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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Viertes Buch.
306.

Geschlossene Meere werden nur insofern anerkannt, als sie für die
Schiffahrt vom offenen Meer her unzugänglich und von diesem völlig ab-
getrennt sind. Dieselben sind dann ähnlich, wie die Binnenseen mit süßem
Wasser, der Statshoheit unterworfen.

Ein von jeher anerkanntes Beispiel ist das Todte Meer in Syrien. An
dem Kaspischen Meer begegnen sich verschiedene Nationen und Staten, aber eine
Verbindung mit dem Weltmeer ist nicht da. Die Möglichkeit, daraus ein Russisches
Meer zu machen, liegt daher nicht sehr ferne.

307.

Auf offenem Meere ist sowohl die Schiffahrt als die Fischerei für
alle Nationen und für Jedermann völlig frei.

Die Schiffahrt ist zunächst als Handels- und Verkehrsschiffahrt frei.
Eben für den Weltverkehr ist das Meer offen. Neben der Schiffahrt zum Verkehr
kommt als zweite Hauptnutzung des Meeres die Fischerei in Betracht. Auch in
dieser Hinsicht hat kein Stat ein Recht, für seine Fischer ein Privilegium anzuspre-
schen und die fremden Fischer davon auszuschließen. Die reichen Schätze des Meeres
sind der ganzen Menschheit offen. Noch im achtzehnten Jahrhundert maßte sich die
Krone Dänemark das ausschließliche Recht der Fischerei an in den Gewässern der
Nordsee in der Nähe von Island und Grönland und gerieth darüber mit den
Vereinigten Staten der Niederlande in Streit. Auch die Beschränkung dieses Rechts
auf 15 Seemeilen von der Küste weg, welche die dänische Regierung schließlich zu-
gestand, ist durchaus ungenügend und wurde von den andern Staten nicht anerkannt.
In unserm Jahrhundert entstand wiederholt Streit zwischen England und den Ver-
einigten Staten von Nordamerika über die ergiebige Fischerei in den Gewässern von
Neufundland. Ein Vertrag vom 2. August 1839 gestand den Amerikanischen
Fischern die Fischerei zu bis auf drei Meilen von der Küste. Vgl. darüber Phil-
limore
I. 189 ff.

308.

Das Recht der freien Schiffahrt auf offenem Meere wird nicht ver-
letzt, sondern nach Umständen geschützt durch völkerrechtliche Beschränkungen
der Kriegsmarine in bestimmten Meeren.

Ein Beispiel ist die Beschränkung der Zahl der Russischen Kriegs-
schiffe
im schwarzen Meer, welche der Pariserfriede von 1856 angeordnet hat.

Viertes Buch.
306.

Geſchloſſene Meere werden nur inſofern anerkannt, als ſie für die
Schiffahrt vom offenen Meer her unzugänglich und von dieſem völlig ab-
getrennt ſind. Dieſelben ſind dann ähnlich, wie die Binnenſeen mit ſüßem
Waſſer, der Statshoheit unterworfen.

Ein von jeher anerkanntes Beiſpiel iſt das Todte Meer in Syrien. An
dem Kaspiſchen Meer begegnen ſich verſchiedene Nationen und Staten, aber eine
Verbindung mit dem Weltmeer iſt nicht da. Die Möglichkeit, daraus ein Ruſſiſches
Meer zu machen, liegt daher nicht ſehr ferne.

307.

Auf offenem Meere iſt ſowohl die Schiffahrt als die Fiſcherei für
alle Nationen und für Jedermann völlig frei.

