Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Verl. Paradies. I. B.
in dem Himmel ohne einen Nebenbuhler be-
sitzet.

Also sprach der abtrünnige Engel und rühm-
te mit Worten, obgleich mitten in der Pein,
grosse Stücke von sich, aber inwendig ward er
von einer tiefen Verzweifelung gepfetzet. Sein
frecher Geselle antwortete ihm dergestalt.

O Fürst, o Haupt mancher gethronten Macht
von Geistern, du, der die Schlachthaufen der
Seraphim angeführt, und in erschrecklichen Be-
gegnissen unerschrocken den beständigen König
des Himmels in Gefahr gesetzet, und seine
hohe Oberherrlichkeit auf die Probe geleget
hat, ob die Stärcke, oder der Zufall, oder
das Verhängniß etwas wider sie vermögten.
Doch ich sehe und empfinde nur zuwohl den
grausamen Ausgang dieses Unternehmens, wel-
ches uns in einer traurigen Niederlage, und
schändlichen Flucht des Himmels verlustig ge-
machet, und dieses grosse mächtige Heer in
einer gräßlichen Zerrüttung so tief zu Boden
geschlagen hat, als es möglich ist, daß himm-
lische Wesen und Götter zu Grund gehen.
Denn das Gemüthe und der Geist bleiben un-
überwindlich, und die Munterkeit erholet sich
in kurtzem wieder, ob unsre Herrlichkeit gleich
gäntzlich erloschen ist, und unser vormahls glück-
selige Stand hier unter einem unendlichen E-
lende versencket liegt. Aber wie haben wir es
dann, wenn unser Obsieger, den ich jezo ge-
zwungen vor allmächtig erkennen muß, weil

kein
Den ich jezo gezwungen vor allmächtig erkennen muß)
Beel-
A 5

Verl. Paradies. I. B.
in dem Himmel ohne einen Nebenbuhler be-
ſitzet.

Alſo ſprach der abtruͤnnige Engel und ruͤhm-
te mit Worten, obgleich mitten in der Pein,
groſſe Stuͤcke von ſich, aber inwendig ward er
von einer tiefen Verzweifelung gepfetzet. Sein
frecher Geſelle antwortete ihm dergeſtalt.

O Fuͤrſt, o Haupt mancher gethronten Macht
von Geiſtern, du, der die Schlachthaufen der
Seraphim angefuͤhrt, und in erſchrecklichen Be-
gegniſſen unerſchrocken den beſtaͤndigen Koͤnig
des Himmels in Gefahr geſetzet, und ſeine
hohe Oberherrlichkeit auf die Probe geleget
hat, ob die Staͤrcke, oder der Zufall, oder
das Verhaͤngniß etwas wider ſie vermoͤgten.
Doch ich ſehe und empfinde nur zuwohl den
grauſamen Ausgang dieſes Unternehmens, wel-
ches uns in einer traurigen Niederlage, und
ſchaͤndlichen Flucht des Himmels verluſtig ge-
machet, und dieſes groſſe maͤchtige Heer in
einer graͤßlichen Zerruͤttung ſo tief zu Boden
geſchlagen hat, als es moͤglich iſt, daß himm-
liſche Weſen und Goͤtter zu Grund gehen.
Denn das Gemuͤthe und der Geiſt bleiben un-
uͤberwindlich, und die Munterkeit erholet ſich
in kurtzem wieder, ob unſre Herrlichkeit gleich
gaͤntzlich erloſchen iſt, und unſer vormahls gluͤck-
ſelige Stand hier unter einem unendlichen E-
lende verſencket liegt. Aber wie haben wir es
dann, wenn unſer Obſieger, den ich jezo ge-
zwungen vor allmaͤchtig erkennen muß, weil

