States nicht mißachtet. In diesem Sinne hat England zuweilen in Portugal und haben die Schutzmächte Griechenlands in den Hellenischen Angelegenheiten in- tervenirt.
476.
Wird die Intervention einer fremden Macht von der bedrohten Statsregierung angerufen, so hängt die Rechtmäßigkeit dieses Begehrens davon ab, daß die Statsregierung noch als vollberechtigtes Organ des Statswillens und als wirklicher Repräsentant des States zu betrachten ist.
Ist die Regierung bereits ohnmächtig geworden im Lande, und läßt sich ihre gelähmte Macht nicht durch die eigenen Volkskräfte wiederherstellen, so ist dieselbe auch nicht mehr für ermächtigt zu halten, die bewaffnete Intervention eines andern States herbeizuziehn und dadurch die Selbständigkeit des Stats und die Freiheit der Bürger der Heeresgewalt einer fremden Macht Preis zu geben. Vgl. darüber die Thronrede der König in von England vom 24. Jan. 1860 und oben § 116 f. Ein aus dem Besitz vertriebener Fürst ist jedenfalls nicht mehr zu solcher Stats- repräsentation legitimirt und daher sein Interventionsgesuch nicht als Statsact zu betrachten.
477.
Noch weniger ist eine Oppositions- oder eine aufständische Partei als ermächtigt anzusehen, die gewaltsame Intervention einer fremden Macht Namens ihres States anzurufen.
Sind die beiden streitenden Parteien darin einig, die Intervention einer befreundeten Macht als Vermittler zu begehren oder gut zu heißen, dann freilich ist das als Meinung des ganzen States anzusehen, und die Intervention gerecht- fertigt. Aber die Oppositionspartei für sich allein repräsentirt niemals den Stat und kann daher auch nicht einen so schweren Eingriff von außen in die innern Statsangelegenheiten rechtfertigen.
478.
Werden in Folge der Verfassungskämpfe das allgemein als noth- wendig anerkannte Menschenrecht oder das Völkerrecht verletzt, dann wird auch eine Intervention zum Schutze desselben aus denselben Gründen ge- rechtfertigt, wie das Einschreiten des civilisirten Staten überhaupt bei gemeingefährlichen Rechtsverletzungen.
Siebentes Buch.
States nicht mißachtet. In dieſem Sinne hat England zuweilen in Portugal und haben die Schutzmächte Griechenlands in den Helleniſchen Angelegenheiten in- tervenirt.
476.
Wird die Intervention einer fremden Macht von der bedrohten Statsregierung angerufen, ſo hängt die Rechtmäßigkeit dieſes Begehrens davon ab, daß die Statsregierung noch als vollberechtigtes Organ des Statswillens und als wirklicher Repräſentant des States zu betrachten iſt.
Iſt die Regierung bereits ohnmächtig geworden im Lande, und läßt ſich ihre gelähmte Macht nicht durch die eigenen Volkskräfte wiederherſtellen, ſo iſt dieſelbe auch nicht mehr für ermächtigt zu halten, die bewaffnete Intervention eines andern States herbeizuziehn und dadurch die Selbſtändigkeit des Stats und die Freiheit der Bürger der Heeresgewalt einer fremden Macht Preis zu geben. Vgl. darüber die Thronrede der König in von England vom 24. Jan. 1860 und oben § 116 f. Ein aus dem Beſitz vertriebener Fürſt iſt jedenfalls nicht mehr zu ſolcher Stats- repräſentation legitimirt und daher ſein Interventionsgeſuch nicht als Statsact zu betrachten.
477.
Noch weniger iſt eine Oppoſitions- oder eine aufſtändiſche Partei als ermächtigt anzuſehen, die gewaltſame Intervention einer fremden Macht Namens ihres States anzurufen.
Sind die beiden ſtreitenden Parteien darin einig, die Intervention einer befreundeten Macht als Vermittler zu begehren oder gut zu heißen, dann freilich iſt das als Meinung des ganzen States anzuſehen, und die Intervention gerecht- fertigt. Aber die Oppoſitionspartei für ſich allein repräſentirt niemals den Stat und kann daher auch nicht einen ſo ſchweren Eingriff von außen in die innern Statsangelegenheiten rechtfertigen.
478.
Werden in Folge der Verfaſſungskämpfe das allgemein als noth- wendig anerkannte Menſchenrecht oder das Völkerrecht verletzt, dann wird auch eine Intervention zum Schutze desſelben aus denſelben Gründen ge- rechtfertigt, wie das Einſchreiten des civiliſirten Staten überhaupt bei gemeingefährlichen Rechtsverletzungen.
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Siebentes Buch.
States nicht mißachtet. In dieſem Sinne hat England zuweilen in Portugal
und haben die Schutzmächte Griechenlands in den Helleniſchen Angelegenheiten in-
tervenirt.
476.
Wird die Intervention einer fremden Macht von der bedrohten
Statsregierung angerufen, ſo hängt die Rechtmäßigkeit dieſes Begehrens
davon ab, daß die Statsregierung noch als vollberechtigtes Organ des
Statswillens und als wirklicher Repräſentant des States zu betrachten iſt.
Iſt die Regierung bereits ohnmächtig geworden im Lande, und läßt ſich ihre
gelähmte Macht nicht durch die eigenen Volkskräfte wiederherſtellen, ſo iſt dieſelbe
auch nicht mehr für ermächtigt zu halten, die bewaffnete Intervention eines andern
States herbeizuziehn und dadurch die Selbſtändigkeit des Stats und die Freiheit der
Bürger der Heeresgewalt einer fremden Macht Preis zu geben. Vgl. darüber die
Thronrede der König in von England vom 24. Jan. 1860 und oben § 116 f.
Ein aus dem Beſitz vertriebener Fürſt iſt jedenfalls nicht mehr zu ſolcher Stats-
repräſentation legitimirt und daher ſein Interventionsgeſuch nicht als
Statsact zu betrachten.
477.
Noch weniger iſt eine Oppoſitions- oder eine aufſtändiſche Partei als
ermächtigt anzuſehen, die gewaltſame Intervention einer fremden Macht
Namens ihres States anzurufen.
Sind die beiden ſtreitenden Parteien darin einig, die Intervention einer
befreundeten Macht als Vermittler zu begehren oder gut zu heißen, dann freilich iſt
das als Meinung des ganzen States anzuſehen, und die Intervention gerecht-
fertigt. Aber die Oppoſitionspartei für ſich allein repräſentirt niemals den
Stat und kann daher auch nicht einen ſo ſchweren Eingriff von außen in die innern
Statsangelegenheiten rechtfertigen.
478.
Werden in Folge der Verfaſſungskämpfe das allgemein als noth-
wendig anerkannte Menſchenrecht oder das Völkerrecht verletzt, dann wird
auch eine Intervention zum Schutze desſelben aus denſelben Gründen ge-
rechtfertigt, wie das Einſchreiten des civiliſirten Staten überhaupt bei
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/290>, abgerufen am 21.11.2024.
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