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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Völkerrechtliche Personen.
verselle Bedeutung haben für die Welt oder mindestens einen Welttheil
und insofern Weltmächte sind oder welche doch als Großstaten verschiedene
Völker in sich einigen oder auf verschiedene Völker einen statlich bestimmen-
den Einfluß haben.

Das charakteristische Merkmal des Kaiserthums ist das, daß es sich als Stats-
autorität über den engen Gesichtskreis eines besonderen Volkes und die engen Gren-
zen eines einzelnen Landes erhebt. Das Kaiserthum hat einen weltgeschichtlichen
Ursprung
und eine universelle Bedeutung in der Geschichte. Daher darf
auch der Kaisertitel nicht von der anmaßlichen Eitelkeit bloßer Volks- und Landes-
fürsten mißbraucht werden. Die fränkischen und die deutschen Könige des
Mittelalter erhielten denselben als römische Kaiser und standen als Verwalter des
Weltfriedens und der christlichen Weltordnung (damals imperium mundi genannt)
an der Spitze der abendländischen Christenheit. Der Russische Czar Peter der
Große nahm den Kaisertitel 1701 in der Absicht an, die Erinnerung an das Ost-
römische
Kaiserthum zu erneuern. Napoleon I. wollte das Reich Karls des
Großen
in moderner Gewalt wieder aufrichten, als er 1804 den Kaisertitel sich
aneignete. Das Oesterreichische Kaiserthum (seit 1804) und das zweite französische
(seit 1852) haben eine weniger universelle, aber doch nicht eine bloß nationale und
einzelstatliche Bedeutung.

86.

Der Kaiserliche Rang eines States ist nicht bedingt durch den Kaiser-
titel. Auch eine von Königen regierte Weltmacht hat Anspruch auf kaiser-
lichen Rang und ebenso eine weltmächtige Republik.

Die Großbrittanische Krone hat den Königsnamen aber den Kaiser-
lichen Rang. Keine andere steht ihr an universeller Bedeutung gleich. Nichts wird
die Bundesrepublik der Vereinigten Staten von Nordamerika hindern,
wenn sie sich als Weltmacht darstellen will, Kaiserlichen Rang anzusprechen und zu
behaupten.

87.

Königlichen Rang haben die übrigen wesentlich auf ein Volk und
ein Land beschränkten Staten von ansehnlichem Umfang und erheblicher
Bedeutung im Völkerverkehr.

Dahin rechnet man nach dem diplomatischen Gebrauch, außer den
Staten, deren Häupter als Könige völkerrechtlich anerkannt sind, auch die
Republiken von ähnlicher Größe und Bedeutung und die vorhandenen Groß-
herzogthümer.

Schon im Mittelalter nahmen die Kurfürsten des heiligen römischen
Reichs deutscher Nation für sich denselben Rang in Anspruch, den die Könige der

Völkerrechtliche Perſonen.
verſelle Bedeutung haben für die Welt oder mindeſtens einen Welttheil
und inſofern Weltmächte ſind oder welche doch als Großſtaten verſchiedene
Völker in ſich einigen oder auf verſchiedene Völker einen ſtatlich beſtimmen-
den Einfluß haben.

Das charakteriſtiſche Merkmal des Kaiſerthums iſt das, daß es ſich als Stats-
autorität über den engen Geſichtskreis eines beſonderen Volkes und die engen Gren-
zen eines einzelnen Landes erhebt. Das Kaiſerthum hat einen weltgeſchichtlichen
Urſprung
und eine univerſelle Bedeutung in der Geſchichte. Daher darf
auch der Kaiſertitel nicht von der anmaßlichen Eitelkeit bloßer Volks- und Landes-
fürſten mißbraucht werden. Die fränkiſchen und die deutſchen Könige des
Mittelalter erhielten denſelben als römiſche Kaiſer und ſtanden als Verwalter des
Weltfriedens und der chriſtlichen Weltordnung (damals imperium mundi genannt)
an der Spitze der abendländiſchen Chriſtenheit. Der Ruſſiſche Czar Peter der
Große nahm den Kaiſertitel 1701 in der Abſicht an, die Erinnerung an das Oſt-
römiſche
Kaiſerthum zu erneuern. Napoleon I. wollte das Reich Karls des
Großen
in moderner Gewalt wieder aufrichten, als er 1804 den Kaiſertitel ſich
aneignete. Das Oeſterreichiſche Kaiſerthum (ſeit 1804) und das zweite franzöſiſche
(ſeit 1852) haben eine weniger univerſelle, aber doch nicht eine bloß nationale und
einzelſtatliche Bedeutung.

