Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Drittes Buch. daß ihm die Zunge geschlitzt werde. Derselbe wurde anfangs widerrechtlich in Hol-land gefangen gesetzt, dann aber mit Recht zurückgewiesen. Es ist schon ein zurei- chender Grund, sich eine Person als Gesanten zu verbitten, die sich zuvor durch be- sondere Gehässigkeit und Feindschaft gegen den besendeten Stat oder dessen Haupt hervorgethan hat. Dagegen wäre es unpassend, wenn etwa ein Stat überhaupt keine bürgerlichen Personen oder keine Geistlichen, oder keine Frauen als Gesante empfangen wollte; denn die Standes- oder Geschlechtsunterschiede bilden keine rechtlichen Erfordernisse oder Hindernisse für das Amt eines Gesanten und können auch keinen Grund zu persönlichem Anstoß geben. 165. Ebenso kann der Empfangstat die Annahme eines persönlich nicht Eine wichtige Anwendung dieses Satzes ist die auf die päpstlichen Le- 166. Ferner gilt es als ein ausreichender Grund, die Annahme eines Das war eine Zeit lang Maxime des französischen und ist noch Gebrauch 167. Die völkerrechtliche gute Sitte verlangt, daß vor der Absendung Durch diese Uebung wird auch eine schroffe Zurückweisung vermieden. Es Drittes Buch. daß ihm die Zunge geſchlitzt werde. Derſelbe wurde anfangs widerrechtlich in Hol-land gefangen geſetzt, dann aber mit Recht zurückgewieſen. Es iſt ſchon ein zurei- chender Grund, ſich eine Perſon als Geſanten zu verbitten, die ſich zuvor durch be- ſondere Gehäſſigkeit und Feindſchaft gegen den beſendeten Stat oder deſſen Haupt hervorgethan hat. Dagegen wäre es unpaſſend, wenn etwa ein Stat überhaupt keine bürgerlichen Perſonen oder keine Geiſtlichen, oder keine Frauen als Geſante empfangen wollte; denn die Standes- oder Geſchlechtsunterſchiede bilden keine rechtlichen Erforderniſſe oder Hinderniſſe für das Amt eines Geſanten und können auch keinen Grund zu perſönlichem Anſtoß geben. 165. Ebenſo kann der Empfangſtat die Annahme eines perſönlich nicht Eine wichtige Anwendung dieſes Satzes iſt die auf die päpſtlichen Le- 166. Ferner gilt es als ein ausreichender Grund, die Annahme eines Das war eine Zeit lang Maxime des franzöſiſchen und iſt noch Gebrauch 167. Die völkerrechtliche gute Sitte verlangt, daß vor der Abſendung Durch dieſe Uebung wird auch eine ſchroffe Zurückweiſung vermieden. Es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0150" n="128"/><fw place="top" type="header">Drittes Buch.</fw><lb/> daß ihm die Zunge geſchlitzt werde. Derſelbe wurde anfangs widerrechtlich in Hol-<lb/> land gefangen geſetzt, dann aber mit Recht zurückgewieſen. Es iſt ſchon ein zurei-<lb/> chender Grund, ſich eine Perſon als Geſanten zu verbitten, die ſich zuvor durch be-<lb/> ſondere Gehäſſigkeit und Feindſchaft gegen den beſendeten Stat oder deſſen Haupt<lb/> hervorgethan hat. 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Drittes Buch.
daß ihm die Zunge geſchlitzt werde. Derſelbe wurde anfangs widerrechtlich in Hol-
land gefangen geſetzt, dann aber mit Recht zurückgewieſen. Es iſt ſchon ein zurei-
chender Grund, ſich eine Perſon als Geſanten zu verbitten, die ſich zuvor durch be-
ſondere Gehäſſigkeit und Feindſchaft gegen den beſendeten Stat oder deſſen Haupt
hervorgethan hat. Dagegen wäre es unpaſſend, wenn etwa ein Stat überhaupt
keine bürgerlichen Perſonen oder keine Geiſtlichen, oder keine Frauen als Geſante
empfangen wollte; denn die Standes- oder Geſchlechtsunterſchiede bilden keine
rechtlichen Erforderniſſe oder Hinderniſſe für das Amt eines Geſanten
und können auch keinen Grund zu perſönlichem Anſtoß geben.
165.
Ebenſo kann der Empfangſtat die Annahme eines perſönlich nicht
anſtößigen Geſanten dann verweigern, wenn derſelbe als Träger eines
das Recht oder die Ehre des Empfangsſtates verletzenden Miſſion erſcheint.
Eine wichtige Anwendung dieſes Satzes iſt die auf die päpſtlichen Le-
gate und Nuncien, die nach den Kirchengeſetzen Vollmachten in Anſpruch neh-
men, welche mit dem Verfaſſungsrecht des beſendeten States nicht verträglich ſind.
In Folge deſſen wurde ſchon vor der Revolution am franzöſiſchen Hofe kein päpſt-
licher Geſanter angenommen, welcher nicht eine beſchränkte Vollmacht vorweiſen konnte.
Das franzöſiſche Statsbewußtſein geſtattete nicht, daß die päpſtlichen Geſanten die
Anſprüche und Anmaßungen der römiſchen Hierarchie mit den völkerrecht-
lichen Privilegien der Geſanten decken und ausrüſten.
166.
Ferner gilt es als ein ausreichender Grund, die Annahme eines
Geſanten zu verbitten, welcher ein Unterthan des beſendeten States iſt.
Das war eine Zeit lang Maxime des franzöſiſchen und iſt noch Gebrauch
des ſchwediſchen Stats, keinen Geſanten zu empfangen, der Unterthan dieſer be-
ſendeten Staten war. Man ſcheut den Conflict zwiſchen den Rechten des Geſanten
auf Unabhängigkeit zu Ehren des States, den er repräſentirt und den Pflichten
gegen den Stat, dem er als Unterthan zugehört.
167.
Die völkerrechtliche gute Sitte verlangt, daß vor der Abſendung
eines Geſanten dem Empfangſtate davon Anzeige gemacht und die Perſon
genannt werde. Wird keine Einſprache gemacht, ſo wird angenommen,
der Genannte ſei dem Empfangſtate nicht anſtößig.
Durch dieſe Uebung wird auch eine ſchroffe Zurückweiſung vermieden. Es
genügt gewöhnlich, daß der zu beſendende Stat ſeine Bedenken gegen die fragliche
Perſon eröffnet, um den Abſendeſtat zu beſtimmen, eine andere Perſon zu wählen.
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