Bl. 607. und 608.
„Sie ſchaͤtzen den Adel nach der Zahl der Ahnen; ſie
„beobachten in dem geheimen Cabinete unter ſich ei-
„nen Rang; ſie beſchencken einander mit guͤldenen
„Ketten; ſie halten einander Hochzeit-Maͤhler und
„Gaſtereyen; alſo werden ſie auch mit einander ſpei-
„ſen, Bl. 609. u. 610. Sie koͤnnen ſich auf ihre
„Fuͤſſe erheben, und nach Belieben langſam einher
„ſpatzieren, oder geſchwinde lauffen, und man trift
„oͤfters gantze Caravanen auf der Straſſe an, von
„Eſpen, Tannen, Buch und Linden, Bl. 610.
„Wie abentheurlich!„ Dieſes weitlaͤuftige Gewaͤ-
ſche verdienet zwar keine Widerlegung, und es verloh-
net ſich nicht der Muͤhe, alles zu beantworten. Jch
will nur ein par kleine Anmerckungen beyfuͤgen. Die
erſte ſiehet auf die Erkenntniß, welche die Dichtung leb-
loſen Geſchoͤpfen in der Fabel beyleget. Sind ſie ei-
niger Erkenntniß faͤhig, ſo muͤſſen ſie eine Seele ha-
ben, und warum ſollten ſie dann nicht bey ihrer See-
len etwas betheuren koͤnnen?
So ſprach er, jeder fiel ihm bey,
Aus unverſchaͤmter Schmeicheley,
Selbſt Salomo, bey meiner Seelen!
Koͤnnt weiſer nicht und beſſer waͤhlen.
Dieſes iſt die Sprache des Herren von Dornbuſch.
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