Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.
für diesen Lohn zu sorgen, der aus dem geretteten Gut zu bezahlen ist, als Alles von dem guten Willen der Betheiligten abhängig zu machen. Die Bestimmungen der englischen Schiffahrtsacte von 1854 finden sich Art. 458 f. Vgl. v. Kaltenborn, Seerecht II. § 147. 148.
337.
Die Uferstaten sind völkerrechtlich verpflichtet, nicht bloß die zur Ret- tung in Seenoth befindlicher Schiffe vorhandenen öffentlichen Anstalten auch im Dienste der gefährdeten fremden Schiffe, ohne Unterschied der Natio- nalität oder Religion zu verwenden und die schiffbrüchigen Personen und Güter möglichst zu schützen und zu bewahren.
In England werden die Beamten, welche den Auftrag haben, die zur Ret- tung und zum Schutze der gefährdeten Schiffe und ihrer Bemannung nöthigen Maß- regeln anzuordnen, receivers genannt. Sie sind berechtigt, die allgemeine Bei- hülfe der Küstenbewohner und der in der Nähe befindlichen Boote aufzurufen. Schiffahrtsacte von 1854 § 439 f.
338.
Jeder Stat ist berechtigt, für die Ausgaben, welche er zur Rettung und zum Unterhalt des Lebens fremder Schiffbrüchiger gemacht hat, nöthi- genfalls von deren Heimatsstate Ersatz zu fordern, wenn dieselben nicht in der Lage sind, diese Kosten selber ohne Verzug zu ersetzen. Vorbehalten bleibt dem Heimatsstate der Regreß auf die betheiligten Privatpersonen. Die allgemeinen Anstalten dagegen für Rettung Schiffbrüchiger, welche der Stat getroffen hat, fallen auf seine Kosten, und es ist dafür der andere Stat nicht zum Ersatze verbunden.
Diese Ersatzforderung des States an den Stat hat ihren Grund in der sub- sidiären Pflicht des States, das Leben seiner Angehörigen im Nothfall zu schützen, einer Pflicht, welche freilich noch immer nicht in dem Umfang anerkannt ist, wie sie es verdiente. Indem der eine Stat für die Fremden in ihrer Noth sorgt, leistet er daher auch dem Heimatsstate derselben einen Dienst und leistet das, was dieser nach natürlichem Recht in der Noth seiner Angehörigen für dieselben zu leisten hätte. Wird dieses Recht anerkannt, so wird eher und besser für Hülfe gesorgt, und zugleich das richtige Verhältniß der Küstenländer gegenüber den Binnenländern ge- wahrt. Natürlich ist der Küstenstat nicht genöthigt, jene Forderung geltend zu machen und es sprechen auch manche Gründe der Zweckmäßigkeit, freilich nur unter der Voraussetzung einer hohen Civilisationsstufe dafür, daß ein Küstenstat alle diese im Interesse der Humanität auch für Fremde gemachten Verwendungen auf seine
13*
Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.
für dieſen Lohn zu ſorgen, der aus dem geretteten Gut zu bezahlen iſt, als Alles von dem guten Willen der Betheiligten abhängig zu machen. Die Beſtimmungen der engliſchen Schiffahrtsacte von 1854 finden ſich Art. 458 f. Vgl. v. Kaltenborn, Seerecht II. § 147. 148.
337.
Die Uferſtaten ſind völkerrechtlich verpflichtet, nicht bloß die zur Ret- tung in Seenoth befindlicher Schiffe vorhandenen öffentlichen Anſtalten auch im Dienſte der gefährdeten fremden Schiffe, ohne Unterſchied der Natio- nalität oder Religion zu verwenden und die ſchiffbrüchigen Perſonen und Güter möglichſt zu ſchützen und zu bewahren.
In England werden die Beamten, welche den Auftrag haben, die zur Ret- tung und zum Schutze der gefährdeten Schiffe und ihrer Bemannung nöthigen Maß- regeln anzuordnen, receivers genannt. Sie ſind berechtigt, die allgemeine Bei- hülfe der Küſtenbewohner und der in der Nähe befindlichen Boote aufzurufen. Schiffahrtsacte von 1854 § 439 f.
338.
