so ist er verpflichtet, die Proceßkosten zu tragen und den Eigenthümer des genommenen Schiffs und der Ladung zu entschädigen. Ueber diese Ent- schädigungsforderung entscheidet das Prisengericht.
Unter dieser Voraussetzung bewirkt die Verschuldung des Nehmers seine Entschädigungspflicht.
855.
Bloße Vermuthungen zu Gunsten des Nehmers und zum Nachtheil der Neutralen sind mit den Grundsätzen einer unparteiischen Rechtspflege unvereinbar.
Die ältere Praxis mancher Seemächte war zu solchen Vermuthungen zu Gunsten des Nehmers und wider das aufgebrachte Schiff geneigt. Das widerspricht aber den Grundprincipien aller Rechtspflege, welche ihrer beschränkten Einsicht ein- gedenk und nur mit äußern Mitteln wirkend nur die offenbare Schuld bedroht, nicht die verborgene Sünde, und darf daher nicht von dem Völkerrecht gebilligt werden, auch wenn die Völkersitte solche Mißgriffe noch duldet. Die Schuld muß also, wenn sie bestritten wird, erwiesen werden, ebenso wie jede andere straf- bare Schuld.
856.
Wird die Nehmung gutgeheißen, so wird das Eigenthum an Schiff und Ladung, in so weit als beide mit Recht genommen sind, sei es dem Nehmestat mit Belohnung des Nehmers, sei es diesem selber je nach Um- ständen mit gewissen Auflagen an den Nehmestat zugesprochen. Nur die genommenen Kriegsschiffe und die Kriegscontrebande fallen jederzeit dem Nehmestat, nicht dem Nehmer zu.
Der ganze Gedanke und die Erklärung des Prisenrechts weist auf das Noth- recht des Krieges und daher die Kriegsgewalt hin. Niemand kann ein persönliches Beuterecht aussprechen. Eben deßhalb hat auch die Statsautorität allein darüber zu verfügen, wem die Prise zufallen soll. Wenn der Nehmer dieselbe zu Eigenthum bekommt, so kann er dieses Eigenthum nur von der Statsautorität, nicht von seiner eigenen Arbeit ableiten. Der Stat kann es ihm ganz oder theilweise oder gar nicht geben. Lord Stowell vgl. PhillimoreIII. § 128: "Prize is altogether a creature of the Crown. No man has, or can have any interest, but what he takes as the mere gift of the Crown; beyond the extent of that gift he has nothing". Aber es können in einem Lande besondere Maximen festgestellt
Neuntes Buch.
ſo iſt er verpflichtet, die Proceßkoſten zu tragen und den Eigenthümer des genommenen Schiffs und der Ladung zu entſchädigen. Ueber dieſe Ent- ſchädigungsforderung entſcheidet das Priſengericht.
Unter dieſer Vorausſetzung bewirkt die Verſchuldung des Nehmers ſeine Entſchädigungspflicht.
855.
Bloße Vermuthungen zu Gunſten des Nehmers und zum Nachtheil der Neutralen ſind mit den Grundſätzen einer unparteiiſchen Rechtspflege unvereinbar.
Die ältere Praxis mancher Seemächte war zu ſolchen Vermuthungen zu Gunſten des Nehmers und wider das aufgebrachte Schiff geneigt. Das widerſpricht aber den Grundprincipien aller Rechtspflege, welche ihrer beſchränkten Einſicht ein- gedenk und nur mit äußern Mitteln wirkend nur die offenbare Schuld bedroht, nicht die verborgene Sünde, und darf daher nicht von dem Völkerrecht gebilligt werden, auch wenn die Völkerſitte ſolche Mißgriffe noch duldet. Die Schuld muß alſo, wenn ſie beſtritten wird, erwieſen werden, ebenſo wie jede andere ſtraf- bare Schuld.
856.
