Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herstellung desselben. ist und doch überall hervortritt und sich bemerkbar macht, ein Unterschied eher desGrades, als der Art. Der gewaltsame Friedensbruch ist um seiner Form willen gefährlicher als anderer Rechtsbruch und verlangt daher auch eine energischere Gegen- wirkung. Der Satz des Strafrechts, daß ideale Personen (Körperschaften, universi- tates) nicht gestraft werden können, findet im Völkerrecht keine Anerkennung. Ein Stat, der einen Friedensbruch verübt, kann dadurch seine Existenz in Gefahr bringen und durch den Krieg, den er hervorruft, verschlungen werden. Das aber ist die Strafe des Völkergerichts, das in der Weltgeschichte seine Macht kund gibt. 466. Wird die Verletzung ohne Ermächtigung oder Auftrag der Stats- Es wäre offenbar ungerecht, die Missethat des Einzelnen, welche der Das Alterthum ging darin weiter als das heutige Völkerrecht, daß jenes die 467. Wenn sich die Rechtspflege eines States unzureichend erweist, um Die Bestrafung eines Vergehens oder Verbrechens geschieht im einzelnen Fall Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben. iſt und doch überall hervortritt und ſich bemerkbar macht, ein Unterſchied eher desGrades, als der Art. Der gewaltſame Friedensbruch iſt um ſeiner Form willen gefährlicher als anderer Rechtsbruch und verlangt daher auch eine energiſchere Gegen- wirkung. Der Satz des Strafrechts, daß ideale Perſonen (Körperſchaften, universi- tates) nicht geſtraft werden können, findet im Völkerrecht keine Anerkennung. Ein Stat, der einen Friedensbruch verübt, kann dadurch ſeine Exiſtenz in Gefahr bringen und durch den Krieg, den er hervorruft, verſchlungen werden. Das aber iſt die Strafe des Völkergerichts, das in der Weltgeſchichte ſeine Macht kund gibt. 466. Wird die Verletzung ohne Ermächtigung oder Auftrag der Stats- Es wäre offenbar ungerecht, die Miſſethat des Einzelnen, welche der Das Alterthum ging darin weiter als das heutige Völkerrecht, daß jenes die 467. Wenn ſich die Rechtspflege eines States unzureichend erweist, um Die Beſtrafung eines Vergehens oder Verbrechens geſchieht im einzelnen Fall <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0283" n="261"/><fw place="top" type="header">Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben.</fw><lb/> iſt und doch überall hervortritt und ſich bemerkbar macht, ein Unterſchied eher des<lb/> Grades, als der Art. Der gewaltſame Friedensbruch iſt um ſeiner Form willen<lb/> gefährlicher als anderer Rechtsbruch und verlangt daher auch eine energiſchere Gegen-<lb/> wirkung. 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Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben.
iſt und doch überall hervortritt und ſich bemerkbar macht, ein Unterſchied eher des
Grades, als der Art. Der gewaltſame Friedensbruch iſt um ſeiner Form willen
gefährlicher als anderer Rechtsbruch und verlangt daher auch eine energiſchere Gegen-
wirkung. Der Satz des Strafrechts, daß ideale Perſonen (Körperſchaften, universi-
tates) nicht geſtraft werden können, findet im Völkerrecht keine Anerkennung. Ein
Stat, der einen Friedensbruch verübt, kann dadurch ſeine Exiſtenz in Gefahr bringen
und durch den Krieg, den er hervorruft, verſchlungen werden. Das aber iſt die
Strafe des Völkergerichts, das in der Weltgeſchichte ſeine Macht kund gibt.
466.
Wird die Verletzung ohne Ermächtigung oder Auftrag der Stats-
gewalt von Statsbeamten oder Privatperſonen verübt, ſo kann der verletzte
Stat nur fordern, daß der Stat, dem dieſe Perſonen angehören, ſie dafür
zur Rechenſchaft ziehe, und für Abſtellung des Unrechts, beziehungsweiſe
Beſtrafung der Schuldigen ſorge.
Es wäre offenbar ungerecht, die Miſſethat des Einzelnen, welche der
Stat weder veranlaßt noch erlaubt, dem nichtſchuldigen State als Schuld
anzurechnen. Aber dieſer Stat iſt doch verpflichtet, inſofern für ſeine Angehörigen
einzuſtehen, als er zu ſorgen hat, daß die völkerrechtlichen Beziehungen zu andern
Staten nicht durch ſeine Angehörigen mißachtet und verletzt werden. Er darf das
Unrecht auch nicht durch ſein Nichtsthun ſchützen und begünſtigen. Jede Conni-
venz, welche er in dieſer Hinſicht übt, wird ihm ſelber zum Vorwurf und macht
ihn verantwortlich.
Das Alterthum ging darin weiter als das heutige Völkerrecht, daß jenes die
Forderung der Auslieferung ſchuldiger Perſonen an den verletzten Stat
gut hieß, damit dieſer dieſelben beſtrafe, während dieſes keine ſolche Pflicht der
Auslieferung mehr anerkennt. Wohl aber kann auch heute noch ein Stat ſich von
aller weiteren Verantwortlichkeit für die Vergehen ſeiner Angehörigen dadurch ent-
laſten, daß er die Schuldigen freiwillig dem verletzten State zur Beſtrafung
übergibt.
467.
Wenn ſich die Rechtspflege eines States unzureichend erweist, um
andere Staten gegen Verletzungen des Völkerrechts wirkſam zu ſchützen,
ſo wird der Stat ſelber dem verletzten State verantwortlich.
Die Beſtrafung eines Vergehens oder Verbrechens geſchieht im einzelnen Fall
nach Vorſchrift der im Lande geltenden Strafgeſetzgebung und Straf-
proceßordnung. Die repräſentative Statsgewalt darf ſich in der Regel in die
Verwaltung der Strafrechtspflege nicht einmiſchen. Daher wird, wenn nicht für
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