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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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der Critik bey den Deutschen.
schwartz zu machen suchete, sie liessen darum in
dem Schreiben an den Hrn. König vor der Ankla-
ge des verderbten Geschmackes
etwas weniges
zum Schutze derselben einfliessen.

"Jch habe,
"heißt es daselbst, die verzärtelte Höflichkeit mit
"der Wahrheit nicht vergleichen können; sie ist
"von der Aufrichtigkeit allzuweit entfernt, denn
"sie verstellet, verkehret, und verkleistert die
"Wahrheit, so oft es wehe thut, sie zu hören."

Nach etlichen Zeilen erkläret man sich noch deutli-
cher:

"Jndem ich hier der ausrichtigen Grobheit
"zu Gunst der Wahrheit das Wort rede, müß-
"te man sehr geneigt seyn, mir unrecht zu thun,
"wenn man das ungerechte Gespötte hieraus
"rechtfertigen wollte, welches die Sachen gäntz-
"lich aus Augen setzet, und uns an deren statt
"einen ungeschickten Ausdruck unterschiebt, der
"seinen Grund nicht in der Sache, sondern in
"der ausschweiffenden Phantasie, oder dem blö-
"den Verstande des Verfassers hat."

Die
verzärtelte Höflichkeit ist von der wahren Höflicheit
weit unterschieden, und die aufrichtige Grobheit
ist eben so weit von der wahren Unhöflichkeit
entfernt. Es giebt in der That in den Schriften
alberner Scribenten manchmahl so dumme, und
ungehirnte Dinge, daß ob man gleich nichts wei-
ters thut, als sie in ihrer Natur auf eine leb-
hafte Weise vorstellig machet, man in der Ver-
fasser Augen scharf, herbe, und beissend wird.

Derjenige, der den letzten Artikel der XCI. N.
in den gelehrten Zeitungen von Leipzig 1728. ver-
fertiget hat, hat nicht absehen können, wie sich

in

der Critik bey den Deutſchen.
ſchwartz zu machen ſuchete, ſie lieſſen darum in
dem Schreiben an den Hrn. Koͤnig vor der Ankla-
ge des verderbten Geſchmackes
etwas weniges
zum Schutze derſelben einflieſſen.

„Jch habe,
„heißt es daſelbſt, die verzaͤrtelte Hoͤflichkeit mit
„der Wahrheit nicht vergleichen koͤnnen; ſie iſt
„von der Aufrichtigkeit allzuweit entfernt, denn
„ſie verſtellet, verkehret, und verkleiſtert die
„Wahrheit, ſo oft es wehe thut, ſie zu hoͤren.„

Nach etlichen Zeilen erklaͤret man ſich noch deutli-
cher:

„Jndem ich hier der auſrichtigen Grobheit
„zu Gunſt der Wahrheit das Wort rede, muͤß-
„te man ſehr geneigt ſeyn, mir unrecht zu thun,
„wenn man das ungerechte Geſpoͤtte hieraus
„rechtfertigen wollte, welches die Sachen gaͤntz-
„lich aus Augen ſetzet, und uns an deren ſtatt
„einen ungeſchickten Ausdruck unterſchiebt, der
„ſeinen Grund nicht in der Sache, ſondern in
„der ausſchweiffenden Phantaſie, oder dem bloͤ-
„den Verſtande des Verfaſſers hat.„

Die
verzaͤrtelte Hoͤflichkeit iſt von der wahren Hoͤflicheit
weit unterſchieden, und die aufrichtige Grobheit
iſt eben ſo weit von der wahren Unhoͤflichkeit
entfernt. Es giebt in der That in den Schriften
alberner Scribenten manchmahl ſo dumme, und
ungehirnte Dinge, daß ob man gleich nichts wei-
ters thut, als ſie in ihrer Natur auf eine leb-
hafte Weiſe vorſtellig machet, man in der Ver-
faſſer Augen ſcharf, herbe, und beiſſend wird.

Derjenige, der den letzten Artikel der XCI. N.
in den gelehrten Zeitungen von Leipzig 1728. ver-
fertiget hat, hat nicht abſehen koͤnnen, wie ſich

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[157/0159] der Critik bey den Deutſchen. ſchwartz zu machen ſuchete, ſie lieſſen darum in dem Schreiben an den Hrn. Koͤnig vor der Ankla- ge des verderbten Geſchmackes etwas weniges zum Schutze derſelben einflieſſen. „Jch habe, „heißt es daſelbſt, die verzaͤrtelte Hoͤflichkeit mit „der Wahrheit nicht vergleichen koͤnnen; ſie iſt „von der Aufrichtigkeit allzuweit entfernt, denn „ſie verſtellet, verkehret, und verkleiſtert die „Wahrheit, ſo oft es wehe thut, ſie zu hoͤren.„ Nach etlichen Zeilen erklaͤret man ſich noch deutli- cher: „Jndem ich hier der auſrichtigen Grobheit „zu Gunſt der Wahrheit das Wort rede, muͤß- „te man ſehr geneigt ſeyn, mir unrecht zu thun, „wenn man das ungerechte Geſpoͤtte hieraus „rechtfertigen wollte, welches die Sachen gaͤntz- „lich aus Augen ſetzet, und uns an deren ſtatt „einen ungeſchickten Ausdruck unterſchiebt, der „ſeinen Grund nicht in der Sache, ſondern in „der ausſchweiffenden Phantaſie, oder dem bloͤ- „den Verſtande des Verfaſſers hat.„ Die verzaͤrtelte Hoͤflichkeit iſt von der wahren Hoͤflicheit weit unterſchieden, und die aufrichtige Grobheit iſt eben ſo weit von der wahren Unhoͤflichkeit entfernt. Es giebt in der That in den Schriften alberner Scribenten manchmahl ſo dumme, und ungehirnte Dinge, daß ob man gleich nichts wei- ters thut, als ſie in ihrer Natur auf eine leb- hafte Weiſe vorſtellig machet, man in der Ver- faſſer Augen ſcharf, herbe, und beiſſend wird. Derjenige, der den letzten Artikel der XCI. N. in den gelehrten Zeitungen von Leipzig 1728. ver- fertiget hat, hat nicht abſehen koͤnnen, wie ſich in

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/159>, abgerufen am 22.11.2024.