kein
Den ich jezo gezwungen vor allmaͤchtig erkennen muß)
Beel-
A 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="9"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Verl. Paradies. <hi rendition="#aq">I.</hi> B.</hi></fw><lb/>
in dem Himmel ohne einen Nebenbuhler be-<lb/>
&#x017F;itzet.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach der abtru&#x0364;nnige Engel und ru&#x0364;hm-<lb/>
te mit Worten, obgleich mitten in der Pein,<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Stu&#x0364;cke von &#x017F;ich, aber inwendig ward er<lb/>
von einer tiefen Verzweifelung gepfetzet. Sein<lb/>
frecher Ge&#x017F;elle antwortete ihm derge&#x017F;talt.</p><lb/>
          <p>O Fu&#x0364;r&#x017F;t, o Haupt mancher gethronten Macht<lb/>
von Gei&#x017F;tern, du, der die Schlachthaufen der<lb/>
Seraphim angefu&#x0364;hrt, und in er&#x017F;chrecklichen Be-<lb/>
gegni&#x017F;&#x017F;en uner&#x017F;chrocken den be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Ko&#x0364;nig<lb/>
des Himmels in Gefahr ge&#x017F;etzet, und &#x017F;eine<lb/>
hohe Oberherrlichkeit auf die Probe geleget<lb/>
hat, ob die Sta&#x0364;rcke, oder der Zufall, oder<lb/>
das Verha&#x0364;ngniß etwas wider &#x017F;ie vermo&#x0364;gten.<lb/>
Doch ich &#x017F;ehe und empfinde nur zuwohl den<lb/>
grau&#x017F;amen Ausgang die&#x017F;es Unternehmens, wel-<lb/>
ches uns in einer traurigen Niederlage, und<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ndlichen Flucht des Himmels verlu&#x017F;tig ge-<lb/>
machet, und die&#x017F;es gro&#x017F;&#x017F;e ma&#x0364;chtige Heer in<lb/>
einer gra&#x0364;ßlichen Zerru&#x0364;ttung &#x017F;o tief zu Boden<lb/>
ge&#x017F;chlagen hat, als es mo&#x0364;glich i&#x017F;t, daß himm-<lb/>
li&#x017F;che We&#x017F;en und Go&#x0364;tter zu Grund gehen.<lb/>
Denn das Gemu&#x0364;the und der Gei&#x017F;t bleiben un-<lb/>
u&#x0364;berwindlich, und die Munterkeit erholet &#x017F;ich<lb/>
in kurtzem wieder, ob un&#x017F;re Herrlichkeit gleich<lb/>
ga&#x0364;ntzlich erlo&#x017F;chen i&#x017F;t, und un&#x017F;er vormahls glu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;elige Stand hier unter einem unendlichen E-<lb/>
lende ver&#x017F;encket liegt. Aber wie haben wir es<lb/>
dann, wenn un&#x017F;er Ob&#x017F;ieger, den ich jezo ge-<lb/>
zwungen vor allma&#x0364;chtig erkennen muß, weil<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 5</fw><fw place="bottom" type="catch">kein</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_2_1" place="foot" next="#seg2pn_2_2">Den ich jezo gezwungen vor allma&#x0364;chtig erkennen muß)<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Beel-</fw></note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0025] Verl. Paradies. I. B. in dem Himmel ohne einen Nebenbuhler be- ſitzet. Alſo ſprach der abtruͤnnige Engel und ruͤhm- te mit Worten, obgleich mitten in der Pein, groſſe Stuͤcke von ſich, aber inwendig ward er von einer tiefen Verzweifelung gepfetzet. Sein frecher Geſelle antwortete ihm dergeſtalt. O Fuͤrſt, o Haupt mancher gethronten Macht von Geiſtern, du, der die Schlachthaufen der Seraphim angefuͤhrt, und in erſchrecklichen Be- gegniſſen unerſchrocken den beſtaͤndigen Koͤnig des Himmels in Gefahr geſetzet, und ſeine hohe Oberherrlichkeit auf die Probe geleget hat, ob die Staͤrcke, oder der Zufall, oder das Verhaͤngniß etwas wider ſie vermoͤgten. Doch ich ſehe und empfinde nur zuwohl den grauſamen Ausgang dieſes Unternehmens, wel- ches uns in einer traurigen Niederlage, und ſchaͤndlichen Flucht des Himmels verluſtig ge- machet, und dieſes groſſe maͤchtige Heer in einer graͤßlichen Zerruͤttung ſo tief zu Boden geſchlagen hat, als es moͤglich iſt, daß himm- liſche Weſen und Goͤtter zu Grund gehen. Denn das Gemuͤthe und der Geiſt bleiben un- uͤberwindlich, und die Munterkeit erholet ſich in kurtzem wieder, ob unſre Herrlichkeit gleich gaͤntzlich erloſchen iſt, und unſer vormahls gluͤck- ſelige Stand hier unter einem unendlichen E- lende verſencket liegt. Aber wie haben wir es dann, wenn unſer Obſieger, den ich jezo ge- zwungen vor allmaͤchtig erkennen muß, weil kein Den ich jezo gezwungen vor allmaͤchtig erkennen muß) Beel- A 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/25
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/25>, abgerufen am 24.11.2024.