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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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nur die Sperre als wirksam betrachten will, die allen Verkehr absolut zu hin-
dern vermag, und jede Blocade als unwirksam erklärt, wenn es auch nur Einem
Schiffe gelingt, unbemerkt und unaufgehalten hindurchzukommen. Das heißt von
der sperrenden Kriegsgewalt Unmögliches verlangen. Eine andere ebenfalls ex-
treme Meinung begeht den entgegensetzten Fehler, indem sie die Wirksamkeit des
Blocus zu leicht nimmt und schon eine gelegentliche Behinderung einzelner
Schiffe durch ein Kreuzerschiff der Kriegsmacht für genügend erachtet. Das aner-
kannte Völkerrecht hält sich in der Mitte zwischen diesen Extremen. Die Ausnahme
einer glücklichen Ein- oder Ausfahrt trotz der Blocade macht dieselbe nicht unwirksam
und die Ausnahme einer unglücklichen Wegnahme eines neutralen Schiffs durch
einen Kreuzer macht dieselbe nicht wirksam. Es muß vielmehr nach dem Ausdruck
des Grafen Granville (16. Mai 1861) in Folge der Blocade wirklich schwierig
sein, ungehemmt in den blokirten Hafen ein- oder aus demselben auszulaufen. Es
muß eine ernste und nahe Gefahr sein, durch die Wachschiffe hindurch zu kommen.
In dem nordamerikanischen Bürgerkrieg 1861--65 wurde die effective Blocade in
diesem Sinne von den Vereinigten Staten gehandhabt und von den Neutralen
anerkannt.

830.

Weder ist eine fingirte Blocade durch ein bloßes Decret, ohne die
thatsächliche Geltendmachung zulässig noch eine Blocade der Seehäfen durch
hin und her fahrende Kreuzer ohne dauernde Kriegsstation.

Allerdings ist auch heute noch die Blocade einer Küste, nicht bloß ein-
zelner Seehäfen
möglich; und insofern wird jene noch durch Kreuzer gehand-
habt, aber doch nur in Verbindung mit einer festen Schiffsstation, welche
regelmäßige Wache hält. Die bewaffnete Neutralität von 1780 hatte den Grundsatz
so ausgedrückt: "on accorde cette determination (d'un port bloque) qu' a
celui ou il y a, par la disposition de la puissance qui l'attaque avec des
vaisseaux arretes et suffisamment proches
un danger evident
d'entrer.
In dem Neutralitätsvertrag zwischen Rußland und England vom Jahr
1801 wurde dann diese Bestimmung durch die nur scheinbar unerhebliche Wandlung
des Wörtchens et in das bedenkliche ou sehr abgeschwächt, und dem Mißbrauch
einer Blocade durch bloße Kreuzer wieder eine Thüre eröffnet. Vgl. Geßner
a. a. O. S. 167.

831.

Der Kriegsstat ist verpflichtet, die Blocade öffentlich und allgemein
zu erklären und davon auch soweit sein regelmäßiger diplomatischer Verkehr
reicht, den neutralen Staten sofort davon Anzeige zu machen, damit die-

Neuntes Buch.
nur die Sperre als wirkſam betrachten will, die allen Verkehr abſolut zu hin-
dern vermag, und jede Blocade als unwirkſam erklärt, wenn es auch nur Einem
Schiffe gelingt, unbemerkt und unaufgehalten hindurchzukommen. Das heißt von
der ſperrenden Kriegsgewalt Unmögliches verlangen. Eine andere ebenfalls ex-
treme Meinung begeht den entgegenſetzten Fehler, indem ſie die Wirkſamkeit des
Blocus zu leicht nimmt und ſchon eine gelegentliche Behinderung einzelner
Schiffe durch ein Kreuzerſchiff der Kriegsmacht für genügend erachtet. Das aner-
kannte Völkerrecht hält ſich in der Mitte zwiſchen dieſen Extremen. Die Ausnahme
einer glücklichen Ein- oder Ausfahrt trotz der Blocade macht dieſelbe nicht unwirkſam
und die Ausnahme einer unglücklichen Wegnahme eines neutralen Schiffs durch
einen Kreuzer macht dieſelbe nicht wirkſam. Es muß vielmehr nach dem Ausdruck
des Grafen Granville (16. Mai 1861) in Folge der Blocade wirklich ſchwierig
ſein, ungehemmt in den blokirten Hafen ein- oder aus demſelben auszulaufen. Es
muß eine ernſte und nahe Gefahr ſein, durch die Wachſchiffe hindurch zu kommen.
In dem nordamerikaniſchen Bürgerkrieg 1861—65 wurde die effective Blocade in
dieſem Sinne von den Vereinigten Staten gehandhabt und von den Neutralen
anerkannt.

830.

