tender) können sich dem Schicksal, das ihren Truppenkörper betrifft, nicht entziehen und sind auch den allgemeinen Gefahren des Kampfes der Heere ausgesetzt, aber sie werden nur ausnahmsweise, vorzüglich aus Mißver- ständniß und Nothwehr, in den Einzelkampf verwickelt.
Die Schlacht richtet sich zunächst nicht gegen einzelne Individuen, sondern gegen einen Heereskörper, dessen Widerstand überwunden werden soll. Insofern erscheint es nicht Absicht, sondern Zufall, daß einer von den feindlichen Kugeln getroffen werde; und es daher auch nicht möglich, die sogenannten Nicht- kämpfer (non combattans) vor dieser allgemeinen Gefahr zu bewahren, insofern sie sich innerhalb des Schußbereichs und unter den Kämpfern (combattans) be- finden. Die Gefahren des Einzelkampfes dagegen von Mann gegen Mann sind möglichst auf die letztere Classe einzuschränken, welche den Widerstand allein gewaltsam aufrecht halten und daher überwunden werden muß. Die erstere Classe von Per- sonen übt auch im Feld einen friedlichen Beruf aus und nimmt an dem per- sönlichen Kampf keinen Theil. Es ist daher gegen die gute Kriegssitte, diese Per- sonen einzeln anzugreifen und zu verwunden oder zu tödten. Indessen nicht immer wird im Gedränge der Schlacht und bei Verfolgungen richtig unterschieden und Maß gehalten. Dann ist es selbstverständlich auch dem Nichtkämpfer erlaubt, sich zu vertheidigen. Dadurch kann auch er ausnahmsweise in den Einzelkampf hinein- gezogen und vielleicht sogar getödtet werden, vielleicht den Gegner tödten.
579.
Der civilisirte Krieg darf nicht mehr auf wechselseitige Schädigung und Tödtung gerichtet sein, sondern nur auf ein gerechtes Friedensziel.
Jede unnöthige Tödtung selbst der bewaffneten Feinde ist Unrecht.
Vgl. oben § 533. 568. 585. Am. 68. Früher faßte man den Krieg noch so auf, als gelte es nun, dem Feinde möglichst viel Schaden zuzufügen. Die Schädigung des Feindes kann aber nicht Zweck des Krieges sein, wenn gleich sie oft eine Folge des Krieges ist, denn der Krieg ist ein Rechtsmittel und sein Ziel muß daher ein neuer Friedens- und Rechtszustand sein. Die Schädigung anderer Menschen ist aber niemals eine Aufgabe der Rechtsordnung. Jene ältere Vorstellung war also noch barbarisch. Das Christenthum, welches die Feinde als Brüder lieben lehrt, und das Menschenrecht, welches die Existenz der Menschen neben einander und ihre Wohlfahrt sichern will, verwerfen dieselbe gleichmäßig. Die Tödtung auch be- waffneter Feinde aus bloßem Muthwillen oder aus Haß und Rache ist widerrechtlich. Auch die feindlichen Soldaten dürfen nicht wie wilde Thiere dem Schusse der Jäger preisgegeben werden. Das Menschenleben darf nur aus höherer Nothwendigkeit, nicht aus Leidenschaft und zur Lust angegriffen werden.
21*
Das Kriegsrecht.
tender) können ſich dem Schickſal, das ihren Truppenkörper betrifft, nicht entziehen und ſind auch den allgemeinen Gefahren des Kampfes der Heere ausgeſetzt, aber ſie werden nur ausnahmsweiſe, vorzüglich aus Mißver- ſtändniß und Nothwehr, in den Einzelkampf verwickelt.
Die Schlacht richtet ſich zunächſt nicht gegen einzelne Individuen, ſondern gegen einen Heereskörper, deſſen Widerſtand überwunden werden ſoll. Inſofern erſcheint es nicht Abſicht, ſondern Zufall, daß einer von den feindlichen Kugeln getroffen werde; und es daher auch nicht möglich, die ſogenannten Nicht- kämpfer (non combattans) vor dieſer allgemeinen Gefahr zu bewahren, inſofern ſie ſich innerhalb des Schußbereichs und unter den Kämpfern (combattans) be- finden. Die Gefahren des Einzelkampfes dagegen von Mann gegen Mann ſind möglichſt auf die letztere Claſſe einzuſchränken, welche den Widerſtand allein gewaltſam aufrecht halten und daher überwunden werden muß. Die erſtere Claſſe von Per- ſonen übt auch im Feld einen friedlichen Beruf aus und nimmt an dem per- ſönlichen Kampf keinen Theil. Es iſt daher gegen die gute Kriegsſitte, dieſe Per- ſonen einzeln anzugreifen und zu verwunden oder zu tödten. Indeſſen nicht immer wird im Gedränge der Schlacht und bei Verfolgungen richtig unterſchieden und Maß gehalten. Dann iſt es ſelbſtverſtändlich auch dem Nichtkämpfer erlaubt, ſich zu vertheidigen. Dadurch kann auch er ausnahmsweiſe in den Einzelkampf hinein- gezogen und vielleicht ſogar getödtet werden, vielleicht den Gegner tödten.
579.
