Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.
erkennung dieser natürlichen Verhältnisse, wenn die Rechtsordnung diesen Zusammen- hang und diese Gemeinschaft schützt, und nicht gestattet, daß einer der Uferstaten ein- seitige Hemmnisse bereite, sondern vielmehr alle Uferstaten verpflichtet, zur Erhaltung der Schiffahrt die nöthigen Maßregeln (z. B. Reinigung des Flußbetts, Herstellung der Reckwege und Leinpfade) anzuordnen.
313.
Die Fluß- und Schiffahrtspolicei soll, soweit sie gemeinsame Inter- essen betrifft, auch gemeinsam nach denselben Rechtsgrundsätzen geordnet werden. Ausnahmen erfordern eine besondere Begründung.
"Reglement pour la libre navigation des rivieres. Art. II. La navi- gation dans tout le cours des rivieres indiquees --; du point ou chacune d'elle devient navigable jusqu'a son embouchure, sera entierement libre et ne pourra, sous le rapport du commerce, etre interdite a personne, en se conforment toutefois aux reglements qui seront arretes pour sa police d'une maniere uniforme pour tous, et aussi favorable que possible au commerce de toutes les nations. Art. III. Le systeme qui sera etabli, tant pour la per- ception des droits que pour le manitien de la police, sera, autant que faire se pourra, le meme pour tout le cours de la riviere, et s'etendra aussi, a moins que des circonstances particulieres ne s'y opposent, sur ceux de ces embranchemens et confluens qui dans leur cours navigable separent ou tra- versent differens etats."
314.
Wenn die schiffbaren Ströme oder Flüsse mit dem offenen Meer in Verbindung stehen, so sind dieselben den Schiffen aller Nationen im Frie- den offen zu halten. Die freie Schiffahrt darf nicht zum Nachtheil ein- zelner Nationen gehemmt, noch ungebührlich belästigt werden.
Die Wiener Congreßacte sprach diesen Grundsatz zunächst nur für die europäischen Flüsse und nur unter der Voraussetzung aus, daß ein Fluß durch zwei oder mehrere Statsgebiete fließt. Art. 109. "La navigation dans tout le cours des rivieres indiquees dans l'article precedent sera entierement libre." Aber ganz dieselben Gründe, welche die freie Flußschiffahrt in Europa als völkerrechtliche Forderung rechtfertigen, finden auch auf die amerikanischen Ströme und in allen Welttheilen Anwendung. Das neue völkerrechtliche Princip muß also allmählich überall zur Geltung gebracht werden. Sodann ist die Beschränkung des Grundsatzes auf die sogenannten Gemeinflüsse deßhalb unhaltbar, weil die Schiffahrt auf diesen nicht bloß für die Schiffe der Uferstaten, sondern für den Weltverkehr frei ist und nicht einzusehen ist, weßhalb die zwei oder mehreren Uferstaten verpflichtet sein sollen, fremde Schiffe zuzulassen, während ein einzelner
Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.
erkennung dieſer natürlichen Verhältniſſe, wenn die Rechtsordnung dieſen Zuſammen- hang und dieſe Gemeinſchaft ſchützt, und nicht geſtattet, daß einer der Uferſtaten ein- ſeitige Hemmniſſe bereite, ſondern vielmehr alle Uferſtaten verpflichtet, zur Erhaltung der Schiffahrt die nöthigen Maßregeln (z. B. Reinigung des Flußbetts, Herſtellung der Reckwege und Leinpfade) anzuordnen.
313.
Die Fluß- und Schiffahrtspolicei ſoll, ſoweit ſie gemeinſame Inter- eſſen betrifft, auch gemeinſam nach denſelben Rechtsgrundſätzen geordnet werden. Ausnahmen erfordern eine beſondere Begründung.
„Règlement pour la libre navigation des rivières. Art. II. La navi- gation dans tout le cours des rivières indiquées —; du point où chacune d’elle devient navigable jusqu’à son embouchure, sera entièrement libre et ne pourra, sous le rapport du commerce, être interdite à personne, en se conforment toutefois aux règlements qui seront arrêtés pour sa police d’une manière uniforme pour tous, et aussi favorable que possible au commerce de toutes les nations. Art. III. Le système qui sera établi, tant pour la per- ception des droits que pour le manitien de la police, sera, autant que faire se pourra, le même pour tout le cours de la rivière, et s’étendra aussi, à moins que des circonstances particulières ne s’y opposent, sur ceux de ces embranchemens et confluens qui dans leur cours navigable séparent ou tra- versent différens états.“
314.
