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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.
Person zu übertragen. Der Natur der Sache nach steht dieses
Recht zunächst der nämlichen Person zu, welche das Amt
zu besetzen hat, somit im Zweifel dem Statshaupt. 8 Dasselbe
musz auch in den Staten anerkannt werden, in welchen die
Absetzung nur durch die Gerichte ausgesprochen werden kann,
soweit nämlich der Entzug des Amtes rein politische und
nicht auch privatrechtliche Folgen hat. 9

Diese Regel erleidet indessen Beschränkungen, theils im
Interesse einer von der Regierung unabhängigen Rechtspflege,
theils im Interesse der privatrechtlichen Ansprüche der Be-
amten auf eine gesicherte Stellung. In der erstern Beziehung
wird in den Staten, welche auf eine freie und selbständige
Rechtspflege einen Werth legen, in neuerer Zeit meistens der
Grundsatz anerkannt, dasz Richter gegen ihren Willen durch
die Regierung weder entlassen, noch anderswohin versetzt,
noch anders als mit Belassung ihres vollen Gehalts in den
Ruhestand gelegt werden dürfen, sondern es dafür entweder
wie in England eines Parlamentsbeschlusses, oder wie in
Deutschland eines gerichtlichen Urtheils bedürfe. 10


8 Es war
inconsequent, wenn in Nordamerika das Recht der Ab-
setzung von Beamten dem Präsidenten allein auch in den Fällen über-
lassen worden war, wo die Anstellung auf der Mitwirkung des Senats
beruht. Gesetz von 1789, Story III. 37, §. 119. Nun seit 1868
geändert.
9 Zachariä §. 144. Indessen giebt es Staten, welche diesen Grund-
satz verkennen und so weit gehen, das Recht des Beamten auf seine
Amtsbefugnisse als ein während einer gewissen Zeit überall nicht
aus öffentlichen Gründen entziehbares aufzufassen.
10 Bayerische Verf. VIII. §. 3: "Die Richter können nur durch
einen Rechtsspruch von ihren Stellen mit Verlust des damit verbundenen
Gehaltes entlassen oder derselben entsetzt werden." Belgische §. 100:
"Der Richter werde auf Lebenszeit ernannt. Ein Richter kann nur durch
einen Urtheilsspruch seines Amtes beraubt oder für eine Zeit lang ent-
setzt werden. Die Versetzung eines Richters kann nur in Folge einer
neuen Ernennung und mit seiner Bewilligung stattfinden."
Spanische
§. 66. Portugiesische §. 120-123. Oesterreichische von 1849
§. 101: "Kein vom State bestellter Richter darf nach seiner definitiven
Bestellung, auszer durch richterlichen Spruch, von seinem Amte zeit-

Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.
Person zu übertragen. Der Natur der Sache nach steht dieses
Recht zunächst der nämlichen Person zu, welche das Amt
zu besetzen hat, somit im Zweifel dem Statshaupt. 8 Dasselbe
musz auch in den Staten anerkannt werden, in welchen die
Absetzung nur durch die Gerichte ausgesprochen werden kann,
soweit nämlich der Entzug des Amtes rein politische und
nicht auch privatrechtliche Folgen hat. 9

Diese Regel erleidet indessen Beschränkungen, theils im
Interesse einer von der Regierung unabhängigen Rechtspflege,
theils im Interesse der privatrechtlichen Ansprüche der Be-
amten auf eine gesicherte Stellung. In der erstern Beziehung
wird in den Staten, welche auf eine freie und selbständige
Rechtspflege einen Werth legen, in neuerer Zeit meistens der
Grundsatz anerkannt, dasz Richter gegen ihren Willen durch
die Regierung weder entlassen, noch anderswohin versetzt,
noch anders als mit Belassung ihres vollen Gehalts in den
Ruhestand gelegt werden dürfen, sondern es dafür entweder
wie in England eines Parlamentsbeschlusses, oder wie in
Deutschland eines gerichtlichen Urtheils bedürfe. 10


