[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.Nachrichten von dem Ursprunge Greisen den Gegensatz gemacht: Die Kindheit neh-me bey dem ersten durch die Jahre ab, bey dem andern zu; straft sich aber wegen dieses Einfalles selber mit diesen Worten: "Zu der Zeit da ich Jn lassen
Nachrichten von dem Urſprunge Greiſen den Gegenſatz gemacht: Die Kindheit neh-me bey dem erſten durch die Jahre ab, bey dem andern zu; ſtraft ſich aber wegen dieſes Einfalles ſelber mit dieſen Worten: „Zu der Zeit da ich Jn laſſen
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Nachrichten von dem Urſprunge
Greiſen den Gegenſatz gemacht: Die Kindheit neh-
me bey dem erſten durch die Jahre ab, bey dem
andern zu; ſtraft ſich aber wegen dieſes Einfalles
ſelber mit dieſen Worten:
„Zu der Zeit da ich
„dieſe Ueberſchrift aufſetzte, dacht ich Wunder,
„was ich vor einen herrlichen Fund gethan, an-
„izo aber erkenne ich nur gar zu wohl den alber-
„nen Witz derſelben. Jch war damahls in ei-
„nen Emanuel Theſaurus, Juglaris, und Ma-
„ſenius verliebt, anizo kan ich kaum einen Se-
„neca und Plinius mit Vergnuͤgen leſen.„ Jn
einer andern Ueberſchrift hatte er die Mutter zu
Rom, die ihren todtgeglaubten Sohn geſund und
munter heimkommen ſehen, zweymahl ſterbend,
und den Sohn als den Nachlaß beyder Leichen
eingefuͤhrt; eine jede Reihe, ein jedes Wort, zeig-
ten durch eine gezwungene Sinnlichkeit, wie er
ſelber bekennt, nur gar zuviel die Jahre an, da-
rinnen ſie geſchrieben waren. Nun haͤtte er dieſe
von ihm ſelbſt verworffene Ueberſchrift wohl unter-
druͤcken koͤnnen, allein er wollte ſie lieber mitthei-
len, den Leſer damit zu ſeiner Unterrichtung zu be-
luſtigen, und demſelben zugleich anzuzeigen, wie
wenig man den Leuten gefalle, wenn man denſel-
ben gar zu viel zu gefallen ſucht. Sehet auch
Bl. 128. und 203. Man erkennet wohl, daß er
zuerſt nachgedacht, eh er die Feder ergriffen, und
daß er Zeit uud Muͤhe an die Ausfuͤhrung ſeiner
Gedancken gewendet hat. Eben dieſes hat er ſei-
nen Landesleuten empfohlen, von denen er ſagt,
ſie haben Witz genug, aber ſie laſſen ſich nicht
Zeit genug, etwas dauerhaftes zu ſchreiben; ſie
laſſen
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