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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herstellung desselben.
kunft der Parteien gemeinsam bezeichnet, oder von den beiden Parteien je zur Hälfte
freigewählt sein. Aber da die Parteien durch die Verfassung verpflichtet sind, ihren
Streit an das Schiedsgericht zu bringen, so wählen sie diese Austräge im Gedanken
an jene Rechtsnothwendigkeit und nicht aus völlig freier Willkür. Zur Wahl
überhaupt sind sie verpflichtet, nur die Personen können sie frei wählen. Es ist aber
ebenso möglich, daß die Verfassung auch die Art der Wahl näher begrenzt, z. B.
aus einem bestimmten Gerichtshof, aus einer zum voraus festgestellten Liste von
geeigneten Personen, oder geradezu einer bestimmten Behörde den Vorschlag der
Schiedsrichter oder die Ernennung des Obmanns anheimgibt, z. B. einem bestimm-
ten Gerichtshof oder der Bundes- oder Reichsregierung oder Repräsentation u. dgl.
Es ist das dann ein Bestandtheil des Bundes- oder Reichsstatsrechts, aber von zwi-
schenstatlicher
und insofern völkerrechtlicher Bedeutung. Vgl. darüber
Aegidi Artikel Austräge in Bluntschli und Brater Deutschem Stats-
wörterbuch.

497.

Durch Statenverträge können ebenso für vorgesehene Streitigkeiten,
welche unter den von einander unabhängigen Staten entstehen würden,
zum voraus nähere Vorschriften über ein schiedsrichterliches Verfahren fest-
gesetzt und das Schiedsgericht mit einer wirklichen Gerichtsbarkeit aus-
gerüstet werden.

Beispiele der Art waren schon im Mittelalter sehr häufig. Sie kommen auch
in neuerer Zeit vor, z. B. bei Handelsverträgen. Durch solche Anordnung wird
passend für eine friedliche Erörterung und Bereinigung von Streitigkeiten gesorgt,
für die es keine ordentlichen Gerichte gibt.

498.

Der Fortbildung eines gesicherten Völkerrechts bleibt es vorbehalten,
auch durch völkerrechtliche Vereinbarungen überhaupt für ein geordnetes
schiedsrichterliches Verfahren zu sorgen, insbesondere bei Streitigkeiten über
Entschädigungsforderungen, ceremonielle Ansprüche und andere Dinge,
welche nicht die Existenz und Entwicklung des States selbst betreffen.

Die Bestimmung des Pariser Congresses von 1856, daß vor Beginn des
Kriegs die guten Dienste einer befreundeten Macht angerufen werden möchten (oben
§ 484), kann als ein erster Versuch betrachtet werden, die friedliche Erledigung der
völkerrechtlichen Streitigkeiten zu begünstigen. Die Zukunft wird in derselben Rich-
tung hoffentlich noch entschiedenere Fortschritte machen. Bei einer Menge von Strei-
tigkeiten ist es für Jedermann klar, daß der Krieg ein ganz unverhältnißmäßi-
ges
Mittel ist, sich Recht zu verschaffen. Ein Stat, der um eine bloße Geldfor-

Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben.
kunft der Parteien gemeinſam bezeichnet, oder von den beiden Parteien je zur Hälfte
freigewählt ſein. Aber da die Parteien durch die Verfaſſung verpflichtet ſind, ihren
Streit an das Schiedsgericht zu bringen, ſo wählen ſie dieſe Austräge im Gedanken
an jene Rechtsnothwendigkeit und nicht aus völlig freier Willkür. Zur Wahl
überhaupt ſind ſie verpflichtet, nur die Perſonen können ſie frei wählen. Es iſt aber
ebenſo möglich, daß die Verfaſſung auch die Art der Wahl näher begrenzt, z. B.
aus einem beſtimmten Gerichtshof, aus einer zum voraus feſtgeſtellten Liſte von
geeigneten Perſonen, oder geradezu einer beſtimmten Behörde den Vorſchlag der
Schiedsrichter oder die Ernennung des Obmanns anheimgibt, z. B. einem beſtimm-
ten Gerichtshof oder der Bundes- oder Reichsregierung oder Repräſentation u. dgl.
Es iſt das dann ein Beſtandtheil des Bundes- oder Reichsſtatsrechts, aber von zwi-
ſchenſtatlicher
und inſofern völkerrechtlicher Bedeutung. Vgl. darüber
Aegidi Artikel Austräge in Bluntſchli und Brater Deutſchem Stats-
wörterbuch.

497.

Durch Statenverträge können ebenſo für vorgeſehene Streitigkeiten,
welche unter den von einander unabhängigen Staten entſtehen würden,
zum voraus nähere Vorſchriften über ein ſchiedsrichterliches Verfahren feſt-
geſetzt und das Schiedsgericht mit einer wirklichen Gerichtsbarkeit aus-
gerüſtet werden.