Wird die Nehmung gutgeheißen, ſo wird das Eigenthum an Schiff und Ladung, in ſo weit als beide mit Recht genommen ſind, ſei es dem Nehmeſtat mit Belohnung des Nehmers, ſei es dieſem ſelber je nach Um- ſtänden mit gewiſſen Auflagen an den Nehmeſtat zugeſprochen. Nur die genommenen Kriegsſchiffe und die Kriegscontrebande fallen jederzeit dem Nehmeſtat, nicht dem Nehmer zu.
Der ganze Gedanke und die Erklärung des Priſenrechts weist auf das Noth- recht des Krieges und daher die Kriegsgewalt hin. Niemand kann ein perſönliches Beuterecht ausſprechen. Eben deßhalb hat auch die Statsautorität allein darüber zu verfügen, wem die Priſe zufallen ſoll. Wenn der Nehmer dieſelbe zu Eigenthum bekommt, ſo kann er dieſes Eigenthum nur von der Statsautorität, nicht von ſeiner eigenen Arbeit ableiten. Der Stat kann es ihm ganz oder theilweiſe oder gar nicht geben. Lord Stowell vgl. PhillimoreIII. § 128: „Prize is altogether a creature of the Crown. No man has, or can have any interest, but what he takes as the mere gift of the Crown; beyond the extent of that gift he has nothing“. Aber es können in einem Lande beſondere Maximen feſtgeſtellt
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Neuntes Buch.
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genommenen Schiffs und der Ladung zu entſchädigen. Ueber dieſe Ent-
ſchädigungsforderung entſcheidet das Priſengericht.
Unter dieſer Vorausſetzung bewirkt die Verſchuldung des Nehmers
ſeine Entſchädigungspflicht.
855.
Bloße Vermuthungen zu Gunſten des Nehmers und zum Nachtheil
der Neutralen ſind mit den Grundſätzen einer unparteiiſchen Rechtspflege
unvereinbar.
Die ältere Praxis mancher Seemächte war zu ſolchen Vermuthungen zu
Gunſten des Nehmers und wider das aufgebrachte Schiff geneigt. Das widerſpricht
aber den Grundprincipien aller Rechtspflege, welche ihrer beſchränkten Einſicht ein-
gedenk und nur mit äußern Mitteln wirkend nur die offenbare Schuld bedroht,
nicht die verborgene Sünde, und darf daher nicht von dem Völkerrecht gebilligt
werden, auch wenn die Völkerſitte ſolche Mißgriffe noch duldet. Die Schuld muß
alſo, wenn ſie beſtritten wird, erwieſen werden, ebenſo wie jede andere ſtraf-
bare Schuld.
856.
Wird die Nehmung gutgeheißen, ſo wird das Eigenthum an Schiff
und Ladung, in ſo weit als beide mit Recht genommen ſind, ſei es dem
Nehmeſtat mit Belohnung des Nehmers, ſei es dieſem ſelber je nach Um-
ſtänden mit gewiſſen Auflagen an den Nehmeſtat zugeſprochen. Nur die
genommenen Kriegsſchiffe und die Kriegscontrebande fallen jederzeit dem
Nehmeſtat, nicht dem Nehmer zu.
Der ganze Gedanke und die Erklärung des Priſenrechts weist auf das Noth-
recht des Krieges und daher die Kriegsgewalt hin. Niemand kann ein perſönliches
Beuterecht ausſprechen. Eben deßhalb hat auch die Statsautorität allein darüber
zu verfügen, wem die Priſe zufallen ſoll. Wenn der Nehmer dieſelbe zu Eigenthum
bekommt, ſo kann er dieſes Eigenthum nur von der Statsautorität, nicht von ſeiner
eigenen Arbeit ableiten. Der Stat kann es ihm ganz oder theilweiſe oder gar nicht
geben. Lord Stowell vgl. Phillimore III. § 128: „Prize is altogether a
creature of the Crown. No man has, or can have any interest, but what
he takes as the mere gift of the Crown; beyond the extent of that gift he
has nothing“. Aber es können in einem Lande beſondere Maximen feſtgeſtellt
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/484>, abgerufen am 22.11.2024.
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