Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

der Critik bey den Deutschen.
und neuen Schriften, so zur Beredtsamkeit und
Sprachlehre gehören, aus langen Auszügen der-
selben, so bisweilen mit einigen flüchtigen Beur-
theilungen begleitet werden. Diese sehen meistens
nur auf die äusserliche Form der Wörter, auf die
Rechtschreibung, auf die Abfälle der Nennwör-
ter und der Vornennwörter, auf die Fließarten
der Zeitwörter und dergleichen. Die Natur und
Eigenschaft der deutschen Sprache in zusammen-
hangenden Redensarten, ihre Kraft in der Be-
deutung, ihre Biegsamkeit, und Geschicklichkeit
zu allen Schreibarten, ihr Reichthum in Anse-
hen der absonderlichsten Bestimmungen, werden
vielmehr vorausgesetzet, als erwiesen. Die criti-
schen Untersuchungen sind in sehr geringer Anzahl.
Von diesen gehören einige Fremden, die mehrern
Herrn Gottscheden, welcher in dem ein und zwanzig-
sten Stücke seinen Anspruch auf das gantze Werck
öffentlich behauptet, gleichwohl aber bekannt hat,
daß ihm viele Artickel von geschickten Freunden ein-
gesandt worden. Zuvor hatte jedermann die deut-
sche Gesellschaft von Leipzig für die Urheber dieser
Monatschrift gehalten. Von den critischen Arti-
keln hab ich überhaupt urtheilen gehöret, daß man
den Verfasser der critischen Dichtkunst darinnen
alsobald erkenne, daß die Urtheile nicht auf sol-
che Wahrheiten gegründet werden, die nur Hin-
tersätze von unleugbaren Fördersätzen sind, und
sich bequem unter einen solchen bringen lassen. Ei-
nige von den allgemeinsten Grundsätzen werden
mit grossem Dünckel eingeführt, aber in ihrer
Anwendung, wo es um die Beurtheilungen der

Mittel
L 4

der Critik bey den Deutſchen.
und neuen Schriften, ſo zur Beredtſamkeit und
Sprachlehre gehoͤren, aus langen Auszuͤgen der-
ſelben, ſo bisweilen mit einigen fluͤchtigen Beur-
theilungen begleitet werden. Dieſe ſehen meiſtens
nur auf die aͤuſſerliche Form der Woͤrter, auf die
Rechtſchreibung, auf die Abfaͤlle der Nennwoͤr-
ter und der Vornennwoͤrter, auf die Fließarten
der Zeitwoͤrter und dergleichen. Die Natur und
Eigenſchaft der deutſchen Sprache in zuſammen-
hangenden Redensarten, ihre Kraft in der Be-
deutung, ihre Biegſamkeit, und Geſchicklichkeit
zu allen Schreibarten, ihr Reichthum in Anſe-
hen der abſonderlichſten Beſtimmungen, werden
vielmehr vorausgeſetzet, als erwieſen. Die criti-
ſchen Unterſuchungen ſind in ſehr geringer Anzahl.
Von dieſen gehoͤren einige Fremden, die mehrern
Herrn Gottſcheden, welcher in dem ein und zwanzig-
ſten Stuͤcke ſeinen Anſpruch auf das gantze Werck
oͤffentlich behauptet, gleichwohl aber bekannt hat,
daß ihm viele Artickel von geſchickten Freunden ein-
geſandt worden. Zuvor hatte jedermann die deut-
ſche Geſellſchaft von Leipzig fuͤr die Urheber dieſer
Monatſchrift gehalten. Von den critiſchen Arti-
keln hab ich uͤberhaupt urtheilen gehoͤret, daß man
den Verfaſſer der critiſchen Dichtkunſt darinnen
alſobald erkenne, daß die Urtheile nicht auf ſol-
che Wahrheiten gegruͤndet werden, die nur Hin-
terſaͤtze von unleugbaren Foͤrderſaͤtzen ſind, und
ſich bequem unter einen ſolchen bringen laſſen. Ei-
nige von den allgemeinſten Grundſaͤtzen werden
mit groſſem Duͤnckel eingefuͤhrt, aber in ihrer
Anwendung, wo es um die Beurtheilungen der

