"Orten vor gutes gestiftet. Ein einziges hat "diesen geschickten Männern noch gefehlet, nem- "lich das Vermögen sich in einer reinen hochdeut- "schen Schreibart auszudrüken. Jhr Vater- "land hat sie gehindert, daß sie in Worten und "Redensarten die Richtigkeit nicht beobachten "können, die sie in ihren Gedancken und Ver- "nunftsschlüssen erwiesen. Dieses sollte aber "bey einem öffentlichen Beurtheiler der Scriben- "ten von Rechtswegen seyn. - - Es wäre "also nichts mehr zu wünschen, als daß sie ihre "Schrift noch einmahl übersehen, und mit Bey- "hülffe eines rechten Kenners der Zierlichkeit uns- "rer Muttersprache alle diejenigen Stellen, die "mehr nach der Schweitz, als nach Deutsch- "land schmecken, ausbessern mögten. Daß es "ihnen leicht sey, ihre eigene Fehler zu erkennen, "haben sie schon selbst gewiesen."
Jm Eingan- ge desselben vierzehnten Stückes hatte Herr Gott- sched ausdrücklich bekannt, daß die Deutschen noch wenige Criticos oder Beurtheiler von derglei- chen Sachen gehabt haben, und es diesem Man- gel zugeschrieben, daß dieselbigen es in den freyen Künsten, die mit zur Gelehrsamkeit gerech- net werden, noch nicht soweit gebracht haben, als die alten Griechen und Römer, und als die heutigen Franzosen.
"So lange unter den Ge- "lehrten niemand ist, sind seine Worte, der "das albere Wesen der meisten Bücherschreiber "öffentlich entdecket, ihre Fehler durchziehet, "und den übeln Geschmack des studierten Pöbels "verlacht; so lange sind alle Tintenkleker grosse
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der Critik bey den Deutſchen.
„Orten vor gutes geſtiftet. Ein einziges hat „dieſen geſchickten Maͤnnern noch gefehlet, nem- „lich das Vermoͤgen ſich in einer reinen hochdeut- „ſchen Schreibart auszudruͤken. Jhr Vater- „land hat ſie gehindert, daß ſie in Worten und „Redensarten die Richtigkeit nicht beobachten „koͤnnen, die ſie in ihren Gedancken und Ver- „nunftsſchluͤſſen erwieſen. Dieſes ſollte aber „bey einem oͤffentlichen Beurtheiler der Scriben- „ten von Rechtswegen ſeyn. ‒ ‒ Es waͤre „alſo nichts mehr zu wuͤnſchen, als daß ſie ihre „Schrift noch einmahl uͤberſehen, und mit Bey- „huͤlffe eines rechten Kenners der Zierlichkeit unſ- „rer Mutterſprache alle diejenigen Stellen, die „mehr nach der Schweitz, als nach Deutſch- „land ſchmecken, ausbeſſern moͤgten. Daß es „ihnen leicht ſey, ihre eigene Fehler zu erkennen, „haben ſie ſchon ſelbſt gewieſen.„
Jm Eingan- ge deſſelben vierzehnten Stuͤckes hatte Herr Gott- ſched ausdruͤcklich bekannt, daß die Deutſchen noch wenige Criticos oder Beurtheiler von derglei- chen Sachen gehabt haben, und es dieſem Man- gel zugeſchrieben, daß dieſelbigen es in den freyen Kuͤnſten, die mit zur Gelehrſamkeit gerech- net werden, noch nicht ſoweit gebracht haben, als die alten Griechen und Roͤmer, und als die heutigen Franzoſen.
„So lange unter den Ge- „lehrten niemand iſt, ſind ſeine Worte, der „das albere Weſen der meiſten Buͤcherſchreiber „oͤffentlich entdecket, ihre Fehler durchziehet, „und den uͤbeln Geſchmack des ſtudierten Poͤbels „verlacht; ſo lange ſind alle Tintenkleker groſſe
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der Critik bey den Deutſchen.
„Orten vor gutes geſtiftet. Ein einziges hat
„dieſen geſchickten Maͤnnern noch gefehlet, nem-
„lich das Vermoͤgen ſich in einer reinen hochdeut-
„ſchen Schreibart auszudruͤken. Jhr Vater-
„land hat ſie gehindert, daß ſie in Worten und
„Redensarten die Richtigkeit nicht beobachten
„koͤnnen, die ſie in ihren Gedancken und Ver-
„nunftsſchluͤſſen erwieſen. Dieſes ſollte aber
„bey einem oͤffentlichen Beurtheiler der Scriben-
„ten von Rechtswegen ſeyn. ‒ ‒ Es waͤre
„alſo nichts mehr zu wuͤnſchen, als daß ſie ihre
„Schrift noch einmahl uͤberſehen, und mit Bey-
„huͤlffe eines rechten Kenners der Zierlichkeit unſ-
„rer Mutterſprache alle diejenigen Stellen, die
„mehr nach der Schweitz, als nach Deutſch-
„land ſchmecken, ausbeſſern moͤgten. Daß es
„ihnen leicht ſey, ihre eigene Fehler zu erkennen,
„haben ſie ſchon ſelbſt gewieſen.„
Jm Eingan-
ge deſſelben vierzehnten Stuͤckes hatte Herr Gott-
ſched ausdruͤcklich bekannt, daß die Deutſchen
noch wenige Criticos oder Beurtheiler von derglei-
chen Sachen gehabt haben, und es dieſem Man-
gel zugeſchrieben, daß dieſelbigen es in den
freyen Kuͤnſten, die mit zur Gelehrſamkeit gerech-
net werden, noch nicht ſoweit gebracht haben,
als die alten Griechen und Roͤmer, und als die
heutigen Franzoſen.
„So lange unter den Ge-
„lehrten niemand iſt, ſind ſeine Worte, der
„das albere Weſen der meiſten Buͤcherſchreiber
„oͤffentlich entdecket, ihre Fehler durchziehet,
„und den uͤbeln Geſchmack des ſtudierten Poͤbels
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/135>, abgerufen am 22.07.2024.
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