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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

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Widerlegung der Relig. Essent.
Aber das fragt sich erst; und nur wann es erwie-
sen ist, folgt was der Ungenannte nun ferner
wolte: Nemlich, a daß eine Offenbarung im
eigentlichen Verstand nicht möglich sey; b daß
Geheimnissen, weder geoffenbaret, noch geglaubt
werden können; und c daß der Glaube, und
die deutliche Erkänntniß der Dinge, nicht un-
terschieden seyn.

VI.

Jn den drey folgenden Abschnitten zeiget da-
rum Hr. Breitinger, daß das Gegentheil die-
ser Säze auf wahren Begriffen beruhe. Ei-
ne Offenbarung ist eine deutliche Erklärung
dessen, was man aus der Natur der Sache,
durch Hülfe der Vernunft, nicht erkennen kan.
Die Möglichkeit dieses Begriffs, in Ansehung
der göttlichen Offenbarung insbesondere, ist
erwiesen, wann man zugiebt, daß der göttli-
che Verstand unendlich, der unsre aber sehr
eingeschränket sey, und dieses füraus in Absicht
auf den Rath, und die Wege Gottes bey
unserm Heil, als welche derselbe nach einer un-
endlichen Weisheit, durch eine freye Wahl weh-
let. Nemlich, diese Wahl und das daher flies-
sende Betragen Gottes, ist in dem Meer der
ganzen Natur Gottes gegründet. Kan man
nun nicht darthun, welches eigentlich diejenige

Weise
dern Wahrheiten nicht einsiehet: Es sey denn Sache,
er spreche dem Menschen das Vermögen ab, einen Saz auf
das Ansehen eines andern für wahr zu halten, und sein
Betragen darnach einzurichten, welches man glauben
heißt. Jn diesem Fall wird ihm jedermann recht geben müs-
sen: Nur ist schade, daß der Saz allzustarck wider die
tägliche Erfahrung anstößt.
[Crit. Samml.] K

Widerlegung der Relig. Eſſent.
Aber das fragt ſich erſt; und nur wann es erwie-
ſen iſt, folgt was der Ungenannte nun ferner
wolte: Nemlich, a daß eine Offenbarung im
eigentlichen Verſtand nicht moͤglich ſey; b daß
Geheimniſſen, weder geoffenbaret, noch geglaubt
werden koͤnnen; und c daß der Glaube, und
die deutliche Erkaͤnntniß der Dinge, nicht un-
terſchieden ſeyn.

VI.

Jn den drey folgenden Abſchnitten zeiget da-
rum Hr. Breitinger, daß das Gegentheil die-
ſer Saͤze auf wahren Begriffen beruhe. Ei-
ne Offenbarung iſt eine deutliche Erklaͤrung
deſſen, was man aus der Natur der Sache,
durch Huͤlfe der Vernunft, nicht erkennen kan.
Die Moͤglichkeit dieſes Begriffs, in Anſehung
der goͤttlichen Offenbarung insbeſondere, iſt
erwieſen, wann man zugiebt, daß der goͤttli-
che Verſtand unendlich, der unſre aber ſehr
eingeſchraͤnket ſey, und dieſes fuͤraus in Abſicht
auf den Rath, und die Wege Gottes bey
unſerm Heil, als welche derſelbe nach einer un-
endlichen Weisheit, durch eine freye Wahl weh-
let. Nemlich, dieſe Wahl und das daher flieſ-
ſende Betragen Gottes, iſt in dem Meer der
ganzen Natur Gottes gegruͤndet. Kan man
nun nicht darthun, welches eigentlich diejenige

Weiſe
dern Wahrheiten nicht einſiehet: Es ſey denn Sache,
er ſpreche dem Menſchen das Vermoͤgen ab, einen Saz auf
das Anſehen eines andern fuͤr wahr zu halten, und ſein
Betragen darnach einzurichten, welches man glauben
heißt. Jn dieſem Fall wird ihm jedermann recht geben muͤſ-
ſen: Nur iſt ſchade, daß der Saz allzuſtarck wider die
taͤgliche Erfahrung anſtoͤßt.
[Crit. Samml.] K
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[145/0161] Widerlegung der Relig. Eſſent. Aber das fragt ſich erſt; und nur wann es erwie- ſen iſt, folgt was der Ungenannte nun ferner wolte: Nemlich, a daß eine Offenbarung im eigentlichen Verſtand nicht moͤglich ſey; b daß Geheimniſſen, weder geoffenbaret, noch geglaubt werden koͤnnen; und c daß der Glaube, und die deutliche Erkaͤnntniß der Dinge, nicht un- terſchieden ſeyn. VI. Jn den drey folgenden Abſchnitten zeiget da- rum Hr. Breitinger, daß das Gegentheil die- ſer Saͤze auf wahren Begriffen beruhe. Ei- ne Offenbarung iſt eine deutliche Erklaͤrung deſſen, was man aus der Natur der Sache, durch Huͤlfe der Vernunft, nicht erkennen kan. Die Moͤglichkeit dieſes Begriffs, in Anſehung der goͤttlichen Offenbarung insbeſondere, iſt erwieſen, wann man zugiebt, daß der goͤttli- che Verſtand unendlich, der unſre aber ſehr eingeſchraͤnket ſey, und dieſes fuͤraus in Abſicht auf den Rath, und die Wege Gottes bey unſerm Heil, als welche derſelbe nach einer un- endlichen Weisheit, durch eine freye Wahl weh- let. Nemlich, dieſe Wahl und das daher flieſ- ſende Betragen Gottes, iſt in dem Meer der ganzen Natur Gottes gegruͤndet. Kan man nun nicht darthun, welches eigentlich diejenige Weiſe (*) (*) dern Wahrheiten nicht einſiehet: Es ſey denn Sache, er ſpreche dem Menſchen das Vermoͤgen ab, einen Saz auf das Anſehen eines andern fuͤr wahr zu halten, und ſein Betragen darnach einzurichten, welches man glauben heißt. Jn dieſem Fall wird ihm jedermann recht geben muͤſ- ſen: Nur iſt ſchade, daß der Saz allzuſtarck wider die taͤgliche Erfahrung anſtoͤßt. [Crit. Samml.] K

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/161>, abgerufen am 22.12.2024.