[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.und dem Scharfsinnigen. theil machen; Lobschriften und Ehrenpforten,daran Heucheley oder Zwang gearbeitet, mit Füssen treten. Nachdem Phyllis diese Exempel vorher gesetzt zu G 3
und dem Scharfſinnigen. theil machen; Lobſchriften und Ehrenpforten,daran Heucheley oder Zwang gearbeitet, mit Fuͤſſen treten. Nachdem Phyllis dieſe Exempel vorher geſetzt zu G 3
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und dem Scharfſinnigen.
theil machen; Lobſchriften und Ehrenpforten,
daran Heucheley oder Zwang gearbeitet, mit
Fuͤſſen treten.
Nachdem Phyllis dieſe Exempel vorher geſetzt
hat, ſo war es nunmehr an dem, daß ſie uns die
Natur des Sinnreichen oder Scharfſinnigen ent-
deckte. Nun fraget ſichs, ſagt ſie, was zu ei-
ner ſo ſinnreichen Schreibart gehoͤre? Jch un-
terſtehe mich dieſes nicht auf einmahl und in
wenig Worten zu faſſen: ich will es derowegen
nach und nach in verſchiedenen Anmerckun-
gen erklaͤren. Das Wort ſinnreich ſelbſt ſcheint
ſchon anzudeuten, daß ein ſolcher Ausdruck
voller Witz und reich an Gedancken ſeyn muͤſſe,
ſo daß er einem Leſer viel Nachdenckens ver-
urſache. Jn dieſer erſten Anmerckung, was das
Sinnreiche ſey, wird an ſtatt daß ſie die Natur deſ-
ſelben erklaͤren ſolte, alles ſo bunt durch einander ge-
worfen, daß man mit groſſer Muͤhe den Sinn u.
die Unrichtigkeit derſelben errathen kan. Das Sinn-
reiche muß voller Witzſeyn. Das iſt ſoviel als, es
muß ſinnreich ſeyn. Erklaͤre ſie mir zuerſt was Witz
ſey, ehe ſie verlangt, daß ich ſie verſtehen ſolle. Jch
waͤre werth, daß man meiner lachte, wann ich einem,
der noch keinen deutlichen Begriff von dem Geld hat,
alſo erklaͤren wolte, was Geldreich ſey: Geldreich
iſt ein Menſch, der viel Geld beſitzet, oder deſſen Ki-
ſten voller Geld ſind. Das Sinnreiche muß dar-
nach reich an Gedancken ſeyn: Wann ſie durch
die Gedancken etwas anders verſtehet, als die
Wuͤrckungen des Witzes, ſo iſt dieſer Satz falſch;
denn die Vernunftſchluͤſſe gehoͤren eigentlich nicht
zu
G 3
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