Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite
Johann Miltons

Er sagte so, und zur Bestätigung seiner
Worte flogen Millionen flammender Schwerd-
ter empor, welche die mächtigen Cherubim von
den Seiten zücketen; der plötzliche Schimmer
erleuchtete die Hölle weit in die Runde; sie
raseten häftig wider den Höchsten, und schlugen
ihre Waffen mit einem wilden Krieges-Ge-
thöne auf die klingenden Schilde, indem sie
Hohn und Trutz nach dem Gewölbe des Him-
mels hinaufsandten.

Nicht weit von da stuhnd ein Berg, dessen
gräßlicher Gipfel Feuer und wallenden Rauch
ausspukete; die übrigen Theile gläntzeten mit
einer funckelnden Rinde; ein ungezweifeltes Zei-
chen, daß er in seinem Schoosse hartes mine-
ralisches Erzt führete; das Werck des Schwe-
fels. Daselbsthin eilete eine zahlreiche Bande
mit einer geflügelten Eilfertigkeit. Wie wenn
Truppen Minierer mit Schaufeln und Spa-
then bewaffnet von einem königlichen Heer-
zeuge aufbrechen, ein Lager abzustechen, oder
eine Schantze aufzuwerffen. Mammon führete
sie an, Mammon, der niederträchtigste Geist,

der
Mammon, welcher im Himmel selbst die Blicke nur nie-
derwärts geneigt) Nemlich die wenige Tage über, wel-
che die satanischen Rebellen in und nach ihrem Fall noch
in dem Himmel gelitten worden. Der Schritt zur Sünde
und zum Abfall ist in dem Himmel geschehen; man kan
nicht einmahl begreiffen, daß er an einem andern Orte
hätte geschehen können, weil man sonst die Engel, die
gefallen sind, vor ihrem Fall aus dem Himmel verstossen
müßte. Die Glückseligkeit und die Aufrichtigkeit der En-
gel
Johann Miltons

Er ſagte ſo, und zur Beſtaͤtigung ſeiner
Worte flogen Millionen flammender Schwerd-
ter empor, welche die maͤchtigen Cherubim von
den Seiten zuͤcketen; der ploͤtzliche Schimmer
erleuchtete die Hoͤlle weit in die Runde; ſie
raſeten haͤftig wider den Hoͤchſten, und ſchlugen
ihre Waffen mit einem wilden Krieges-Ge-
thoͤne auf die klingenden Schilde, indem ſie
Hohn und Trutz nach dem Gewoͤlbe des Him-
mels hinaufſandten.

Nicht weit von da ſtuhnd ein Berg, deſſen
graͤßlicher Gipfel Feuer und wallenden Rauch
ausſpukete; die uͤbrigen Theile glaͤntzeten mit
einer funckelnden Rinde; ein ungezweifeltes Zei-
chen, daß er in ſeinem Schooſſe hartes mine-
raliſches Erzt fuͤhrete; das Werck des Schwe-
fels. Daſelbſthin eilete eine zahlreiche Bande
mit einer gefluͤgelten Eilfertigkeit. Wie wenn
Truppen Minierer mit Schaufeln und Spa-
then bewaffnet von einem koͤniglichen Heer-
zeuge aufbrechen, ein Lager abzuſtechen, oder
eine Schantze aufzuwerffen. Mammon fuͤhrete
ſie an, Mammon, der niedertraͤchtigſte Geiſt,