8 Es war
inconsequent, wenn in Nordamerika das Recht der Ab-
setzung von Beamten dem Präsidenten allein auch in den Fällen über-
lassen worden war, wo die Anstellung auf der Mitwirkung des Senats
beruht. Gesetz von 1789, Story III. 37, §. 119. Nun seit 1868
geändert.
9 Zachariä §. 144. Indessen giebt es Staten, welche diesen Grund-
satz verkennen und so weit gehen, das Recht des Beamten auf seine
Amtsbefugnisse als ein während einer gewissen Zeit überall nicht
aus öffentlichen Gründen entziehbares aufzufassen.
10 Bayerische Verf. VIII. §. 3: „Die Richter können nur durch
einen Rechtsspruch von ihren Stellen mit Verlust des damit verbundenen
Gehaltes entlassen oder derselben entsetzt werden.“ Belgische §. 100:
„Der Richter werde auf Lebenszeit ernannt. Ein Richter kann nur durch
einen Urtheilsspruch seines Amtes beraubt oder für eine Zeit lang ent-
setzt werden. Die Versetzung eines Richters kann nur in Folge einer
neuen Ernennung und mit seiner Bewilligung stattfinden.“
Spanische
§. 66. Portugiesische §. 120-123. Oesterreichische von 1849
§. 101: „Kein vom State bestellter Richter darf nach seiner definitiven
Bestellung, auszer durch richterlichen Spruch, von seinem Amte zeit-
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[632/0650] Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc. Person zu übertragen. Der Natur der Sache nach steht dieses Recht zunächst der nämlichen Person zu, welche das Amt zu besetzen hat, somit im Zweifel dem Statshaupt. 8 Dasselbe musz auch in den Staten anerkannt werden, in welchen die Absetzung nur durch die Gerichte ausgesprochen werden kann, soweit nämlich der Entzug des Amtes rein politische und nicht auch privatrechtliche Folgen hat. 9 Diese Regel erleidet indessen Beschränkungen, theils im Interesse einer von der Regierung unabhängigen Rechtspflege, theils im Interesse der privatrechtlichen Ansprüche der Be- amten auf eine gesicherte Stellung. In der erstern Beziehung wird in den Staten, welche auf eine freie und selbständige Rechtspflege einen Werth legen, in neuerer Zeit meistens der Grundsatz anerkannt, dasz Richter gegen ihren Willen durch die Regierung weder entlassen, noch anderswohin versetzt, noch anders als mit Belassung ihres vollen Gehalts in den Ruhestand gelegt werden dürfen, sondern es dafür entweder wie in England eines Parlamentsbeschlusses, oder wie in Deutschland eines gerichtlichen Urtheils bedürfe. 10 8 Es war inconsequent, wenn in Nordamerika das Recht der Ab- setzung von Beamten dem Präsidenten allein auch in den Fällen über- lassen worden war, wo die Anstellung auf der Mitwirkung des Senats beruht. Gesetz von 1789, Story III. 37, §. 119. Nun seit 1868 geändert. 9 Zachariä §. 144. Indessen giebt es Staten, welche diesen Grund- satz verkennen und so weit gehen, das Recht des Beamten auf seine Amtsbefugnisse als ein während einer gewissen Zeit überall nicht aus öffentlichen Gründen entziehbares aufzufassen. 10 Bayerische Verf. VIII. §. 3: „Die Richter können nur durch einen Rechtsspruch von ihren Stellen mit Verlust des damit verbundenen Gehaltes entlassen oder derselben entsetzt werden.“ Belgische §. 100: „Der Richter werde auf Lebenszeit ernannt. Ein Richter kann nur durch einen Urtheilsspruch seines Amtes beraubt oder für eine Zeit lang ent- setzt werden. Die Versetzung eines Richters kann nur in Folge einer neuen Ernennung und mit seiner Bewilligung stattfinden.“ Spanische §. 66. Portugiesische §. 120-123. Oesterreichische von 1849 §. 101: „Kein vom State bestellter Richter darf nach seiner definitiven Bestellung, auszer durch richterlichen Spruch, von seinem Amte zeit-

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/650>, abgerufen am 22.11.2024.