Der civiliſirte Krieg darf nicht mehr auf wechſelſeitige Schädigung und Tödtung gerichtet ſein, ſondern nur auf ein gerechtes Friedensziel.
Jede unnöthige Tödtung ſelbſt der bewaffneten Feinde iſt Unrecht.
Vgl. oben § 533. 568. 585. Am. 68. Früher faßte man den Krieg noch ſo auf, als gelte es nun, dem Feinde möglichſt viel Schaden zuzufügen. Die Schädigung des Feindes kann aber nicht Zweck des Krieges ſein, wenn gleich ſie oft eine Folge des Krieges iſt, denn der Krieg iſt ein Rechtsmittel und ſein Ziel muß daher ein neuer Friedens- und Rechtszuſtand ſein. Die Schädigung anderer Menſchen iſt aber niemals eine Aufgabe der Rechtsordnung. Jene ältere Vorſtellung war alſo noch barbariſch. Das Chriſtenthum, welches die Feinde als Brüder lieben lehrt, und das Menſchenrecht, welches die Exiſtenz der Menſchen neben einander und ihre Wohlfahrt ſichern will, verwerfen dieſelbe gleichmäßig. Die Tödtung auch be- waffneter Feinde aus bloßem Muthwillen oder aus Haß und Rache iſt widerrechtlich. Auch die feindlichen Soldaten dürfen nicht wie wilde Thiere dem Schuſſe der Jäger preisgegeben werden. Das Menſchenleben darf nur aus höherer Nothwendigkeit, nicht aus Leidenſchaft und zur Luſt angegriffen werden.
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Das Kriegsrecht.
tender) können ſich dem Schickſal, das ihren Truppenkörper betrifft, nicht
entziehen und ſind auch den allgemeinen Gefahren des Kampfes der Heere
ausgeſetzt, aber ſie werden nur ausnahmsweiſe, vorzüglich aus Mißver-
ſtändniß und Nothwehr, in den Einzelkampf verwickelt.
Die Schlacht richtet ſich zunächſt nicht gegen einzelne Individuen,
ſondern gegen einen Heereskörper, deſſen Widerſtand überwunden werden ſoll.
Inſofern erſcheint es nicht Abſicht, ſondern Zufall, daß einer von den feindlichen
Kugeln getroffen werde; und es daher auch nicht möglich, die ſogenannten Nicht-
kämpfer (non combattans) vor dieſer allgemeinen Gefahr zu bewahren, inſofern
ſie ſich innerhalb des Schußbereichs und unter den Kämpfern (combattans) be-
finden. Die Gefahren des Einzelkampfes dagegen von Mann gegen Mann ſind
möglichſt auf die letztere Claſſe einzuſchränken, welche den Widerſtand allein gewaltſam
aufrecht halten und daher überwunden werden muß. Die erſtere Claſſe von Per-
ſonen übt auch im Feld einen friedlichen Beruf aus und nimmt an dem per-
ſönlichen Kampf keinen Theil. Es iſt daher gegen die gute Kriegsſitte, dieſe Per-
ſonen einzeln anzugreifen und zu verwunden oder zu tödten. Indeſſen nicht immer
wird im Gedränge der Schlacht und bei Verfolgungen richtig unterſchieden und
Maß gehalten. Dann iſt es ſelbſtverſtändlich auch dem Nichtkämpfer erlaubt, ſich
zu vertheidigen. Dadurch kann auch er ausnahmsweiſe in den Einzelkampf hinein-
gezogen und vielleicht ſogar getödtet werden, vielleicht den Gegner tödten.
579.
Der civiliſirte Krieg darf nicht mehr auf wechſelſeitige Schädigung
und Tödtung gerichtet ſein, ſondern nur auf ein gerechtes Friedensziel.
Jede unnöthige Tödtung ſelbſt der bewaffneten Feinde iſt Unrecht.
Vgl. oben § 533. 568. 585. Am. 68. Früher faßte man den Krieg noch
ſo auf, als gelte es nun, dem Feinde möglichſt viel Schaden zuzufügen. Die
Schädigung des Feindes kann aber nicht Zweck des Krieges ſein, wenn gleich ſie
oft eine Folge des Krieges iſt, denn der Krieg iſt ein Rechtsmittel und ſein Ziel
muß daher ein neuer Friedens- und Rechtszuſtand ſein. Die Schädigung anderer
Menſchen iſt aber niemals eine Aufgabe der Rechtsordnung. Jene ältere Vorſtellung
war alſo noch barbariſch. Das Chriſtenthum, welches die Feinde als Brüder lieben
lehrt, und das Menſchenrecht, welches die Exiſtenz der Menſchen neben einander und
ihre Wohlfahrt ſichern will, verwerfen dieſelbe gleichmäßig. Die Tödtung auch be-
waffneter Feinde aus bloßem Muthwillen oder aus Haß und Rache iſt widerrechtlich.
Auch die feindlichen Soldaten dürfen nicht wie wilde Thiere dem Schuſſe der Jäger
preisgegeben werden. Das Menſchenleben darf nur aus höherer Nothwendigkeit,
nicht aus Leidenſchaft und zur Luſt angegriffen werden.
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/345>, abgerufen am 23.11.2024.
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