Beiſpiele der Art waren ſchon im Mittelalter ſehr häufig. Sie kommen auch
in neuerer Zeit vor, z. B. bei Handelsverträgen. Durch ſolche Anordnung wird
paſſend für eine friedliche Erörterung und Bereinigung von Streitigkeiten geſorgt,
für die es keine ordentlichen Gerichte gibt.

498.

Der Fortbildung eines geſicherten Völkerrechts bleibt es vorbehalten,
auch durch völkerrechtliche Vereinbarungen überhaupt für ein geordnetes
ſchiedsrichterliches Verfahren zu ſorgen, insbeſondere bei Streitigkeiten über
Entſchädigungsforderungen, ceremonielle Anſprüche und andere Dinge,
welche nicht die Exiſtenz und Entwicklung des States ſelbſt betreffen.

Die Beſtimmung des Pariſer Congreſſes von 1856, daß vor Beginn des
Kriegs die guten Dienſte einer befreundeten Macht angerufen werden möchten (oben
§ 484), kann als ein erſter Verſuch betrachtet werden, die friedliche Erledigung der
völkerrechtlichen Streitigkeiten zu begünſtigen. Die Zukunft wird in derſelben Rich-
tung hoffentlich noch entſchiedenere Fortſchritte machen. Bei einer Menge von Strei-
tigkeiten iſt es für Jedermann klar, daß der Krieg ein ganz unverhältnißmäßi-
ges
Mittel iſt, ſich Recht zu verſchaffen. Ein Stat, der um eine bloße Geldfor-

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[277/0299] Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben. kunft der Parteien gemeinſam bezeichnet, oder von den beiden Parteien je zur Hälfte freigewählt ſein. Aber da die Parteien durch die Verfaſſung verpflichtet ſind, ihren Streit an das Schiedsgericht zu bringen, ſo wählen ſie dieſe Austräge im Gedanken an jene Rechtsnothwendigkeit und nicht aus völlig freier Willkür. Zur Wahl überhaupt ſind ſie verpflichtet, nur die Perſonen können ſie frei wählen. Es iſt aber ebenſo möglich, daß die Verfaſſung auch die Art der Wahl näher begrenzt, z. B. aus einem beſtimmten Gerichtshof, aus einer zum voraus feſtgeſtellten Liſte von geeigneten Perſonen, oder geradezu einer beſtimmten Behörde den Vorſchlag der Schiedsrichter oder die Ernennung des Obmanns anheimgibt, z. B. einem beſtimm- ten Gerichtshof oder der Bundes- oder Reichsregierung oder Repräſentation u. dgl. Es iſt das dann ein Beſtandtheil des Bundes- oder Reichsſtatsrechts, aber von zwi- ſchenſtatlicher und inſofern völkerrechtlicher Bedeutung. Vgl. darüber Aegidi Artikel Austräge in Bluntſchli und Brater Deutſchem Stats- wörterbuch. 497. Durch Statenverträge können ebenſo für vorgeſehene Streitigkeiten, welche unter den von einander unabhängigen Staten entſtehen würden, zum voraus nähere Vorſchriften über ein ſchiedsrichterliches Verfahren feſt- geſetzt und das Schiedsgericht mit einer wirklichen Gerichtsbarkeit aus- gerüſtet werden. Beiſpiele der Art waren ſchon im Mittelalter ſehr häufig. Sie kommen auch in neuerer Zeit vor, z. B. bei Handelsverträgen. Durch ſolche Anordnung wird paſſend für eine friedliche Erörterung und Bereinigung von Streitigkeiten geſorgt, für die es keine ordentlichen Gerichte gibt. 498. Der Fortbildung eines geſicherten Völkerrechts bleibt es vorbehalten, auch durch völkerrechtliche Vereinbarungen überhaupt für ein geordnetes ſchiedsrichterliches Verfahren zu ſorgen, insbeſondere bei Streitigkeiten über Entſchädigungsforderungen, ceremonielle Anſprüche und andere Dinge, welche nicht die Exiſtenz und Entwicklung des States ſelbſt betreffen. Die Beſtimmung des Pariſer Congreſſes von 1856, daß vor Beginn des Kriegs die guten Dienſte einer befreundeten Macht angerufen werden möchten (oben § 484), kann als ein erſter Verſuch betrachtet werden, die friedliche Erledigung der völkerrechtlichen Streitigkeiten zu begünſtigen. Die Zukunft wird in derſelben Rich- tung hoffentlich noch entſchiedenere Fortſchritte machen. Bei einer Menge von Strei- tigkeiten iſt es für Jedermann klar, daß der Krieg ein ganz unverhältnißmäßi- ges Mittel iſt, ſich Recht zu verſchaffen. Ein Stat, der um eine bloße Geldfor-

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/299>, abgerufen am 24.11.2024.