gelegenen Städte, welche mit dem Seeverkehr in Verbindung sind, üben innerhalb gewisser Schranken eine Schiffspolicei aus bezüglich der Handels- und Verkehrsschiffe ihrer Landsleute.
Sie prüfen und visiren die Schiffspapiere und ertheilen die erforder- lichen Bescheinigungen zum Ein- und Auslauf.
Diese Schiffspolicei findet ihre Schranken a) in der Policeihoheit des States, in dessen Gebiet sich die Schiffe finden, b) in der Rücksicht auf die nationalen In- teressen, welche von dem Consul im Ausland zu wahren sind, c) darin, daß dieselbe sich nur "innerhalb des Schiffsraums" geltend machen kann.
259.
Bei Streitigkeiten zwischen dem Schiffscapitän und den Schiffsleuten (Matrosen oder Passagieren) üben sie das Vermittleramt aus und sind berechtigt, erhebliche Thatsachen festzustellen und zu beurkunden, und uner- läßliche Vorsichtsmaßregeln zu treffen zum Behuf des Rechtsschutzes.
Diese vermittelnde Stellung wird von dem Consul auf Ansuchen einer der beiden Parteien eingenommen, die schiedsrichterliche (§ 253) nur im Einverständniß beider Parteien. Das deutsche Handelsgesetzbuch ertheilt den Consuln sogar eine provisorische Gerichtsbarkeit über die Schiffsmannschaft (Art. 537).
260.
Die Gebiets- und Gerichtshoheit über die fremden Schiffe in ein- heimischen Häfen kommt in der Regel dem einheimischen State zu. Aber soweit die Streitigkeiten auf das Schiff und die darauf fahrenden Per- sonen beschränkt sind, die Ordnung des Landes oder Hafens nicht gefährdet erscheint und die einheimische Behörde nicht um ihr Einschreiten angerufen wird, kann der Consul auch eine Disciplinargewalt üben und das Nöthige im Interesse der guten Ordnung und des Friedens anordnen.
Es kann ein solches Einschreiten des Consuls wichtig werden z. B. in Fällen von Insubordination der Matrosen oder Unfügsamkeit der Passagiere auf den Schiffen oder gegenüber von Willkürlichkeit, Grausamkeit oder Sorglosigkeit eines Schiffs- capitäns. Der Consul erscheint dabei immerhin als eine statlich anerkannte und er- mächtigte Autorität, welche in Ermanglung der Landesautorität die statliche Ordnung und Sorge darstellt und handhabt. Die Grenze solcher Disciplinargewalt ist nicht überall dieselbe, sie verschiebt sich nach den besondern Landessitten und Umständen. In einem civilisirten Lande wird sie enger zu bemessen sein, als an einer barbarischen Küste oder unter Wilden, wo es überhaupt an einer wirksamen Statsgewalt fehlt. Vgl. unten IV. 323.
Völkerrechtliche Organe.
gelegenen Städte, welche mit dem Seeverkehr in Verbindung ſind, üben innerhalb gewiſſer Schranken eine Schiffspolicei aus bezüglich der Handels- und Verkehrsſchiffe ihrer Landsleute.
Sie prüfen und viſiren die Schiffspapiere und ertheilen die erforder- lichen Beſcheinigungen zum Ein- und Auslauf.
Dieſe Schiffspolicei findet ihre Schranken a) in der Policeihoheit des States, in deſſen Gebiet ſich die Schiffe finden, b) in der Rückſicht auf die nationalen In- tereſſen, welche von dem Conſul im Ausland zu wahren ſind, c) darin, daß dieſelbe ſich nur „innerhalb des Schiffsraums“ geltend machen kann.
259.
Bei Streitigkeiten zwiſchen dem Schiffscapitän und den Schiffsleuten (Matroſen oder Paſſagieren) üben ſie das Vermittleramt aus und ſind berechtigt, erhebliche Thatſachen feſtzuſtellen und zu beurkunden, und uner- läßliche Vorſichtsmaßregeln zu treffen zum Behuf des Rechtsſchutzes.
Dieſe vermittelnde Stellung wird von dem Conſul auf Anſuchen einer der beiden Parteien eingenommen, die ſchiedsrichterliche (§ 253) nur im Einverſtändniß beider Parteien. Das deutſche Handelsgeſetzbuch ertheilt den Conſuln ſogar eine proviſoriſche Gerichtsbarkeit über die Schiffsmannſchaft (Art. 537).
