so paßte dieses so wohl auf Postel, als auf Hoff- mannswaldau, und wenn Postel es nicht selbst wahrnahm, so sagten es ihm andere. Seine Ue- bersetzung eines der anmuthigsten Stüke aus der Jlias war schon im Druke und mit einem grossen Krame von Gelehrsamkeit, wie er auch mit seinen Singspielen pflegete, begleitet worden, in wel- chem man mehr Gedächtniß und Fleiß im Zusam- mentragen, als Verstand im Anbringen fand. Er hatte auch schon 1698. angefangen, die ersten Bücher von seinem Wittekind zu schreiben; dieses Gedichte hatte alle die Fehler, die Hr. Wernike angegriffen. Die Singspiele hatten einen grossen Zulauf bekommen, welchen ihr Urheber nicht er- mangelte ihrem eigenen Werthe zuzuschreiben, das aber, wenn wir Werniken glauben, mehr den Sängern und Sängerinnen zu danken war; man gieng in die Oper, wie viel Leute die Kirche besu- chen, nicht um der Predigt, sondern um des Ge- sanges Willen. Postel müßte sehr gelernig gewe- sen seyn, und sich selber gewußt haben zu verleug- nen, wenn er Hoffmannswaldaus, Lohensteins und seine eigene Vernichtung ohne Empfindung gesehen hätte. Es fehlte ihm nicht an Verehrern, die in seinem Geschmacke waren, die von seinen Gedichten urtheilten, wie Hr. Weichmann noch vor wenig Jahren (1724.) von seinem Wittekind mit diesen Worten gethan hat:
"Er hat den "Geschmack der Alten und Neuern zu verbinden ge- "wußt: Jch erstaune über die vielfältige und "wohl darinn angebrachte Wissenschaft. Die Leb- "hastigkeit und das Feuer, womit die verschie-
"denen
Nachrichten von dem Urſprunge
ſo paßte dieſes ſo wohl auf Poſtel, als auf Hoff- mannswaldau, und wenn Poſtel es nicht ſelbſt wahrnahm, ſo ſagten es ihm andere. Seine Ue- berſetzung eines der anmuthigſten Stuͤke aus der Jlias war ſchon im Druke und mit einem groſſen Krame von Gelehrſamkeit, wie er auch mit ſeinen Singſpielen pflegete, begleitet worden, in wel- chem man mehr Gedaͤchtniß und Fleiß im Zuſam- mentragen, als Verſtand im Anbringen fand. Er hatte auch ſchon 1698. angefangen, die erſten Buͤcher von ſeinem Wittekind zu ſchreiben; dieſes Gedichte hatte alle die Fehler, die Hr. Wernike angegriffen. Die Singſpiele hatten einen groſſen Zulauf bekommen, welchen ihr Urheber nicht er- mangelte ihrem eigenen Werthe zuzuſchreiben, das aber, wenn wir Werniken glauben, mehr den Saͤngern und Saͤngerinnen zu danken war; man gieng in die Oper, wie viel Leute die Kirche beſu- chen, nicht um der Predigt, ſondern um des Ge- ſanges Willen. Poſtel muͤßte ſehr gelernig gewe- ſen ſeyn, und ſich ſelber gewußt haben zu verleug- nen, wenn er Hoffmannswaldaus, Lohenſteins und ſeine eigene Vernichtung ohne Empfindung geſehen haͤtte. Es fehlte ihm nicht an Verehrern, die in ſeinem Geſchmacke waren, die von ſeinen Gedichten urtheilten, wie Hr. Weichmann noch vor wenig Jahren (1724.) von ſeinem Wittekind mit dieſen Worten gethan hat:
„Er hat den „Geſchmack der Alten und Neuern zu verbinden ge- „wußt: Jch erſtaune uͤber die vielfaͤltige und „wohl darinn angebrachte Wiſſenſchaft. Die Leb- „haſtigkeit und das Feuer, womit die verſchie-
„denen
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Nachrichten von dem Urſprunge
ſo paßte dieſes ſo wohl auf Poſtel, als auf Hoff-
mannswaldau, und wenn Poſtel es nicht ſelbſt
wahrnahm, ſo ſagten es ihm andere. Seine Ue-
berſetzung eines der anmuthigſten Stuͤke aus der
Jlias war ſchon im Druke und mit einem groſſen
Krame von Gelehrſamkeit, wie er auch mit ſeinen
Singſpielen pflegete, begleitet worden, in wel-
chem man mehr Gedaͤchtniß und Fleiß im Zuſam-
mentragen, als Verſtand im Anbringen fand.
Er hatte auch ſchon 1698. angefangen, die erſten
Buͤcher von ſeinem Wittekind zu ſchreiben; dieſes
Gedichte hatte alle die Fehler, die Hr. Wernike
angegriffen. Die Singſpiele hatten einen groſſen
Zulauf bekommen, welchen ihr Urheber nicht er-
mangelte ihrem eigenen Werthe zuzuſchreiben, das
aber, wenn wir Werniken glauben, mehr den
Saͤngern und Saͤngerinnen zu danken war; man
gieng in die Oper, wie viel Leute die Kirche beſu-
chen, nicht um der Predigt, ſondern um des Ge-
ſanges Willen. Poſtel muͤßte ſehr gelernig gewe-
ſen ſeyn, und ſich ſelber gewußt haben zu verleug-
nen, wenn er Hoffmannswaldaus, Lohenſteins
und ſeine eigene Vernichtung ohne Empfindung
geſehen haͤtte. Es fehlte ihm nicht an Verehrern,
die in ſeinem Geſchmacke waren, die von ſeinen
Gedichten urtheilten, wie Hr. Weichmann noch
vor wenig Jahren (1724.) von ſeinem Wittekind
mit dieſen Worten gethan hat:
„Er hat den
„Geſchmack der Alten und Neuern zu verbinden ge-
„wußt: Jch erſtaune uͤber die vielfaͤltige und
„wohl darinn angebrachte Wiſſenſchaft. Die Leb-
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/116>, abgerufen am 22.07.2024.
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