Jeder Stat iſt berechtigt, für die Ausgaben, welche er zur Rettung und zum Unterhalt des Lebens fremder Schiffbrüchiger gemacht hat, nöthi- genfalls von deren Heimatsſtate Erſatz zu fordern, wenn dieſelben nicht in der Lage ſind, dieſe Koſten ſelber ohne Verzug zu erſetzen. Vorbehalten bleibt dem Heimatsſtate der Regreß auf die betheiligten Privatperſonen. Die allgemeinen Anſtalten dagegen für Rettung Schiffbrüchiger, welche der Stat getroffen hat, fallen auf ſeine Koſten, und es iſt dafür der andere Stat nicht zum Erſatze verbunden.
Dieſe Erſatzforderung des States an den Stat hat ihren Grund in der ſub- ſidiären Pflicht des States, das Leben ſeiner Angehörigen im Nothfall zu ſchützen, einer Pflicht, welche freilich noch immer nicht in dem Umfang anerkannt iſt, wie ſie es verdiente. Indem der eine Stat für die Fremden in ihrer Noth ſorgt, leiſtet er daher auch dem Heimatsſtate derſelben einen Dienſt und leiſtet das, was dieſer nach natürlichem Recht in der Noth ſeiner Angehörigen für dieſelben zu leiſten hätte. Wird dieſes Recht anerkannt, ſo wird eher und beſſer für Hülfe geſorgt, und zugleich das richtige Verhältniß der Küſtenländer gegenüber den Binnenländern ge- wahrt. Natürlich iſt der Küſtenſtat nicht genöthigt, jene Forderung geltend zu machen und es ſprechen auch manche Gründe der Zweckmäßigkeit, freilich nur unter der Vorausſetzung einer hohen Civiliſationsſtufe dafür, daß ein Küſtenſtat alle dieſe im Intereſſe der Humanität auch für Fremde gemachten Verwendungen auf ſeine
13*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0217"n="195"/><fwplace="top"type="header">Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.</fw><lb/>
für dieſen Lohn zu ſorgen, der aus dem geretteten Gut zu bezahlen iſt, als Alles<lb/>
von dem guten Willen der Betheiligten abhängig zu machen. Die Beſtimmungen<lb/>
der <hirendition="#g">engliſchen Schiffahrtsacte</hi> von 1854 finden ſich Art. 458 f. Vgl.<lb/>
v. <hirendition="#g">Kaltenborn</hi>, Seerecht <hirendition="#aq">II.</hi> § 147. 148.</p></div><lb/><divn="4"><head>337.</head><lb/><p>Die Uferſtaten ſind völkerrechtlich verpflichtet, nicht bloß die zur Ret-<lb/>
tung in Seenoth befindlicher Schiffe vorhandenen öffentlichen Anſtalten auch<lb/>
im Dienſte der gefährdeten fremden Schiffe, ohne Unterſchied der Natio-<lb/>
nalität oder Religion zu verwenden und die ſchiffbrüchigen Perſonen und<lb/>
Güter möglichſt zu ſchützen und zu bewahren.</p><lb/><p>In England werden die Beamten, welche den Auftrag haben, die zur Ret-<lb/>
tung und zum Schutze der gefährdeten Schiffe und ihrer Bemannung nöthigen Maß-<lb/>
regeln anzuordnen, <hirendition="#g"><hirendition="#aq">receivers</hi></hi> genannt. Sie ſind berechtigt, die allgemeine Bei-<lb/>
hülfe der Küſtenbewohner und der in der Nähe befindlichen Boote aufzurufen.<lb/><hirendition="#g">Schiffahrtsacte</hi> von 1854 § 439 f.</p></div><lb/><divn="4"><head>338.</head><lb/><p>Jeder Stat iſt berechtigt, für die Ausgaben, welche er zur Rettung<lb/>
und zum Unterhalt des Lebens fremder Schiffbrüchiger gemacht hat, nöthi-<lb/>
genfalls von deren Heimatsſtate Erſatz zu fordern, wenn dieſelben nicht in<lb/>
der Lage ſind, dieſe Koſten ſelber ohne Verzug zu erſetzen. Vorbehalten<lb/>
bleibt dem Heimatsſtate der Regreß auf die betheiligten Privatperſonen.<lb/>
Die allgemeinen Anſtalten dagegen für Rettung Schiffbrüchiger, welche der<lb/>
Stat getroffen hat, fallen auf ſeine Koſten, und es iſt dafür der andere<lb/>
Stat nicht zum Erſatze verbunden.</p><lb/><p>Dieſe Erſatzforderung des States an den Stat hat ihren Grund in der <hirendition="#g">ſub-<lb/>ſidiären Pflicht des States</hi>, das Leben ſeiner Angehörigen im Nothfall zu<lb/>ſchützen, einer Pflicht, welche freilich noch immer nicht in dem Umfang anerkannt iſt,<lb/>
wie ſie es verdiente. Indem der eine Stat für die Fremden in ihrer Noth ſorgt,<lb/>
leiſtet er daher auch dem Heimatsſtate derſelben einen Dienſt und leiſtet das, was<lb/>
dieſer nach natürlichem Recht in der Noth ſeiner Angehörigen für dieſelben zu leiſten<lb/>
hätte. Wird dieſes Recht anerkannt, ſo wird eher und beſſer für Hülfe geſorgt, und<lb/>
zugleich das richtige Verhältniß der Küſtenländer gegenüber den Binnenländern ge-<lb/>
wahrt. Natürlich iſt der Küſtenſtat nicht genöthigt, jene Forderung geltend zu machen<lb/>
und es ſprechen auch manche Gründe der Zweckmäßigkeit, freilich nur unter der<lb/>
Vorausſetzung einer hohen Civiliſationsſtufe dafür, daß ein Küſtenſtat alle dieſe im<lb/>
Intereſſe der Humanität auch für Fremde gemachten Verwendungen <hirendition="#g">auf ſeine</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">13*</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[195/0217]
Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.