260.
Die Gebiets- und Gerichtshoheit über die fremden Schiffe in ein- heimiſchen Häfen kommt in der Regel dem einheimiſchen State zu. Aber ſoweit die Streitigkeiten auf das Schiff und die darauf fahrenden Per- ſonen beſchränkt ſind, die Ordnung des Landes oder Hafens nicht gefährdet erſcheint und die einheimiſche Behörde nicht um ihr Einſchreiten angerufen wird, kann der Conſul auch eine Disciplinargewalt üben und das Nöthige im Intereſſe der guten Ordnung und des Friedens anordnen.
Es kann ein ſolches Einſchreiten des Conſuls wichtig werden z. B. in Fällen von Inſubordination der Matroſen oder Unfügſamkeit der Paſſagiere auf den Schiffen oder gegenüber von Willkürlichkeit, Grauſamkeit oder Sorgloſigkeit eines Schiffs- capitäns. Der Conſul erſcheint dabei immerhin als eine ſtatlich anerkannte und er- mächtigte Autorität, welche in Ermanglung der Landesautorität die ſtatliche Ordnung und Sorge darſtellt und handhabt. Die Grenze ſolcher Disciplinargewalt iſt nicht überall dieſelbe, ſie verſchiebt ſich nach den beſondern Landesſitten und Umſtänden. In einem civiliſirten Lande wird ſie enger zu bemeſſen ſein, als an einer barbariſchen Küſte oder unter Wilden, wo es überhaupt an einer wirkſamen Statsgewalt fehlt. Vgl. unten IV. 323.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0179"n="157"/><fwplace="top"type="header">Völkerrechtliche Organe.</fw><lb/>
gelegenen Städte, welche mit dem Seeverkehr in Verbindung ſind, üben<lb/>
innerhalb gewiſſer Schranken eine Schiffspolicei aus bezüglich der Handels-<lb/>
und Verkehrsſchiffe ihrer Landsleute.</p><lb/><p>Sie prüfen und viſiren die Schiffspapiere und ertheilen die erforder-<lb/>
lichen Beſcheinigungen zum Ein- und Auslauf.</p><lb/><p>Dieſe Schiffspolicei findet ihre Schranken <hirendition="#aq">a)</hi> in der Policeihoheit des States,<lb/>
in deſſen Gebiet ſich die Schiffe finden, <hirendition="#aq">b)</hi> in der Rückſicht auf die nationalen In-<lb/>
tereſſen, welche von dem Conſul im Ausland zu wahren ſind, <hirendition="#aq">c)</hi> darin, daß dieſelbe<lb/>ſich nur „innerhalb des Schiffsraums“ geltend machen kann.</p></div><lb/><divn="4"><head>259.</head><lb/><p>Bei Streitigkeiten zwiſchen dem Schiffscapitän und den Schiffsleuten<lb/>
(Matroſen oder Paſſagieren) üben ſie das Vermittleramt aus und ſind<lb/>
berechtigt, erhebliche Thatſachen feſtzuſtellen und zu beurkunden, und uner-<lb/>
läßliche Vorſichtsmaßregeln zu treffen zum Behuf des Rechtsſchutzes.</p><lb/><p>Dieſe vermittelnde Stellung wird von dem Conſul auf Anſuchen einer der<lb/>
beiden Parteien eingenommen, die ſchiedsrichterliche (§ 253) nur im Einverſtändniß<lb/>
beider Parteien. Das deutſche Handelsgeſetzbuch ertheilt den Conſuln ſogar eine<lb/>
proviſoriſche Gerichtsbarkeit über die Schiffsmannſchaft (Art. 537).</p></div><lb/><divn="4"><head>260.</head><lb/><p>Die Gebiets- und Gerichtshoheit über die fremden Schiffe in ein-<lb/>
heimiſchen Häfen kommt in der Regel dem einheimiſchen State zu. Aber<lb/>ſoweit die Streitigkeiten auf das Schiff und die darauf fahrenden Per-<lb/>ſonen beſchränkt ſind, die Ordnung des Landes oder Hafens nicht gefährdet<lb/>
erſcheint und die einheimiſche Behörde nicht um ihr Einſchreiten angerufen<lb/>
wird, kann der Conſul auch eine Disciplinargewalt üben und das Nöthige<lb/>
im Intereſſe der guten Ordnung und des Friedens anordnen.</p><lb/><p>Es kann ein ſolches Einſchreiten des Conſuls wichtig werden z. B. in Fällen<lb/>
von Inſubordination der Matroſen oder Unfügſamkeit der Paſſagiere auf den Schiffen<lb/>
oder gegenüber von Willkürlichkeit, Grauſamkeit oder Sorgloſigkeit eines Schiffs-<lb/>
capitäns. Der Conſul erſcheint dabei immerhin als eine ſtatlich anerkannte und er-<lb/>
mächtigte Autorität, welche in Ermanglung der Landesautorität die ſtatliche Ordnung<lb/>
und Sorge darſtellt und handhabt. Die Grenze ſolcher Disciplinargewalt iſt nicht<lb/>
überall dieſelbe, ſie verſchiebt ſich nach den beſondern Landesſitten und Umſtänden.<lb/>
In einem civiliſirten Lande wird ſie enger zu bemeſſen ſein, als an einer barbariſchen<lb/>
Küſte oder unter Wilden, wo es überhaupt an einer wirkſamen Statsgewalt fehlt.<lb/>
Vgl. unten <hirendition="#aq">IV.</hi> 323.</p></div><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[157/0179]
Völkerrechtliche Organe.
