[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.Hans Sachs Daß deine Herrschaft nie mög' ihres gleichen haben,Und sich von Schweizerland erstreke bis in Schwaben; Daß Wahn und Eigenlieb' umzingle deinen Thron; Und man den Vater kaum mehr nenne vor dem Sohn; Daß alle Dudentöpf hinfort nach deinem Nahmen Man Stelpos nenn'. Er schwieg -- u. alles Volck sagt: Amen. Hernach so fuhr er fort: Mein liebster Sohn nimm du Beyds in Unwissenheit und Unverschämtheit zu. Laß andre viel auf Wiz, Verstand, und Ordnung truzen, Lern' aber du von mir arbeiten ohne Nuzen; Begreife wie man lang' in Kindesnöthen ringt, Und eine Mißgeburt doch nur zu Lichte bringt. Laß Hofmannswaldau du bey treuen Schäfern bleiben, Und Lohenstein und Gryph ein prächtig Traurspiel schreiben; Laß du Myrtill, Myrtill, Coris, Corisca seyn, Und bilde keinen Schach und Jbrahim dir ein. (y) Laß die mit grosser Müh oft Jahr und Tag nachsinnen, Und in dem weiten Lauf den sichern Kranz gewinnen; Sey du, auch wenn du schreibst mit deinem besten Fleiß, Bedacht, daß ja kein Wiz verrathe deinen Schweiß. Laß B - - seinen Kiel in Hippocrene nezen, Und den Parnassus so wie die Stadt Wien entsezen (z), Laß ihn einst im Triumph auf deine Bühne ziehn', Weil falsche Wort' und Reim' als Türck und Tartar fliehn, Laß Weisens (a) kluge Räth' auf Zittaus Schauplatz steigen, Und des Verfassers Wiz in ihrer Thorheit zeigen: Weil (y) Das Verstandes-Auge, das in Gryphius und Lo- hensteins Dramatischen Stücken Weisheit und Ordnung er- bliket, scheint mir so gemacht zu seyn, daß es eben derglei- chen in Postels Singspielen entdecken sollte. Wenn Wer- nike eben so viel Gütigkeit für den leztern, als für die bey- den erstern gehabt hätte, so würde er vermuthlich wohl ge- sehen haben, daß ihre Urtheilskraft so wie Postels durch sehr enge Gränzen eingeschranket gewesen, so daß sie nicht viel vor ihm zum voraus fodern können. (z) Dieß war von Bostel der Bürgermeister, so auch ein Singspiel geschrieben, der Entsatz der Stadt Wien ge- nannt, der aber einen bessern Geschmak hatte als Postel. (a) Christian Weise hat in Zittau viele Comödien ge-
schrie- Hans Sachs Daß deine Herrſchaft nie moͤg’ ihres gleichen haben,Und ſich von Schweizerland erſtreke bis in Schwaben; Daß Wahn und Eigenlieb’ umzingle deinen Thron; Und man den Vater kaum mehr nenne vor dem Sohn; Daß alle Dudentoͤpf hinfort nach deinem Nahmen Man Stelpos nenn’. Er ſchwieg ‒‒ u. alles Volck ſagt: Amen. Hernach ſo fuhr er fort: Mein liebſter Sohn nimm du Beyds in Unwiſſenheit und Unverſchaͤmtheit zu. Laß andre viel auf Wiz, Verſtand, und Ordnung truzen, Lern’ aber du von mir arbeiten ohne Nuzen; Begreife wie man lang’ in Kindesnoͤthen ringt, Und eine Mißgeburt doch nur zu Lichte bringt. Laß Hofmannswaldau du bey treuen Schaͤfern bleiben, Und Lohenſtein und Gryph ein praͤchtig Traurſpiel ſchreiben; Laß du Myrtill, Myrtill, Coris, Corisca ſeyn, Und bilde keinen Schach und Jbrahim dir ein. (y) Laß die mit groſſer Muͤh oft Jahr und Tag nachſinnen, Und in dem weiten Lauf den ſichern Kranz gewinnen; Sey du, auch wenn du ſchreibſt mit deinem beſten Fleiß, Bedacht, daß ja kein Wiz verrathe deinen Schweiß. Laß B ‒ ‒ ſeinen Kiel in Hippocrene nezen, Und