für dieſen Lohn zu ſorgen, der aus dem geretteten Gut zu bezahlen iſt, als Alles
von dem guten Willen der Betheiligten abhängig zu machen. Die Beſtimmungen
der engliſchen Schiffahrtsacte von 1854 finden ſich Art. 458 f. Vgl.
v. Kaltenborn, Seerecht II. § 147. 148.
337.
Die Uferſtaten ſind völkerrechtlich verpflichtet, nicht bloß die zur Ret-
tung in Seenoth befindlicher Schiffe vorhandenen öffentlichen Anſtalten auch
im Dienſte der gefährdeten fremden Schiffe, ohne Unterſchied der Natio-
nalität oder Religion zu verwenden und die ſchiffbrüchigen Perſonen und
Güter möglichſt zu ſchützen und zu bewahren.
In England werden die Beamten, welche den Auftrag haben, die zur Ret-
tung und zum Schutze der gefährdeten Schiffe und ihrer Bemannung nöthigen Maß-
regeln anzuordnen, receivers genannt. Sie ſind berechtigt, die allgemeine Bei-
hülfe der Küſtenbewohner und der in der Nähe befindlichen Boote aufzurufen.
Schiffahrtsacte von 1854 § 439 f.
338.
Jeder Stat iſt berechtigt, für die Ausgaben, welche er zur Rettung
und zum Unterhalt des Lebens fremder Schiffbrüchiger gemacht hat, nöthi-
genfalls von deren Heimatsſtate Erſatz zu fordern, wenn dieſelben nicht in
der Lage ſind, dieſe Koſten ſelber ohne Verzug zu erſetzen. Vorbehalten
bleibt dem Heimatsſtate der Regreß auf die betheiligten Privatperſonen.
Die allgemeinen Anſtalten dagegen für Rettung Schiffbrüchiger, welche der
Stat getroffen hat, fallen auf ſeine Koſten, und es iſt dafür der andere
Stat nicht zum Erſatze verbunden.
Dieſe Erſatzforderung des States an den Stat hat ihren Grund in der ſub-
ſidiären Pflicht des States, das Leben ſeiner Angehörigen im Nothfall zu
ſchützen, einer Pflicht, welche freilich noch immer nicht in dem Umfang anerkannt iſt,
wie ſie es verdiente. Indem der eine Stat für die Fremden in ihrer Noth ſorgt,
leiſtet er daher auch dem Heimatsſtate derſelben einen Dienſt und leiſtet das, was
dieſer nach natürlichem Recht in der Noth ſeiner Angehörigen für dieſelben zu leiſten
hätte. Wird dieſes Recht anerkannt, ſo wird eher und beſſer für Hülfe geſorgt, und
zugleich das richtige Verhältniß der Küſtenländer gegenüber den Binnenländern ge-
wahrt. Natürlich iſt der Küſtenſtat nicht genöthigt, jene Forderung geltend zu machen
und es ſprechen auch manche Gründe der Zweckmäßigkeit, freilich nur unter der
Vorausſetzung einer hohen Civiliſationsſtufe dafür, daß ein Küſtenſtat alle dieſe im
Intereſſe der Humanität auch für Fremde gemachten Verwendungen auf ſeine
13*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/217>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.