der
Mammon, welcher im Himmel ſelbſt die Blicke nur nie-
derwaͤrts geneigt) Nemlich die wenige Tage uͤber, wel-
che die ſataniſchen Rebellen in und nach ihrem Fall noch
in dem Himmel gelitten worden. Der Schritt zur Suͤnde
und zum Abfall iſt in dem Himmel geſchehen; man kan
nicht einmahl begreiffen, daß er an einem andern Orte
haͤtte geſchehen koͤnnen, weil man ſonſt die Engel, die
gefallen ſind, vor ihrem Fall aus dem Himmel verſtoſſen
muͤßte. Die Gluͤckſeligkeit und die Aufrichtigkeit der En-
gel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0058" n="42"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Johann Miltons</hi> </fw><lb/>
          <p>Er &#x017F;agte &#x017F;o, und zur Be&#x017F;ta&#x0364;tigung &#x017F;einer<lb/>
Worte flogen Millionen flammender Schwerd-<lb/>
ter empor, welche die ma&#x0364;chtigen Cherubim von<lb/>
den Seiten zu&#x0364;cketen; der plo&#x0364;tzliche Schimmer<lb/>
erleuchtete die Ho&#x0364;lle weit in die Runde; &#x017F;ie<lb/>
ra&#x017F;eten ha&#x0364;ftig wider den Ho&#x0364;ch&#x017F;ten, und &#x017F;chlugen<lb/>
ihre Waffen mit einem wilden Krieges-Ge-<lb/>
tho&#x0364;ne auf die klingenden Schilde, indem &#x017F;ie<lb/>
Hohn und Trutz nach dem Gewo&#x0364;lbe des Him-<lb/>
mels hinauf&#x017F;andten.</p><lb/>
          <p>Nicht weit von da &#x017F;tuhnd ein Berg, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gra&#x0364;ßlicher Gipfel Feuer und wallenden Rauch<lb/>
aus&#x017F;pukete; die u&#x0364;brigen Theile gla&#x0364;ntzeten mit<lb/>
einer funckelnden Rinde; ein ungezweifeltes Zei-<lb/>
chen, daß er in &#x017F;einem Schoo&#x017F;&#x017F;e hartes mine-<lb/>
rali&#x017F;ches Erzt fu&#x0364;hrete; das Werck des Schwe-<lb/>
fels. Da&#x017F;elb&#x017F;thin eilete eine zahlreiche Bande<lb/>
mit einer geflu&#x0364;gelten Eilfertigkeit. Wie wenn<lb/>
Truppen Minierer mit Schaufeln und Spa-<lb/>
then bewaffnet von einem ko&#x0364;niglichen Heer-<lb/>
zeuge aufbrechen, ein Lager abzu&#x017F;techen, oder<lb/>
eine Schantze aufzuwerffen. Mammon fu&#x0364;hrete<lb/>
&#x017F;ie an, Mammon, der niedertra&#x0364;chtig&#x017F;te Gei&#x017F;t,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_9_1" place="foot" next="#seg2pn_9_2">Mammon, welcher im Himmel &#x017F;elb&#x017F;t die Blicke nur nie-<lb/>
derwa&#x0364;rts geneigt) Nemlich die wenige Tage u&#x0364;ber, wel-<lb/>
che die &#x017F;atani&#x017F;chen Rebellen in und nach ihrem Fall noch<lb/>
in dem Himmel gelitten worden. Der Schritt zur Su&#x0364;nde<lb/>
und zum Abfall i&#x017F;t in dem Himmel ge&#x017F;chehen; man kan<lb/>
nicht einmahl begreiffen, daß er an einem andern Orte<lb/>
ha&#x0364;tte ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nnen, weil man &#x017F;on&#x017F;t die Engel, die<lb/>
gefallen &#x017F;ind, vor ihrem Fall aus dem Himmel ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en<lb/>
mu&#x0364;ßte. Die Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit und die Aufrichtigkeit der En-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gel</fw></note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0058] Johann Miltons Er ſagte ſo, und zur Beſtaͤtigung ſeiner Worte flogen Millionen flammender Schwerd- ter empor, welche die maͤchtigen Cherubim von den Seiten zuͤcketen; der ploͤtzliche Schimmer erleuchtete die Hoͤlle weit in die Runde; ſie raſeten haͤftig wider den Hoͤchſten, und ſchlugen ihre Waffen mit einem wilden Krieges-Ge- thoͤne auf die klingenden Schilde, indem ſie Hohn und Trutz nach dem Gewoͤlbe des Him- mels hinaufſandten. Nicht weit von da ſtuhnd ein Berg, deſſen graͤßlicher Gipfel Feuer und wallenden Rauch ausſpukete; die uͤbrigen Theile glaͤntzeten mit einer funckelnden Rinde; ein ungezweifeltes Zei- chen, daß er in ſeinem Schooſſe hartes mine- raliſches Erzt fuͤhrete; das Werck des Schwe- fels. Daſelbſthin eilete eine zahlreiche Bande mit einer gefluͤgelten Eilfertigkeit. Wie wenn Truppen Minierer mit Schaufeln und Spa- then bewaffnet von einem koͤniglichen Heer- zeuge aufbrechen, ein Lager abzuſtechen, oder eine Schantze aufzuwerffen. Mammon fuͤhrete ſie an, Mammon, der niedertraͤchtigſte Geiſt, der Mammon, welcher im Himmel ſelbſt die Blicke nur nie- derwaͤrts geneigt) Nemlich die wenige Tage uͤber, wel- che die ſataniſchen Rebellen in und nach ihrem Fall noch in dem Himmel gelitten worden. Der Schritt zur Suͤnde und zum Abfall iſt in dem Himmel geſchehen; man kan nicht einmahl begreiffen, daß er an einem andern Orte haͤtte geſchehen koͤnnen, weil man ſonſt die Engel, die gefallen ſind, vor ihrem Fall aus dem Himmel verſtoſſen muͤßte. Die Gluͤckſeligkeit und die Aufrichtigkeit der En- gel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/58
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/58>, abgerufen am 22.11.2024.