[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.
Die bey Posteln im Schwang mit H 2
Die bey Poſteln im Schwang mit H 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <cit> <quote><pb facs="#f0117" n="115"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Critik bey den Deutſchen.</hi></fw><lb/> „denen Affecten ausgedruͤckt ſind, ruͤhret mich<lb/> „oͤfters auf das empfindlichſte. Der Reichthum<lb/> „und die Staͤrcke in der Sprache bewundere ich.<lb/> „Die haͤufig einflieſſenden erbaulichen Sittenleh-<lb/> „ren dienen mir zu ſo viel Wegweiſern durch die<lb/> „Welt. Kurtz ich bin verſichert, daß wenn<lb/> „dieß Werck voͤllig waͤre ausgearbeitet worden,<lb/> „Deutſchland weit groͤſſern Ruhm davon gehabt<lb/> „haͤtte, als Jtalien von ſeinem Taſſo und Ma-<lb/> „rino zugleich.„</quote> </cit> <p>Die bey Poſteln im Schwang<lb/> gehende, nichtsbedeutende Worte, dieſe <hi rendition="#aq">inornata &<lb/> dominantia nomina tantum,</hi> bekleideten, wie<lb/> Wernike Bl. 184. ſagt, ſo artig ihren Platz, und<lb/> waren von ſo geſchickten Leuten eingefuͤhrt worden,<lb/> daß ſie faſt durchgehends angenommen worden.<lb/><hi rendition="#aq">Nam decipit Exemplar vitiis imitabile.</hi> Po-<lb/> ſtel dachte darum bald mit Werniken fertig zu<lb/> werden, und mit einmahl Lohenſtein und ſich ſel-<lb/> ber zu ſchuͤtzen: Er ſchrieb ein kurzes Sonnet, in<lb/> welchem er Lohenſtein einem Leuen, Werniken aber<lb/> einem Haſen vergleicht, der auf dem todten Leuen<lb/> herumſpringet. Dieſer antwortete ihm mit dem<lb/> comiſchen Heldengedichte Hans Sachs, worin-<lb/> nen er Poſteln von Hans Sachſen zu ſeinem Reichs-<lb/> nachfolger einſegnen laͤßt. Poſtel ſchaͤmte ſich und<lb/> ſchwieg ſtille. Oder wie einige Berichte lauten uͤber-<lb/> gab er die Feder Menantes d. i. Georg Siegmund<lb/> Hunolden, der damahls als ein irrender, verlieb-<lb/> ter armer Ritter zu Hamburg war, wo er ſich<lb/> anfangs bey einem Advocaten mit ſchreiben ge-<lb/> nehrt, nachgehends aber ſelber Rechtsſachen zu<lb/> verwalten uͤbernommen, daneben auch anfieng<lb/> <fw place="bottom" type="sig">H 2</fw><fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0117]
der Critik bey den Deutſchen.
„denen Affecten ausgedruͤckt ſind, ruͤhret mich
„oͤfters auf das empfindlichſte. Der Reichthum
„und die Staͤrcke in der Sprache bewundere ich.
„Die haͤufig einflieſſenden erbaulichen Sittenleh-
„ren dienen mir zu ſo viel Wegweiſern durch die
„Welt. Kurtz ich bin verſichert, daß wenn
„dieß Werck voͤllig waͤre ausgearbeitet worden,
„Deutſchland weit groͤſſern Ruhm davon gehabt
„haͤtte, als Jtalien von ſeinem Taſſo und Ma-
„rino zugleich.„ Die bey Poſteln im Schwang
gehende, nichtsbedeutende Worte, dieſe inornata &
dominantia nomina tantum, bekleideten, wie
Wernike Bl. 184. ſagt, ſo artig ihren Platz, und
waren von ſo geſchickten Leuten eingefuͤhrt worden,
daß ſie faſt durchgehends angenommen worden.
Nam decipit Exemplar vitiis imitabile. Po-
ſtel dachte darum bald mit Werniken fertig zu
werden, und mit einmahl Lohenſtein und ſich ſel-
ber zu ſchuͤtzen: Er ſchrieb ein kurzes Sonnet, in
welchem er Lohenſtein einem Leuen, Werniken aber
einem Haſen vergleicht, der auf dem todten Leuen
herumſpringet. Dieſer antwortete ihm mit dem
comiſchen Heldengedichte Hans Sachs, worin-
nen er Poſteln von Hans Sachſen zu ſeinem Reichs-
nachfolger einſegnen laͤßt. Poſtel ſchaͤmte ſich und
ſchwieg ſtille. Oder wie einige Berichte lauten uͤber-
gab er die Feder Menantes d. i. Georg Siegmund
Hunolden, der damahls als ein irrender, verlieb-
ter armer Ritter zu Hamburg war, wo er ſich
anfangs bey einem Advocaten mit ſchreiben ge-
nehrt, nachgehends aber ſelber Rechtsſachen zu
verwalten uͤbernommen, daneben auch anfieng
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