Weder iſt eine fingirte Blocade durch ein bloßes Decret, ohne die
thatſächliche Geltendmachung zuläſſig noch eine Blocade der Seehäfen durch
hin und her fahrende Kreuzer ohne dauernde Kriegsſtation.

Allerdings iſt auch heute noch die Blocade einer Küſte, nicht bloß ein-
zelner Seehäfen
möglich; und inſofern wird jene noch durch Kreuzer gehand-
habt, aber doch nur in Verbindung mit einer feſten Schiffsſtation, welche
regelmäßige Wache hält. Die bewaffnete Neutralität von 1780 hatte den Grundſatz
ſo ausgedrückt: „on accorde cette détermination (d’un port bloqué) qu’ à
celui où il y a, par la disposition de la puissance qui l’attaque avec des
vaisseaux arrêtés et suffisamment proches
un danger évident
d’entrer.
In dem Neutralitätsvertrag zwiſchen Rußland und England vom Jahr
1801 wurde dann dieſe Beſtimmung durch die nur ſcheinbar unerhebliche Wandlung
des Wörtchens et in das bedenkliche ou ſehr abgeſchwächt, und dem Mißbrauch
einer Blocade durch bloße Kreuzer wieder eine Thüre eröffnet. Vgl. Geßner
a. a. O. S. 167.

831.

Der Kriegsſtat iſt verpflichtet, die Blocade öffentlich und allgemein
zu erklären und davon auch ſoweit ſein regelmäßiger diplomatiſcher Verkehr
reicht, den neutralen Staten ſofort davon Anzeige zu machen, damit die-

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[450/0472] Neuntes Buch. nur die Sperre als wirkſam betrachten will, die allen Verkehr abſolut zu hin- dern vermag, und jede Blocade als unwirkſam erklärt, wenn es auch nur Einem Schiffe gelingt, unbemerkt und unaufgehalten hindurchzukommen. Das heißt von der ſperrenden Kriegsgewalt Unmögliches verlangen. Eine andere ebenfalls ex- treme Meinung begeht den entgegenſetzten Fehler, indem ſie die Wirkſamkeit des Blocus zu leicht nimmt und ſchon eine gelegentliche Behinderung einzelner Schiffe durch ein Kreuzerſchiff der Kriegsmacht für genügend erachtet. Das aner- kannte Völkerrecht hält ſich in der Mitte zwiſchen dieſen Extremen. Die Ausnahme einer glücklichen Ein- oder Ausfahrt trotz der Blocade macht dieſelbe nicht unwirkſam und die Ausnahme einer unglücklichen Wegnahme eines neutralen Schiffs durch einen Kreuzer macht dieſelbe nicht wirkſam. Es muß vielmehr nach dem Ausdruck des Grafen Granville (16. Mai 1861) in Folge der Blocade wirklich ſchwierig ſein, ungehemmt in den blokirten Hafen ein- oder aus demſelben auszulaufen. Es muß eine ernſte und nahe Gefahr ſein, durch die Wachſchiffe hindurch zu kommen. In dem nordamerikaniſchen Bürgerkrieg 1861—65 wurde die effective Blocade in dieſem Sinne von den Vereinigten Staten gehandhabt und von den Neutralen anerkannt. 830. Weder iſt eine fingirte Blocade durch ein bloßes Decret, ohne die thatſächliche Geltendmachung zuläſſig noch eine Blocade der Seehäfen durch hin und her fahrende Kreuzer ohne dauernde Kriegsſtation. Allerdings iſt auch heute noch die Blocade einer Küſte, nicht bloß ein- zelner Seehäfen möglich; und inſofern wird jene noch durch Kreuzer gehand- habt, aber doch nur in Verbindung mit einer feſten Schiffsſtation, welche regelmäßige Wache hält. Die bewaffnete Neutralität von 1780 hatte den Grundſatz ſo ausgedrückt: „on accorde cette détermination (d’un port bloqué) qu’ à celui où il y a, par la disposition de la puissance qui l’attaque avec des vaisseaux arrêtés et suffisamment proches un danger évident d’entrer. In dem Neutralitätsvertrag zwiſchen Rußland und England vom Jahr 1801 wurde dann dieſe Beſtimmung durch die nur ſcheinbar unerhebliche Wandlung des Wörtchens et in das bedenkliche ou ſehr abgeſchwächt, und dem Mißbrauch einer Blocade durch bloße Kreuzer wieder eine Thüre eröffnet. Vgl. Geßner a. a. O. S. 167. 831. Der Kriegsſtat iſt verpflichtet, die Blocade öffentlich und allgemein zu erklären und davon auch ſoweit ſein regelmäßiger diplomatiſcher Verkehr reicht, den neutralen Staten ſofort davon Anzeige zu machen, damit die-

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/472>, abgerufen am 22.12.2024.