Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Heldengedichte.
Leute darüber gelachet haben. Ja wer weiß,
ob sich nicht schon viele von diesen leztern ver-
wundern, daß man schon so viel geschrieben ha-
be. Es müssen dieselbe aber bedenken, daß
man niemals eine Thorheit nur halb begehen
müsse.

Hans Sachs ein Heldengedichte.
WAs irdisch ist, vergeht, was menschlich ist, nimmt ab,
Und ein Monarche selbst fällt mit der Zeit ins Grab.
(herrschte,
Diß ward Hanß Sachs gewahr, der lang' in Deutschland
Und nach der Füsse Maaß hier Schuhe macht' und verschte;
Der in der Dummheit Reich' und Hauptstadt Lobesan
Den ersten Preiß durch Reim' ohn' allen Streit gewann.
Es war in langer Ruh ihm wiedrigs nichts begegnet,
Er fand mit manchem Sohn unzehlbar sich gesegnet;
Doch alt, und durch die Last der Sorgen matt gemacht,
So war er auf die Folg' im Reich' anizt bedacht.
Er dachte welchem Sohn es möchte meist gebühren,
Nach ihm mit der Vernunft unendlich Krieg zu führen;
Und ruft: Es ist geschehn! denn Hertz und Neigung schlißt,
Daß der mein Folger sey, der mir am gleichsten ist.
Mein Stelpo (e) zeigt allein mein Bild an seiner Stirne,
Und unzertheilte Dünst' umnebeln sein Gehirne;
Selbst seine Amme faßt' in der Geburt ihn um,
Weissagt' und segnet' ihn mit diesem Wunsch: Sey dumm.
Mein Stelpo ists allein von allen meinen Söhnen,
Den an dem Pegnizstrand ein Pfaltzgraf wünscht zu krönen;
Der ein verständlich Wort vor Ungelahrtheit hält,
Und die Undeutlichkeit am klärsten uns vorstellt.
Mit Mühe kan man noch der andern Meinung rathen,
Und Wiz findt Herberg einst bey einem Zes' und Spaten;
Mein
(e) Stelpo per anagramma Postel.
H 5

ein Heldengedichte.
Leute daruͤber gelachet haben. Ja wer weiß,
ob ſich nicht ſchon viele von dieſen leztern ver-
wundern, daß man ſchon ſo viel geſchrieben ha-
be. Es muͤſſen dieſelbe aber bedenken, daß
man niemals eine Thorheit nur halb begehen
muͤſſe.