den Parnaſſus ſo wie die Stadt Wien entſezen (z), Laß ihn einſt im Triumph auf deine Buͤhne ziehn’, Weil falſche Wort’ und Reim’ als Tuͤrck und Tartar fliehn, Laß Weiſens (a) kluge Raͤth’ auf Zittaus Schauplatz ſteigen, Und des Verfaſſers Wiz in ihrer Thorheit zeigen: Weil (y) Das Verſtandes-Auge, das in Gryphius und Lo- henſteins Dramatiſchen Stuͤcken Weisheit und Ordnung er- bliket, ſcheint mir ſo gemacht zu ſeyn, daß es eben derglei- chen in Poſtels Singſpielen entdecken ſollte. Wenn Wer- nike eben ſo viel Guͤtigkeit fuͤr den leztern, als fuͤr die bey- den erſtern gehabt haͤtte, ſo wuͤrde er vermuthlich wohl ge- ſehen haben, daß ihre Urtheilskraft ſo wie Poſtels durch ſehr enge Graͤnzen eingeſchranket geweſen, ſo daß ſie nicht viel vor ihm zum voraus fodern koͤnnen. (z) Dieß war von Boſtel der Buͤrgermeiſter, ſo auch ein Singſpiel geſchrieben, der Entſatz der Stadt Wien ge- nannt, der aber einen beſſern Geſchmak hatte als Poſtel. (a) Chriſtian Weiſe hat in Zittau viele Comoͤdien ge-
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Hans Sachs
Daß deine Herrſchaft nie moͤg’ ihres gleichen haben,
Und ſich von Schweizerland erſtreke bis in Schwaben;
Daß Wahn und Eigenlieb’ umzingle deinen Thron;
Und man den Vater kaum mehr nenne vor dem Sohn;
Daß alle Dudentoͤpf hinfort nach deinem Nahmen
Man Stelpos nenn’. Er ſchwieg ‒‒ u. alles Volck ſagt: Amen.
Hernach ſo fuhr er fort: Mein liebſter Sohn nimm du
Beyds in Unwiſſenheit und Unverſchaͤmtheit zu.
Laß andre viel auf Wiz, Verſtand, und Ordnung truzen,
Lern’ aber du von mir arbeiten ohne Nuzen;
Begreife wie man lang’ in Kindesnoͤthen ringt,
Und eine Mißgeburt doch nur zu Lichte bringt.
Laß Hofmannswaldau du bey treuen Schaͤfern bleiben,
Und Lohenſtein und Gryph ein praͤchtig Traurſpiel ſchreiben;
Laß du Myrtill, Myrtill, Coris, Corisca ſeyn,
Und bilde keinen Schach und Jbrahim dir ein. (y)
Laß die mit groſſer Muͤh oft Jahr und Tag nachſinnen,
Und in dem weiten Lauf den ſichern Kranz gewinnen;
Sey du, auch wenn du ſchreibſt mit deinem beſten Fleiß,
Bedacht, daß ja kein Wiz verrathe deinen Schweiß.
Laß B ‒ ‒ ſeinen Kiel in Hippocrene nezen,
Und den Parnaſſus ſo wie die Stadt Wien entſezen (z),
Laß ihn einſt im Triumph auf deine Buͤhne ziehn’,
Weil falſche Wort’ und Reim’ als Tuͤrck und Tartar fliehn,
Laß Weiſens (a) kluge Raͤth’ auf Zittaus Schauplatz ſteigen,
Und des Verfaſſers Wiz in ihrer Thorheit zeigen:
Weil
(y) Das Verſtandes-Auge, das in Gryphius und Lo-
henſteins Dramatiſchen Stuͤcken Weisheit und Ordnung er-
bliket, ſcheint mir ſo gemacht zu ſeyn, daß es eben derglei-
chen in Poſtels Singſpielen entdecken ſollte. Wenn Wer-
nike eben ſo viel Guͤtigkeit fuͤr den leztern, als fuͤr die bey-
den erſtern gehabt haͤtte, ſo wuͤrde er vermuthlich wohl ge-
ſehen haben, daß ihre Urtheilskraft ſo wie Poſtels durch ſehr
enge Graͤnzen eingeſchranket geweſen, ſo daß ſie nicht viel
vor ihm zum voraus fodern koͤnnen.
(z) Dieß war von Boſtel der Buͤrgermeiſter, ſo auch
ein Singſpiel geſchrieben, der Entſatz der Stadt Wien ge-
nannt, der aber einen beſſern Geſchmak hatte als Poſtel.
(a) Chriſtian Weiſe hat in Zittau viele Comoͤdien ge-
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