Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachrichten von dem Ursprunge
war des Verfassers Person in seinem Leben be-
kannt genug, und konnte er sich, wie Horatius,
rühmen, daß er mit grossen Standspersonen Um-
gang gehabt habe. Von seiner Herkunft zwar
ist mir nichts mehrers bewußt, als daß er von
väterlicher Seite ein Sachse, von der mütterli-
chen ein Engelländer, und von Geburt ein Preus-
se war. Man hatte seine Jugend dem berühm-
ten Morhofen zur Aufsicht und Unterweisung an-
vertrauet. Hernach bracht er drey Jahre an einem
vornehmen Hofe zu, wo eine hohe Frauensperson
seinen muntern Kopf fleissig übete, indem sie ihm bald
diese, bald jene geistliche oder weltliche Begeben-
heit vorlegete, daß er sein Urtheil davon in einigen
kurtzen Zeilen abfassete. Nach diesem trat er ei-
ne Reise nach Franckreich und den damit benach-
barten Ländern und Königreichen an, bis er nach
Verfliessung etlicher Jahre Anlaß hatte, sich an
dem Englischen Hofe aufzuhalten, wo ihm aber
das Glück, das er schon bey der Hand erwischet zu
haben vermeint, fehlgeschlagen. Seine Hoffnung
desfalls war auf viele geleistete Dienste gegründet,
und der Compaß ward ihm ohne seine Schuld
durch einen unversehenen Zufall verrücket. Den-
noch hat Hunold hernach eben hiervon Anlaß ge-
nommen, die anzüglichsten Glossen über Werni-
kens Betragen in Engelland zu machen, so daß
er ihn treuloser Handlungen und sich selbst damit
zugezogener Straffe verdächtig gemachet. Das
in Londen mißlungne Glück machte, daß Wer-
nike wieder an den Ort zuruckkehrete, woselbst er
seine ersten Jahre mit vieler Zufriedenheit zuge-

bracht

Nachrichten von dem Urſprunge
war des Verfaſſers Perſon in ſeinem Leben be-
kannt genug, und konnte er ſich, wie Horatius,
ruͤhmen, daß er mit groſſen Standsperſonen Um-
gang gehabt habe. Von ſeiner Herkunft zwar
iſt mir nichts mehrers bewußt, als daß er von
vaͤterlicher Seite ein Sachſe, von der muͤtterli-
chen ein Engellaͤnder, und von Geburt ein Preuſ-
ſe war. Man hatte ſeine Jugend dem beruͤhm-
ten Morhofen zur Aufſicht und Unterweiſung an-
vertrauet. Hernach bracht er drey Jahre an einem
vornehmen Hofe zu, wo eine hohe Frauensperſon
ſeinen muntern Kopf fleiſſig uͤbete, indem ſie ihm bald
dieſe, bald jene geiſtliche oder weltliche Begeben-
heit vorlegete, daß er ſein Urtheil davon in einigen
kurtzen Zeilen abfaſſete. Nach dieſem trat er ei-
ne Reiſe nach Franckreich und den damit benach-
barten Laͤndern und Koͤnigreichen an, bis er nach
Verflieſſung etlicher Jahre Anlaß hatte, ſich an
dem Engliſchen Hofe aufzuhalten, wo ihm aber
das Gluͤck, das er ſchon bey der Hand erwiſchet zu
haben vermeint, fehlgeſchlagen. Seine Hoffnung
desfalls war auf viele geleiſtete Dienſte gegruͤndet,
und der Compaß ward ihm ohne ſeine Schuld
durch einen unverſehenen Zufall verruͤcket. Den-
noch hat Hunold hernach eben hiervon Anlaß ge-
nommen, die anzuͤglichſten Gloſſen uͤber Werni-
kens Betragen in Engelland zu machen, ſo daß
er ihn treuloſer Handlungen und ſich ſelbſt damit
zugezogener Straffe verdaͤchtig gemachet. Das
in Londen mißlungne Gluͤck machte, daß Wer-
nike wieder an den Ort zuruckkehrete, woſelbſt er
ſeine erſten Jahre mit vieler Zufriedenheit zuge-