Wenn die ſchiffbaren Ströme oder Flüſſe mit dem offenen Meer in Verbindung ſtehen, ſo ſind dieſelben den Schiffen aller Nationen im Frie- den offen zu halten. Die freie Schiffahrt darf nicht zum Nachtheil ein- zelner Nationen gehemmt, noch ungebührlich beläſtigt werden.
Die Wiener Congreßacte ſprach dieſen Grundſatz zunächſt nur für die europäiſchen Flüſſe und nur unter der Vorausſetzung aus, daß ein Fluß durch zwei oder mehrere Statsgebiete fließt. Art. 109. „La navigation dans tout le cours des rivières indiquées dans l’article précédent sera entièrement libre.“ Aber ganz dieſelben Gründe, welche die freie Flußſchiffahrt in Europa als völkerrechtliche Forderung rechtfertigen, finden auch auf die amerikaniſchen Ströme und in allen Welttheilen Anwendung. Das neue völkerrechtliche Princip muß alſo allmählich überall zur Geltung gebracht werden. Sodann iſt die Beſchränkung des Grundſatzes auf die ſogenannten Gemeinflüſſe deßhalb unhaltbar, weil die Schiffahrt auf dieſen nicht bloß für die Schiffe der Uferſtaten, ſondern für den Weltverkehr frei iſt und nicht einzuſehen iſt, weßhalb die zwei oder mehreren Uferſtaten verpflichtet ſein ſollen, fremde Schiffe zuzulaſſen, während ein einzelner
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Die Statshoheit im Verhältniß zum Land. Gebietshoheit.
erkennung dieſer natürlichen Verhältniſſe, wenn die Rechtsordnung dieſen Zuſammen-
hang und dieſe Gemeinſchaft ſchützt, und nicht geſtattet, daß einer der Uferſtaten ein-
ſeitige Hemmniſſe bereite, ſondern vielmehr alle Uferſtaten verpflichtet, zur Erhaltung
der Schiffahrt die nöthigen Maßregeln (z. B. Reinigung des Flußbetts, Herſtellung
der Reckwege und Leinpfade) anzuordnen.
313.
Die Fluß- und Schiffahrtspolicei ſoll, ſoweit ſie gemeinſame Inter-
eſſen betrifft, auch gemeinſam nach denſelben Rechtsgrundſätzen geordnet
werden. Ausnahmen erfordern eine beſondere Begründung.
„Règlement pour la libre navigation des rivières. Art. II. La navi-
gation dans tout le cours des rivières indiquées —; du point où chacune
d’elle devient navigable jusqu’à son embouchure, sera entièrement libre et
ne pourra, sous le rapport du commerce, être interdite à personne, en se
conforment toutefois aux règlements qui seront arrêtés pour sa police d’une
manière uniforme pour tous, et aussi favorable que possible au commerce de
toutes les nations. Art. III. Le système qui sera établi, tant pour la per-
ception des droits que pour le manitien de la police, sera, autant que faire
se pourra, le même pour tout le cours de la rivière, et s’étendra aussi, à
moins que des circonstances particulières ne s’y opposent, sur ceux de ces
embranchemens et confluens qui dans leur cours navigable séparent ou tra-
versent différens états.“
314.
Wenn die ſchiffbaren Ströme oder Flüſſe mit dem offenen Meer in
Verbindung ſtehen, ſo ſind dieſelben den Schiffen aller Nationen im Frie-
den offen zu halten. Die freie Schiffahrt darf nicht zum Nachtheil ein-
zelner Nationen gehemmt, noch ungebührlich beläſtigt werden.
Die Wiener Congreßacte ſprach dieſen Grundſatz zunächſt nur für die
europäiſchen Flüſſe und nur unter der Vorausſetzung aus, daß ein Fluß durch
zwei oder mehrere Statsgebiete fließt. Art. 109. „La navigation dans
tout le cours des rivières indiquées dans l’article précédent sera entièrement
libre.“ Aber ganz dieſelben Gründe, welche die freie Flußſchiffahrt in Europa als
völkerrechtliche Forderung rechtfertigen, finden auch auf die amerikaniſchen Ströme
und in allen Welttheilen Anwendung. Das neue völkerrechtliche Princip muß alſo
allmählich überall zur Geltung gebracht werden. Sodann iſt die Beſchränkung des
Grundſatzes auf die ſogenannten Gemeinflüſſe deßhalb unhaltbar, weil die
Schiffahrt auf dieſen nicht bloß für die Schiffe der Uferſtaten, ſondern für den
Weltverkehr frei iſt und nicht einzuſehen iſt, weßhalb die zwei oder mehreren
Uferſtaten verpflichtet ſein ſollen, fremde Schiffe zuzulaſſen, während ein einzelner
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/205>, abgerufen am 16.07.2024.
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