Mittel
L 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0169" n="167"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Critik bey den Deut&#x017F;chen.</hi></fw><lb/>
und neuen Schriften, &#x017F;o zur Beredt&#x017F;amkeit und<lb/>
Sprachlehre geho&#x0364;ren, aus langen Auszu&#x0364;gen der-<lb/>
&#x017F;elben, &#x017F;o bisweilen mit einigen flu&#x0364;chtigen Beur-<lb/>
theilungen begleitet werden. Die&#x017F;e &#x017F;ehen mei&#x017F;tens<lb/>
nur auf die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Form der Wo&#x0364;rter, auf die<lb/>
Recht&#x017F;chreibung, auf die Abfa&#x0364;lle der Nennwo&#x0364;r-<lb/>
ter und der Vornennwo&#x0364;rter, auf die Fließarten<lb/>
der Zeitwo&#x0364;rter und dergleichen. Die Natur und<lb/>
Eigen&#x017F;chaft der deut&#x017F;chen Sprache in zu&#x017F;ammen-<lb/>
hangenden Redensarten, ihre Kraft in der Be-<lb/>
deutung, ihre Bieg&#x017F;amkeit, und Ge&#x017F;chicklichkeit<lb/>
zu allen Schreibarten, ihr Reichthum in An&#x017F;e-<lb/>
hen der ab&#x017F;onderlich&#x017F;ten Be&#x017F;timmungen, werden<lb/>
vielmehr vorausge&#x017F;etzet, als erwie&#x017F;en. Die criti-<lb/>
&#x017F;chen Unter&#x017F;uchungen &#x017F;ind in &#x017F;ehr geringer Anzahl.<lb/>
Von die&#x017F;en geho&#x0364;ren einige Fremden, die mehrern<lb/>
Herrn Gott&#x017F;cheden, welcher in dem ein und zwanzig-<lb/>
&#x017F;ten Stu&#x0364;cke &#x017F;einen An&#x017F;pruch auf das gantze Werck<lb/>
o&#x0364;ffentlich behauptet, gleichwohl aber bekannt hat,<lb/>
daß ihm viele Artickel von ge&#x017F;chickten Freunden ein-<lb/>
ge&#x017F;andt worden. Zuvor hatte jedermann die deut-<lb/>
&#x017F;che Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von Leipzig fu&#x0364;r die Urheber die&#x017F;er<lb/>
Monat&#x017F;chrift gehalten. Von den criti&#x017F;chen Arti-<lb/>
keln hab ich u&#x0364;berhaupt urtheilen geho&#x0364;ret, daß man<lb/>
den Verfa&#x017F;&#x017F;er der criti&#x017F;chen Dichtkun&#x017F;t darinnen<lb/>
al&#x017F;obald erkenne, daß die Urtheile nicht auf &#x017F;ol-<lb/>
che Wahrheiten gegru&#x0364;ndet werden, die nur Hin-<lb/>
ter&#x017F;a&#x0364;tze von unleugbaren Fo&#x0364;rder&#x017F;a&#x0364;tzen &#x017F;ind, und<lb/>
&#x017F;ich bequem unter einen &#x017F;olchen bringen la&#x017F;&#x017F;en. Ei-<lb/>
nige von den allgemein&#x017F;ten Grund&#x017F;a&#x0364;tzen werden<lb/>
mit gro&#x017F;&#x017F;em Du&#x0364;nckel eingefu&#x0364;hrt, aber in ihrer<lb/>
Anwendung, wo es um die Beurtheilungen der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Mittel</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0169] der Critik bey den Deutſchen. und neuen Schriften, ſo zur Beredtſamkeit und Sprachlehre gehoͤren, aus langen Auszuͤgen der- ſelben, ſo bisweilen mit einigen fluͤchtigen Beur- theilungen begleitet werden. Dieſe ſehen meiſtens nur auf die aͤuſſerliche Form der Woͤrter, auf die Rechtſchreibung, auf die Abfaͤlle der Nennwoͤr- ter und der Vornennwoͤrter, auf die Fließarten der Zeitwoͤrter und dergleichen. Die Natur und Eigenſchaft der deutſchen Sprache in zuſammen- hangenden Redensarten, ihre Kraft in der Be- deutung, ihre Biegſamkeit, und Geſchicklichkeit zu allen Schreibarten, ihr Reichthum in Anſe- hen der abſonderlichſten Beſtimmungen, werden vielmehr vorausgeſetzet, als erwieſen. Die criti- ſchen Unterſuchungen ſind in ſehr geringer Anzahl. Von dieſen gehoͤren einige Fremden, die mehrern Herrn Gottſcheden, welcher in dem ein und zwanzig- ſten Stuͤcke ſeinen Anſpruch auf das gantze Werck oͤffentlich behauptet, gleichwohl aber bekannt hat, daß ihm viele Artickel von geſchickten Freunden ein- geſandt worden. Zuvor hatte jedermann die deut- ſche Geſellſchaft von Leipzig fuͤr die Urheber dieſer Monatſchrift gehalten. Von den critiſchen Arti- keln hab ich uͤberhaupt urtheilen gehoͤret, daß man den Verfaſſer der critiſchen Dichtkunſt darinnen alſobald erkenne, daß die Urtheile nicht auf ſol- che Wahrheiten gegruͤndet werden, die nur Hin- terſaͤtze von unleugbaren Foͤrderſaͤtzen ſind, und ſich bequem unter einen ſolchen bringen laſſen. Ei- nige von den allgemeinſten Grundſaͤtzen werden mit groſſem Duͤnckel eingefuͤhrt, aber in ihrer Anwendung, wo es um die Beurtheilungen der Mittel L 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/169
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/169>, abgerufen am 24.11.2024.