Die Schiffahrt iſt zunächſt als Handels- und Verkehrsſchiffahrt frei.
Eben für den Weltverkehr iſt das Meer offen. Neben der Schiffahrt zum Verkehr
kommt als zweite Hauptnutzung des Meeres die Fiſcherei in Betracht. Auch in
dieſer Hinſicht hat kein Stat ein Recht, für ſeine Fiſcher ein Privilegium anzuſpre-
ſchen und die fremden Fiſcher davon auszuſchließen. Die reichen Schätze des Meeres
ſind der ganzen Menſchheit offen. Noch im achtzehnten Jahrhundert maßte ſich die
Krone Dänemark das ausſchließliche Recht der Fiſcherei an in den Gewäſſern der
Nordſee in der Nähe von Island und Grönland und gerieth darüber mit den
Vereinigten Staten der Niederlande in Streit. Auch die Beſchränkung dieſes Rechts
auf 15 Seemeilen von der Küſte weg, welche die däniſche Regierung ſchließlich zu-
geſtand, iſt durchaus ungenügend und wurde von den andern Staten nicht anerkannt.
In unſerm Jahrhundert entſtand wiederholt Streit zwiſchen England und den Ver-
einigten Staten von Nordamerika über die ergiebige Fiſcherei in den Gewäſſern von
Neufundland. Ein Vertrag vom 2. Auguſt 1839 geſtand den Amerikaniſchen
Fiſchern die Fiſcherei zu bis auf drei Meilen von der Küſte. Vgl. darüber Phil-
limore
I. 189 ff.

308.

Das Recht der freien Schiffahrt auf offenem Meere wird nicht ver-
letzt, ſondern nach Umſtänden geſchützt durch völkerrechtliche Beſchränkungen
der Kriegsmarine in beſtimmten Meeren.

Ein Beiſpiel iſt die Beſchränkung der Zahl der Ruſſiſchen Kriegs-
ſchiffe
im ſchwarzen Meer, welche der Pariſerfriede von 1856 angeordnet hat.

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[180/0202] Viertes Buch. 306. Geſchloſſene Meere werden nur inſofern anerkannt, als ſie für die Schiffahrt vom offenen Meer her unzugänglich und von dieſem völlig ab- getrennt ſind. Dieſelben ſind dann ähnlich, wie die Binnenſeen mit ſüßem Waſſer, der Statshoheit unterworfen. Ein von jeher anerkanntes Beiſpiel iſt das Todte Meer in Syrien. An dem Kaspiſchen Meer begegnen ſich verſchiedene Nationen und Staten, aber eine Verbindung mit dem Weltmeer iſt nicht da. Die Möglichkeit, daraus ein Ruſſiſches Meer zu machen, liegt daher nicht ſehr ferne. 307. Auf offenem Meere iſt ſowohl die Schiffahrt als die Fiſcherei für alle Nationen und für Jedermann völlig frei. Die Schiffahrt iſt zunächſt als Handels- und Verkehrsſchiffahrt frei. Eben für den Weltverkehr iſt das Meer offen. Neben der Schiffahrt zum Verkehr kommt als zweite Hauptnutzung des Meeres die Fiſcherei in Betracht. Auch in dieſer Hinſicht hat kein Stat ein Recht, für ſeine Fiſcher ein Privilegium anzuſpre- ſchen und die fremden Fiſcher davon auszuſchließen. Die reichen Schätze des Meeres ſind der ganzen Menſchheit offen. Noch im achtzehnten Jahrhundert maßte ſich die Krone Dänemark das ausſchließliche Recht der Fiſcherei an in den Gewäſſern der Nordſee in der Nähe von Island und Grönland und gerieth darüber mit den Vereinigten Staten der Niederlande in Streit. Auch die Beſchränkung dieſes Rechts auf 15 Seemeilen von der Küſte weg, welche die däniſche Regierung ſchließlich zu- geſtand, iſt durchaus ungenügend und wurde von den andern Staten nicht anerkannt. In unſerm Jahrhundert entſtand wiederholt Streit zwiſchen England und den Ver- einigten Staten von Nordamerika über die ergiebige Fiſcherei in den Gewäſſern von Neufundland. Ein Vertrag vom 2. Auguſt 1839 geſtand den Amerikaniſchen Fiſchern die Fiſcherei zu bis auf drei Meilen von der Küſte. Vgl. darüber Phil- limore I. 189 ff. 308. Das Recht der freien Schiffahrt auf offenem Meere wird nicht ver- letzt, ſondern nach Umſtänden geſchützt durch völkerrechtliche Beſchränkungen der Kriegsmarine in beſtimmten Meeren. Ein Beiſpiel iſt die Beſchränkung der Zahl der Ruſſiſchen Kriegs- ſchiffe im ſchwarzen Meer, welche der Pariſerfriede von 1856 angeordnet hat.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/202>, abgerufen am 24.11.2024.