86.

Der Kaiſerliche Rang eines States iſt nicht bedingt durch den Kaiſer-
titel. Auch eine von Königen regierte Weltmacht hat Anſpruch auf kaiſer-
lichen Rang und ebenſo eine weltmächtige Republik.

Die Großbrittaniſche Krone hat den Königsnamen aber den Kaiſer-
lichen Rang. Keine andere ſteht ihr an univerſeller Bedeutung gleich. Nichts wird
die Bundesrepublik der Vereinigten Staten von Nordamerika hindern,
wenn ſie ſich als Weltmacht darſtellen will, Kaiſerlichen Rang anzuſprechen und zu
behaupten.

87.

Königlichen Rang haben die übrigen weſentlich auf ein Volk und
ein Land beſchränkten Staten von anſehnlichem Umfang und erheblicher
Bedeutung im Völkerverkehr.

Dahin rechnet man nach dem diplomatiſchen Gebrauch, außer den
Staten, deren Häupter als Könige völkerrechtlich anerkannt ſind, auch die
Republiken von ähnlicher Größe und Bedeutung und die vorhandenen Groß-
herzogthümer.

Schon im Mittelalter nahmen die Kurfürſten des heiligen römiſchen
Reichs deutſcher Nation für ſich denſelben Rang in Anſpruch, den die Könige der

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[93/0115] Völkerrechtliche Perſonen. verſelle Bedeutung haben für die Welt oder mindeſtens einen Welttheil und inſofern Weltmächte ſind oder welche doch als Großſtaten verſchiedene Völker in ſich einigen oder auf verſchiedene Völker einen ſtatlich beſtimmen- den Einfluß haben. Das charakteriſtiſche Merkmal des Kaiſerthums iſt das, daß es ſich als Stats- autorität über den engen Geſichtskreis eines beſonderen Volkes und die engen Gren- zen eines einzelnen Landes erhebt. Das Kaiſerthum hat einen weltgeſchichtlichen Urſprung und eine univerſelle Bedeutung in der Geſchichte. Daher darf auch der Kaiſertitel nicht von der anmaßlichen Eitelkeit bloßer Volks- und Landes- fürſten mißbraucht werden. Die fränkiſchen und die deutſchen Könige des Mittelalter erhielten denſelben als römiſche Kaiſer und ſtanden als Verwalter des Weltfriedens und der chriſtlichen Weltordnung (damals imperium mundi genannt) an der Spitze der abendländiſchen Chriſtenheit. Der Ruſſiſche Czar Peter der Große nahm den Kaiſertitel 1701 in der Abſicht an, die Erinnerung an das Oſt- römiſche Kaiſerthum zu erneuern. Napoleon I. wollte das Reich Karls des Großen in moderner Gewalt wieder aufrichten, als er 1804 den Kaiſertitel ſich aneignete. Das Oeſterreichiſche Kaiſerthum (ſeit 1804) und das zweite franzöſiſche (ſeit 1852) haben eine weniger univerſelle, aber doch nicht eine bloß nationale und einzelſtatliche Bedeutung. 86. Der Kaiſerliche Rang eines States iſt nicht bedingt durch den Kaiſer- titel. Auch eine von Königen regierte Weltmacht hat Anſpruch auf kaiſer- lichen Rang und ebenſo eine weltmächtige Republik. Die Großbrittaniſche Krone hat den Königsnamen aber den Kaiſer- lichen Rang. Keine andere ſteht ihr an univerſeller Bedeutung gleich. Nichts wird die Bundesrepublik der Vereinigten Staten von Nordamerika hindern, wenn ſie ſich als Weltmacht darſtellen will, Kaiſerlichen Rang anzuſprechen und zu behaupten. 87. Königlichen Rang haben die übrigen weſentlich auf ein Volk und ein Land beſchränkten Staten von anſehnlichem Umfang und erheblicher Bedeutung im Völkerverkehr. Dahin rechnet man nach dem diplomatiſchen Gebrauch, außer den Staten, deren Häupter als Könige völkerrechtlich anerkannt ſind, auch die Republiken von ähnlicher Größe und Bedeutung und die vorhandenen Groß- herzogthümer. Schon im Mittelalter nahmen die Kurfürſten des heiligen römiſchen Reichs deutſcher Nation für ſich denſelben Rang in Anſpruch, den die Könige der

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/115>, abgerufen am 27.11.2024.