gelegenen Städte, welche mit dem Seeverkehr in Verbindung ſind, üben
innerhalb gewiſſer Schranken eine Schiffspolicei aus bezüglich der Handels-
und Verkehrsſchiffe ihrer Landsleute.
Sie prüfen und viſiren die Schiffspapiere und ertheilen die erforder-
lichen Beſcheinigungen zum Ein- und Auslauf.
Dieſe Schiffspolicei findet ihre Schranken a) in der Policeihoheit des States,
in deſſen Gebiet ſich die Schiffe finden, b) in der Rückſicht auf die nationalen In-
tereſſen, welche von dem Conſul im Ausland zu wahren ſind, c) darin, daß dieſelbe
ſich nur „innerhalb des Schiffsraums“ geltend machen kann.
259.
Bei Streitigkeiten zwiſchen dem Schiffscapitän und den Schiffsleuten
(Matroſen oder Paſſagieren) üben ſie das Vermittleramt aus und ſind
berechtigt, erhebliche Thatſachen feſtzuſtellen und zu beurkunden, und uner-
läßliche Vorſichtsmaßregeln zu treffen zum Behuf des Rechtsſchutzes.
Dieſe vermittelnde Stellung wird von dem Conſul auf Anſuchen einer der
beiden Parteien eingenommen, die ſchiedsrichterliche (§ 253) nur im Einverſtändniß
beider Parteien. Das deutſche Handelsgeſetzbuch ertheilt den Conſuln ſogar eine
proviſoriſche Gerichtsbarkeit über die Schiffsmannſchaft (Art. 537).
260.
Die Gebiets- und Gerichtshoheit über die fremden Schiffe in ein-
heimiſchen Häfen kommt in der Regel dem einheimiſchen State zu. Aber
ſoweit die Streitigkeiten auf das Schiff und die darauf fahrenden Per-
ſonen beſchränkt ſind, die Ordnung des Landes oder Hafens nicht gefährdet
erſcheint und die einheimiſche Behörde nicht um ihr Einſchreiten angerufen
wird, kann der Conſul auch eine Disciplinargewalt üben und das Nöthige
im Intereſſe der guten Ordnung und des Friedens anordnen.
Es kann ein ſolches Einſchreiten des Conſuls wichtig werden z. B. in Fällen
von Inſubordination der Matroſen oder Unfügſamkeit der Paſſagiere auf den Schiffen
oder gegenüber von Willkürlichkeit, Grauſamkeit oder Sorgloſigkeit eines Schiffs-
capitäns. Der Conſul erſcheint dabei immerhin als eine ſtatlich anerkannte und er-
mächtigte Autorität, welche in Ermanglung der Landesautorität die ſtatliche Ordnung
und Sorge darſtellt und handhabt. Die Grenze ſolcher Disciplinargewalt iſt nicht
überall dieſelbe, ſie verſchiebt ſich nach den beſondern Landesſitten und Umſtänden.
In einem civiliſirten Lande wird ſie enger zu bemeſſen ſein, als an einer barbariſchen
Küſte oder unter Wilden, wo es überhaupt an einer wirkſamen Statsgewalt fehlt.
Vgl. unten IV. 323.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/179>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.