bracht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0124" n="122"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nachrichten von dem Ur&#x017F;prunge</hi></fw><lb/>
war des Verfa&#x017F;&#x017F;ers Per&#x017F;on in &#x017F;einem Leben be-<lb/>
kannt genug, und konnte er &#x017F;ich, wie Horatius,<lb/>
ru&#x0364;hmen, daß er mit gro&#x017F;&#x017F;en Standsper&#x017F;onen Um-<lb/>
gang gehabt habe. Von &#x017F;einer Herkunft zwar<lb/>
i&#x017F;t mir nichts mehrers bewußt, als daß er von<lb/>
va&#x0364;terlicher Seite ein Sach&#x017F;e, von der mu&#x0364;tterli-<lb/>
chen ein Engella&#x0364;nder, und von Geburt ein Preu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e war. Man hatte &#x017F;eine Jugend dem beru&#x0364;hm-<lb/>
ten Morhofen zur Auf&#x017F;icht und Unterwei&#x017F;ung an-<lb/>
vertrauet. Hernach bracht er drey Jahre an einem<lb/>
vornehmen Hofe zu, wo eine hohe Frauensper&#x017F;on<lb/>
&#x017F;einen muntern Kopf flei&#x017F;&#x017F;ig u&#x0364;bete, indem &#x017F;ie ihm bald<lb/>
die&#x017F;e, bald jene gei&#x017F;tliche oder weltliche Begeben-<lb/>
heit vorlegete, daß er &#x017F;ein Urtheil davon in einigen<lb/>
kurtzen Zeilen abfa&#x017F;&#x017F;ete. Nach die&#x017F;em trat er ei-<lb/>
ne Rei&#x017F;e nach Franckreich und den damit benach-<lb/>
barten La&#x0364;ndern und Ko&#x0364;nigreichen an, bis er nach<lb/>
Verflie&#x017F;&#x017F;ung etlicher Jahre Anlaß hatte, &#x017F;ich an<lb/>
dem Engli&#x017F;chen Hofe aufzuhalten, wo ihm aber<lb/>
das Glu&#x0364;ck, das er &#x017F;chon bey der Hand erwi&#x017F;chet zu<lb/>
haben vermeint, fehlge&#x017F;chlagen. Seine Hoffnung<lb/>
desfalls war auf viele gelei&#x017F;tete Dien&#x017F;te gegru&#x0364;ndet,<lb/>
und der Compaß ward ihm ohne &#x017F;eine Schuld<lb/>
durch einen unver&#x017F;ehenen Zufall verru&#x0364;cket. Den-<lb/>
noch hat Hunold hernach eben hiervon Anlaß ge-<lb/>
nommen, die anzu&#x0364;glich&#x017F;ten Glo&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;ber Werni-<lb/>
kens Betragen in Engelland zu machen, &#x017F;o daß<lb/>
er ihn treulo&#x017F;er Handlungen und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t damit<lb/>
zugezogener Straffe verda&#x0364;chtig gemachet. Das<lb/>
in Londen mißlungne Glu&#x0364;ck machte, daß Wer-<lb/>
nike wieder an den Ort zuruckkehrete, wo&#x017F;elb&#x017F;t er<lb/>
&#x017F;eine er&#x017F;ten Jahre mit vieler Zufriedenheit zuge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bracht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0124] Nachrichten von dem Urſprunge war des Verfaſſers Perſon in ſeinem Leben be- kannt genug, und konnte er ſich, wie Horatius, ruͤhmen, daß er mit groſſen Standsperſonen Um- gang gehabt habe. Von ſeiner Herkunft zwar iſt mir nichts mehrers bewußt, als daß er von vaͤterlicher Seite ein Sachſe, von der muͤtterli- chen ein Engellaͤnder, und von Geburt ein Preuſ- ſe war. Man hatte ſeine Jugend dem beruͤhm- ten Morhofen zur Aufſicht und Unterweiſung an- vertrauet. Hernach bracht er drey Jahre an einem vornehmen Hofe zu, wo eine hohe Frauensperſon ſeinen muntern Kopf fleiſſig uͤbete, indem ſie ihm bald dieſe, bald jene geiſtliche oder weltliche Begeben- heit vorlegete, daß er ſein Urtheil davon in einigen kurtzen Zeilen abfaſſete. Nach dieſem trat er ei- ne Reiſe nach Franckreich und den damit benach- barten Laͤndern und Koͤnigreichen an, bis er nach Verflieſſung etlicher Jahre Anlaß hatte, ſich an dem Engliſchen Hofe aufzuhalten, wo ihm aber das Gluͤck, das er ſchon bey der Hand erwiſchet zu haben vermeint, fehlgeſchlagen. Seine Hoffnung desfalls war auf viele geleiſtete Dienſte gegruͤndet, und der Compaß ward ihm ohne ſeine Schuld durch einen unverſehenen Zufall verruͤcket. Den- noch hat Hunold hernach eben hiervon Anlaß ge- nommen, die anzuͤglichſten Gloſſen uͤber Werni- kens Betragen in Engelland zu machen, ſo daß er ihn treuloſer Handlungen und ſich ſelbſt damit zugezogener Straffe verdaͤchtig gemachet. Das in Londen mißlungne Gluͤck machte, daß Wer- nike wieder an den Ort zuruckkehrete, woſelbſt er ſeine erſten Jahre mit vieler Zufriedenheit zuge- bracht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/124
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/124>, abgerufen am 24.11.2024.