"los abgehen, sondern dem verdorbenen Geschmack "in der deutschen Poesie rühmlichen Einhalt thun "würde. Sobald ich wieder nach D. kam, be- "sprach ich mich darüber mit dem Hrn. von - -, "welcher von gleicher Meinung war. Der Vor- "zug, welchen sie hin und wieder dreyen von un- "sern besten Poeten, nemlich Opitzen, Cani- "zen, und Bessern gegeben, ist so gerecht, und "die Beurtheilung der lohensteinischen und wal- "dauischen gezwungenen Schreibart, und ihrer "Nachfolger, so billig, daß nicht nur ich, wie "alle rechtschaffene Kenner, hierinn vorlängst "mit ihnen einig, sondern dereinst gantz Deutsch- "land ihnen wird nachrühmen müssen, daß sie "einer von den ersten gewesen, welcher das "Hertz gehabt, sich offentlich wider den bisher "eingerissenen verdorbenen Geschmack zu erklä- "ren, und die Falschheit derjenigen aufgeblase- "nen Dichtart zu zeigen, welche von den unver- "ständigen insgemein die hohe genannt worden. "Jnzwischen dürffen sie sich nicht wundern, wenn "etliche mittelmässige Geister diese Wahrheit noch "nicht erkennen wollen. Es ist viel leichter aus- "schweifend, unnatürlich, schwülstig, und mit "einem Worte schulfüchsisch; als männlich, na- "türlich, sittsam, und nach dem Geschmacke "des Hofes, und der Weltklugen zu schreiben."
Erstlich schrieben die Zürichischen Kunstrichter den gestäupten Leipziger-Diogenes wider die mo- ralische Wochenschrift eines Unbekannten, die 1722. in Leipzig herausgekommen, und nach kur- zem wieder verschwunden; ein elendes Ding, das
Leute
[Crit. Samml. II. St.] K
der Critik bey den Deutſchen.
„los abgehen, ſondern dem verdorbenen Geſchmack „in der deutſchen Poeſie ruͤhmlichen Einhalt thun „wuͤrde. Sobald ich wieder nach D. kam, be- „ſprach ich mich daruͤber mit dem Hrn. von ‒ ‒, „welcher von gleicher Meinung war. Der Vor- „zug, welchen ſie hin und wieder dreyen von un- „ſern beſten Poeten, nemlich Opitzen, Cani- „zen, und Beſſern gegeben, iſt ſo gerecht, und „die Beurtheilung der lohenſteiniſchen und wal- „dauiſchen gezwungenen Schreibart, und ihrer „Nachfolger, ſo billig, daß nicht nur ich, wie „alle rechtſchaffene Kenner, hierinn vorlaͤngſt „mit ihnen einig, ſondern dereinſt gantz Deutſch- „land ihnen wird nachruͤhmen muͤſſen, daß ſie „einer von den erſten geweſen, welcher das „Hertz gehabt, ſich offentlich wider den bisher „eingeriſſenen verdorbenen Geſchmack zu erklaͤ- „ren, und die Falſchheit derjenigen aufgeblaſe- „nen Dichtart zu zeigen, welche von den unver- „ſtaͤndigen insgemein die hohe genannt worden. „Jnzwiſchen duͤrffen ſie ſich nicht wundern, wenn „etliche mittelmaͤſſige Geiſter dieſe Wahrheit noch „nicht erkennen wollen. Es iſt viel leichter aus- „ſchweifend, unnatuͤrlich, ſchwuͤlſtig, und mit „einem Worte ſchulfuͤchſiſch; als maͤnnlich, na- „tuͤrlich, ſittſam, und nach dem Geſchmacke „des Hofes, und der Weltklugen zu ſchreiben.„
Erſtlich ſchrieben die Zuͤrichiſchen Kunſtrichter den geſtaͤupten Leipziger-Diogenes wider die mo- raliſche Wochenſchrift eines Unbekannten, die 1722. in Leipzig herausgekommen, und nach kur- zem wieder verſchwunden; ein elendes Ding, das
Leute
[Crit. Sam̃l. II. St.] K
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der Critik bey den Deutſchen.
„los abgehen, ſondern dem verdorbenen Geſchmack
„in der deutſchen Poeſie ruͤhmlichen Einhalt thun
„wuͤrde. Sobald ich wieder nach D. kam, be-
„ſprach ich mich daruͤber mit dem Hrn. von ‒ ‒,
„welcher von gleicher Meinung war. Der Vor-
„zug, welchen ſie hin und wieder dreyen von un-
„ſern beſten Poeten, nemlich Opitzen, Cani-
„zen, und Beſſern gegeben, iſt ſo gerecht, und
„die Beurtheilung der lohenſteiniſchen und wal-
„dauiſchen gezwungenen Schreibart, und ihrer
„Nachfolger, ſo billig, daß nicht nur ich, wie
„alle rechtſchaffene Kenner, hierinn vorlaͤngſt
„mit ihnen einig, ſondern dereinſt gantz Deutſch-
„land ihnen wird nachruͤhmen muͤſſen, daß ſie
„einer von den erſten geweſen, welcher das
„Hertz gehabt, ſich offentlich wider den bisher
„eingeriſſenen verdorbenen Geſchmack zu erklaͤ-
„ren, und die Falſchheit derjenigen aufgeblaſe-
„nen Dichtart zu zeigen, welche von den unver-
„ſtaͤndigen insgemein die hohe genannt worden.
„Jnzwiſchen duͤrffen ſie ſich nicht wundern, wenn
„etliche mittelmaͤſſige Geiſter dieſe Wahrheit noch
„nicht erkennen wollen. Es iſt viel leichter aus-
„ſchweifend, unnatuͤrlich, ſchwuͤlſtig, und mit
„einem Worte ſchulfuͤchſiſch; als maͤnnlich, na-
„tuͤrlich, ſittſam, und nach dem Geſchmacke
„des Hofes, und der Weltklugen zu ſchreiben.„
Erſtlich ſchrieben die Zuͤrichiſchen Kunſtrichter
den geſtaͤupten Leipziger-Diogenes wider die mo-
raliſche Wochenſchrift eines Unbekannten, die
1722. in Leipzig herausgekommen, und nach kur-
zem wieder verſchwunden; ein elendes Ding, das
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/147>, abgerufen am 16.02.2025.
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