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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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Nachrichten von dem Ursprunge
Auf der man zur Vernunft beschämt zurucke kehrt,
Und endlich nach und nach nur den Parnaß erreicht,
So ist es aus mit mir.

Jn eben derselben Satyre schmälet er auf die
schwärmende Vernunft

Der von der Hungersucht bethörten Dichterzunft,
Die sich durch falsche Kunst auf den Parnaß geschlichen,
Von der gesezten Bahn der Alten abgewichen,
- - - - - - - - -
Der Griechen Zärtlichkeit das Todesurtheil fället,
Des Maro klugen Wiz in Kinderclassen weist,
Horazens Dichterbuch verrauchte Grillen heißt. etc.

Nichtsdestoweniger, wenn wir seine letztern Wer-
ke nach diesen griechischen und lateinischen Mustern
beurtheilen, müssen wir schliessen, daß er die
Kunst derselben nicht in ihrer vollen Kraft eingese-
hen habe, oder daß der Wille bey ihm besser ge-
wesen sey, als das Vermögen, massen wir da-
rinnen zwar nicht mehr dergleichen falsche Pracht,
aber hingegen sehr viel gemeines, plattes, nie-
derträchtiges, und verworrenes Zeug so wohl in
den Gedanken, und Bildern, als dem Ausdruck
wahrnehmen, das einen unbefestigten Geschmack
anzeiget. Jch finde zum Exempel in eben dieser
Satyre auf die unverständigen Poeten folgende
theils pöbelhafte theils ungeschickte Redensarten:
Jn Schulstaub springen; mit Ebräerwitz gespickt:
einen ins Re Mi Fa Sol La der Hübneristen ja-
gen; notenmässig seyn; ein Jammerlied im Tan-
ze drechseln; das Dichtersaltz jückt in den Adern;
zum Flötenritter schlagen; den Trieb der Redlich-

keit
Nachrichten von dem Urſprunge
Auf der man zur Vernunft beſchaͤmt zurucke kehrt,
Und endlich nach und nach nur den Parnaß erreicht,
So iſt es aus mit mir.

Jn eben derſelben Satyre ſchmaͤlet er auf die
ſchwaͤrmende Vernunft

Der von der Hungerſucht bethoͤrten Dichterzunft,
Die ſich durch falſche Kunſt auf den Parnaß geſchlichen,
Von der geſezten Bahn der Alten abgewichen,
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Der Griechen Zaͤrtlichkeit das Todesurtheil faͤllet,
Des Maro klugen Wiz in Kinderclaſſen weiſt,
Horazens Dichterbuch verrauchte Grillen heißt. ꝛc.

Nichtsdeſtoweniger, wenn wir ſeine letztern Wer-
ke nach dieſen griechiſchen und lateiniſchen Muſtern
beurtheilen, muͤſſen wir ſchlieſſen, daß er die
Kunſt derſelben nicht in ihrer vollen Kraft eingeſe-
hen habe, oder daß der Wille bey ihm beſſer ge-
weſen ſey, als das Vermoͤgen, maſſen wir da-
rinnen zwar nicht mehr dergleichen falſche Pracht,
aber hingegen ſehr viel gemeines, plattes, nie-
dertraͤchtiges, und verworrenes Zeug ſo wohl in
den Gedanken, und Bildern, als dem Ausdruck
wahrnehmen, das einen unbefeſtigten Geſchmack
anzeiget. Jch finde zum Exempel in eben dieſer
Satyre auf die unverſtaͤndigen Poeten folgende
theils poͤbelhafte theils ungeſchickte Redensarten:
Jn Schulſtaub ſpringen; mit Ebraͤerwitz geſpickt:
einen ins Re Mi Fa Sol La der Huͤbneriſten ja-
gen; notenmaͤſſig ſeyn; ein Jammerlied im Tan-
ze drechſeln; das Dichterſaltz juͤckt in den Adern;
zum Floͤtenritter ſchlagen; den Trieb der Redlich-

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[102/0104] Nachrichten von dem Urſprunge Auf der man zur Vernunft beſchaͤmt zurucke kehrt, Und endlich nach und nach nur den Parnaß erreicht, So iſt es aus mit mir. Jn eben derſelben Satyre ſchmaͤlet er auf die ſchwaͤrmende Vernunft Der von der Hungerſucht bethoͤrten Dichterzunft, Die ſich durch falſche Kunſt auf den Parnaß geſchlichen, Von der geſezten Bahn der Alten abgewichen, ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Der Griechen Zaͤrtlichkeit das Todesurtheil faͤllet, Des Maro klugen Wiz in Kinderclaſſen weiſt, Horazens Dichterbuch verrauchte Grillen heißt. ꝛc. Nichtsdeſtoweniger, wenn wir ſeine letztern Wer- ke nach dieſen griechiſchen und lateiniſchen Muſtern beurtheilen, muͤſſen wir ſchlieſſen, daß er die Kunſt derſelben nicht in ihrer vollen Kraft eingeſe- hen habe, oder daß der Wille bey ihm beſſer ge- weſen ſey, als das Vermoͤgen, maſſen wir da- rinnen zwar nicht mehr dergleichen falſche Pracht, aber hingegen ſehr viel gemeines, plattes, nie- dertraͤchtiges, und verworrenes Zeug ſo wohl in den Gedanken, und Bildern, als dem Ausdruck wahrnehmen, das einen unbefeſtigten Geſchmack anzeiget. Jch finde zum Exempel in eben dieſer Satyre auf die unverſtaͤndigen Poeten folgende theils poͤbelhafte theils ungeſchickte Redensarten: Jn Schulſtaub ſpringen; mit Ebraͤerwitz geſpickt: einen ins Re Mi Fa Sol La der Huͤbneriſten ja- gen; notenmaͤſſig ſeyn; ein Jammerlied im Tan- ze drechſeln; das Dichterſaltz juͤckt in den Adern; zum Floͤtenritter ſchlagen; den Trieb der Redlich- keit

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/104>, abgerufen am 24.11.2024.