der Aemter diese in Herrschaften umwandle, und so die Einheit und Ordnung des States auflöse. Die Functionen des Amtes erfordern überdem persönliche Befähigung des Stats- dieners. Diese aber ist nicht erblich, sondern individuell. Die Erblichkeit der Ansprüche auf das Amt gewährt somit keine Garantie für die Tüchtigkeit des Beamten, und ver- sperrt zum Schaden des States anderen fähigen Individuen den Weg zu öffentlicher Wirksamkeit.
Nur ganz ausnahmsweise kommen daher in dem neuern State noch Erbämter, und gewöhnlich nur da vor, wo mit denselben keine Functionen der Statsgewalt, sondern nur Ehrenrechte verbunden sind, wie die aus dem Mittelalter stammenden Erbhofämter.
Indem der moderne Stat in dem Amte vornämlich die öffentliche Pflichterfüllung als Hauptsache erkennt, hat er die Aemter abgelöst von den Banden der Familie, des Standes und des Grundbesitzes.
2. Heute noch von groszer Bedeutung ist der Gegensatz der Berufsämter und der Ehrenämter. Jene nehmen die ganze Thätigkeit des Mannes in dem Sinne in Anspruch, dasz dieser in der Pflichtübung des Amtes die Hauptbeschäftigung seines Lebens, seinen Lebensberuf findet. Wo das Amt zum Beruf gesteigert ist, da werden um deszwillen höhere Anfor- derungen an den Beamten gestellt, da wird eine genügende Vorbildung und Einübung verlangt. Aus demselben Grunde aber hat der Berufsbeamte auch einen natürlichen Anspruch auf eine gesicherte ökonomische Stellung. Wenn sein Leben dem Berufe eines Statsdieners gewidmet ist, so darf er erwarten, auch den Lebensunterhalt von dem State zu empfangen.
Die Ehrenämter erfordern dagegen nur einzelne öffent- liche Pflichtübungen, wie sie sich auch von solchen Personen erwarten lassen, deren Lebensberuf nicht dem State gewidmet ist, die vielmehr irgend einem Privatberuf als Landwirthe,
Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.
der Aemter diese in Herrschaften umwandle, und so die Einheit und Ordnung des States auflöse. Die Functionen des Amtes erfordern überdem persönliche Befähigung des Stats- dieners. Diese aber ist nicht erblich, sondern individuell. Die Erblichkeit der Ansprüche auf das Amt gewährt somit keine Garantie für die Tüchtigkeit des Beamten, und ver- sperrt zum Schaden des States anderen fähigen Individuen den Weg zu öffentlicher Wirksamkeit.
Nur ganz ausnahmsweise kommen daher in dem neuern State noch Erbämter, und gewöhnlich nur da vor, wo mit denselben keine Functionen der Statsgewalt, sondern nur Ehrenrechte verbunden sind, wie die aus dem Mittelalter stammenden Erbhofämter.
Indem der moderne Stat in dem Amte vornämlich die öffentliche Pflichterfüllung als Hauptsache erkennt, hat er die Aemter abgelöst von den Banden der Familie, des Standes und des Grundbesitzes.
2. Heute noch von groszer Bedeutung ist der Gegensatz der Berufsämter und der Ehrenämter. Jene nehmen die ganze Thätigkeit des Mannes in dem Sinne in Anspruch, dasz dieser in der Pflichtübung des Amtes die Hauptbeschäftigung seines Lebens, seinen Lebensberuf findet. Wo das Amt zum Beruf gesteigert ist, da werden um deszwillen höhere Anfor- derungen an den Beamten gestellt, da wird eine genügende Vorbildung und Einübung verlangt. Aus demselben Grunde aber hat der Berufsbeamte auch einen natürlichen Anspruch auf eine gesicherte ökonomische Stellung. Wenn sein Leben dem Berufe eines Statsdieners gewidmet ist, so darf er erwarten, auch den Lebensunterhalt von dem State zu empfangen.
Die Ehrenämter erfordern dagegen nur einzelne öffent- liche Pflichtübungen, wie sie sich auch von solchen Personen erwarten lassen, deren Lebensberuf nicht dem State gewidmet ist, die vielmehr irgend einem Privatberuf als Landwirthe,
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Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.
der Aemter diese in Herrschaften umwandle, und so die
Einheit und Ordnung des States auflöse. Die Functionen des
Amtes erfordern überdem persönliche Befähigung des Stats-
dieners. Diese aber ist nicht erblich, sondern individuell.
Die Erblichkeit der Ansprüche auf das Amt gewährt somit
keine Garantie für die Tüchtigkeit des Beamten, und ver-
sperrt zum Schaden des States anderen fähigen Individuen
den Weg zu öffentlicher Wirksamkeit.
Nur ganz ausnahmsweise kommen daher in dem neuern
State noch Erbämter, und gewöhnlich nur da vor, wo mit
denselben keine Functionen der Statsgewalt, sondern nur
Ehrenrechte verbunden sind, wie die aus dem Mittelalter
stammenden Erbhofämter.
Indem der moderne Stat in dem Amte vornämlich die
öffentliche Pflichterfüllung als Hauptsache erkennt, hat
er die Aemter abgelöst von den Banden der Familie, des
Standes und des Grundbesitzes.
2. Heute noch von groszer Bedeutung ist der Gegensatz
der Berufsämter und der Ehrenämter. Jene nehmen die
ganze Thätigkeit des Mannes in dem Sinne in Anspruch, dasz
dieser in der Pflichtübung des Amtes die Hauptbeschäftigung
seines Lebens, seinen Lebensberuf findet. Wo das Amt zum
Beruf gesteigert ist, da werden um deszwillen höhere Anfor-
derungen an den Beamten gestellt, da wird eine genügende
Vorbildung und Einübung verlangt. Aus demselben
Grunde aber hat der Berufsbeamte auch einen natürlichen
Anspruch auf eine gesicherte ökonomische Stellung. Wenn
sein Leben dem Berufe eines Statsdieners gewidmet ist, so
darf er erwarten, auch den Lebensunterhalt von dem State
zu empfangen.
Die Ehrenämter erfordern dagegen nur einzelne öffent-
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/624>, abgerufen am 25.11.2024.
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