Hans Sachs ein Heldengedichte.
WAs irdiſch iſt, vergeht, was menſchlich iſt, nimmt ab,
Und ein Monarche ſelbſt faͤllt mit der Zeit ins Grab.
(herrſchte,
Diß ward Hanß Sachs gewahr, der lang’ in Deutſchland
Und nach der Fuͤſſe Maaß hier Schuhe macht’ und verſchte;
Der in der Dummheit Reich’ und Hauptſtadt Lobeſan
Den erſten Preiß durch Reim’ ohn’ allen Streit gewann.
Es war in langer Ruh ihm wiedrigs nichts begegnet,
Er fand mit manchem Sohn unzehlbar ſich geſegnet;
Doch alt, und durch die Laſt der Sorgen matt gemacht,
So war er auf die Folg’ im Reich’ anizt bedacht.
Er dachte welchem Sohn es moͤchte meiſt gebuͤhren,
Nach ihm mit der Vernunft unendlich Krieg zu fuͤhren;
Und ruft: Es iſt geſchehn! denn Hertz und Neigung ſchlißt,
Daß der mein Folger ſey, der mir am gleichſten iſt.
Mein Stelpo (e) zeigt allein mein Bild an ſeiner Stirne,
Und unzertheilte Duͤnſt’ umnebeln ſein Gehirne;
Selbſt ſeine Amme faßt’ in der Geburt ihn um,
Weiſſagt’ und ſegnet’ ihn mit dieſem Wunſch: Sey dumm.
Mein Stelpo iſts allein von allen meinen Soͤhnen,
Den an dem Pegnizſtrand ein Pfaltzgraf wuͤnſcht zu kroͤnen;
Der ein verſtaͤndlich Wort vor Ungelahrtheit haͤlt,
Und die Undeutlichkeit am klaͤrſten uns vorſtellt.
Mit Muͤhe kan man noch der andern Meinung rathen,
Und Wiz findt Herberg einſt bey einem Zeſ’ und Spaten;
Mein
(e) Stelpo per anagramma Poſtel.
H 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0137" n="121"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">ein Heldengedichte.</hi></fw><lb/>
Leute daru&#x0364;ber gelachet haben. Ja wer weiß,<lb/>
ob &#x017F;ich nicht &#x017F;chon viele von die&#x017F;en leztern ver-<lb/>
wundern, daß man &#x017F;chon &#x017F;o viel ge&#x017F;chrieben ha-<lb/>
be. Es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;elbe aber bedenken, daß<lb/>
man niemals eine Thorheit nur halb begehen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Hans Sachs ein Heldengedichte.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>As irdi&#x017F;ch i&#x017F;t, vergeht, was men&#x017F;chlich i&#x017F;t, nimmt ab,</l><lb/>
            <l>Und ein Monarche &#x017F;elb&#x017F;t fa&#x0364;llt mit der Zeit ins Grab.</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">(herr&#x017F;chte,</hi> </l><lb/>
            <l>Diß ward Hanß Sachs gewahr, der lang&#x2019; in Deut&#x017F;chland</l><lb/>
            <l>Und nach der Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Maaß hier Schuhe macht&#x2019; und ver&#x017F;chte;</l><lb/>
            <l>Der in der Dummheit Reich&#x2019; und Haupt&#x017F;tadt Lobe&#x017F;an</l><lb/>
            <l>Den er&#x017F;ten Preiß durch Reim&#x2019; ohn&#x2019; allen Streit gewann.</l><lb/>
            <l>Es war in langer Ruh ihm wiedrigs nichts begegnet,</l><lb/>
            <l>Er fand mit manchem Sohn unzehlbar &#x017F;ich ge&#x017F;egnet;</l><lb/>
            <l>Doch alt, und durch die La&#x017F;t der Sorgen matt gemacht,</l><lb/>
            <l>So war er auf die Folg&#x2019; im Reich&#x2019; anizt bedacht.</l><lb/>
            <l>Er dachte welchem Sohn es mo&#x0364;chte mei&#x017F;t gebu&#x0364;hren,</l><lb/>
            <l>Nach ihm mit der Vernunft unendlich Krieg zu fu&#x0364;hren;</l><lb/>
            <l>Und ruft: Es i&#x017F;t ge&#x017F;chehn! denn Hertz und Neigung &#x017F;chlißt,</l><lb/>
            <l>Daß der mein Folger &#x017F;ey, der mir am gleich&#x017F;ten i&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>Mein Stelpo <note place="foot" n="(e)">Stelpo <hi rendition="#aq">per anagramma</hi> Po&#x017F;tel.</note> zeigt allein mein Bild an &#x017F;einer Stirne,</l><lb/>
            <l>Und unzertheilte Du&#x0364;n&#x017F;t&#x2019; umnebeln &#x017F;ein Gehirne;</l><lb/>
            <l>Selb&#x017F;t &#x017F;eine Amme faßt&#x2019; in der Geburt ihn um,</l><lb/>
            <l>Wei&#x017F;&#x017F;agt&#x2019; und &#x017F;egnet&#x2019; ihn mit die&#x017F;em Wun&#x017F;ch: Sey dumm.</l><lb/>
            <l>Mein Stelpo i&#x017F;ts allein von allen meinen So&#x0364;hnen,</l><lb/>
            <l>Den an dem Pegniz&#x017F;trand ein Pfaltzgraf wu&#x0364;n&#x017F;cht zu kro&#x0364;nen;</l><lb/>
            <l>Der ein ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich Wort vor Ungelahrtheit ha&#x0364;lt,</l><lb/>
            <l>Und die Undeutlichkeit am kla&#x0364;r&#x017F;ten uns vor&#x017F;tellt.</l><lb/>
            <l>Mit Mu&#x0364;he kan man noch der andern Meinung rathen,</l><lb/>
            <l>Und Wiz findt Herberg ein&#x017F;t bey einem Ze&#x017F;&#x2019; und Spaten;</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">H 5</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Mein</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0137] ein Heldengedichte. Leute daruͤber gelachet haben. Ja wer weiß, ob ſich nicht ſchon viele von dieſen leztern ver- wundern, daß man ſchon ſo viel geſchrieben ha- be. Es muͤſſen dieſelbe aber bedenken, daß man niemals eine Thorheit nur halb begehen muͤſſe. Hans Sachs ein Heldengedichte. WAs irdiſch iſt, vergeht, was menſchlich iſt, nimmt ab, Und ein Monarche ſelbſt faͤllt mit der Zeit ins Grab. (herrſchte, Diß ward Hanß Sachs gewahr, der lang’ in Deutſchland Und nach der Fuͤſſe Maaß hier Schuhe macht’ und verſchte; Der in der Dummheit Reich’ und Hauptſtadt Lobeſan Den erſten Preiß durch Reim’ ohn’ allen Streit gewann. Es war in langer Ruh ihm wiedrigs nichts begegnet, Er fand mit manchem Sohn unzehlbar ſich geſegnet; Doch alt, und durch die Laſt der Sorgen matt gemacht, So war er auf die Folg’ im Reich’ anizt bedacht. Er dachte welchem Sohn es moͤchte meiſt gebuͤhren, Nach ihm mit der Vernunft unendlich Krieg zu fuͤhren; Und ruft: Es iſt geſchehn! denn Hertz und Neigung ſchlißt, Daß der mein Folger ſey, der mir am gleichſten iſt. Mein Stelpo (e) zeigt allein mein Bild an ſeiner Stirne, Und unzertheilte Duͤnſt’ umnebeln ſein Gehirne; Selbſt ſeine Amme faßt’ in der Geburt ihn um, Weiſſagt’ und ſegnet’ ihn mit dieſem Wunſch: Sey dumm. Mein Stelpo iſts allein von allen meinen Soͤhnen, Den an dem Pegnizſtrand ein Pfaltzgraf wuͤnſcht zu kroͤnen; Der ein verſtaͤndlich Wort vor Ungelahrtheit haͤlt, Und die Undeutlichkeit am klaͤrſten uns vorſtellt. Mit Muͤhe kan man noch der andern Meinung rathen, Und Wiz findt Herberg einſt bey einem Zeſ’ und Spaten; Mein (e) Stelpo per anagramma Poſtel. H 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/137
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/137>, abgerufen am 22.12.2024.