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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zweiundzwanzigstes Cap. IV. Demokr. Statsformen. B. Repräsentat. Demokr.
jeder kirchlichen Hierarchie abgeneigt; sie wollten alle An-
theil haben an der gemeinen Priesterschaft der Christen und
betrachteten sich als Brüder. Sie suchten jenseits des Meeres
Sicherheit vor den Verfolgungen der bischöflichen Kirche und
vor dem State, der dieser huldigte. Sie wollten ihre religiöse
und ihre politische Freiheit retten. Ihre Ideen waren noch
zugleich theokratisch und demokratisch. Sie empörten
sich nicht wider die königliche und parlamentarische Ver-
fassung ihres Mutterlandes, aber sie suchten doch sich dem
nahen Drucke der englischen Statsgewalt möglichst zu ent-
ziehen. Schon die erste Vereinbarung der "Pilger," welche
sich in Plymouth niederlieszen (vom 11. Nov. 1620) ist höchst
charakteristisch für die Entstehung der nordamerikanischen
Demokratie: "Wir haben die Reise zur Ehre Gottes, unsers
Königs und unsers Vaterlandes in der Absicht unternommen,
um in dem Norden von Virginien die erste Pflanzung zu
gründen. Feierlich und wechselseitig erklären wir vor dem
Angesichte Gottes, dasz wir uns zu einem politischen und
bürgerlichen Körper vereinigen, um unter uns gute Ordnung
zu halten und unser Ziel zu erreichen. Kraft dieses Actes
werden wir gerechte und billige Gesetze, Ordnungen, Be-
schlüsse, Institutionen, Beamte machen, wie wir es für zweck-
mäszig und der gemeinen Wohlfahrt der Colonie nützlich
erachten." Die Urkunde wurde von allen Pflanzern unter-
zeichnet. In ähnlicher Weise verfuhren die ersten Auswan-
derer nach Rhode-Island, New-Haven, Connecticut, Providence.
Die ganze Gestaltung der neuen Gemeinden erscheint so als
das gemeinsame Werk der freien Männer.

Verschieden von der nördlichen neu-englischen
Gruppe, in der Massachusets die mächtigste Colonie wurde,
waren anfangs die Verhältnisse in der südlichen Gruppe,
die zuerst Virginien benannt wurde, bis dann später der
Name der angesehensten Colonie verblieb. Die bischöfliche
Kirche mit ihrer aristokratischen Verfassung fand dort willi-

Zweiundzwanzigstes Cap. IV. Demokr. Statsformen. B. Repräsentat. Demokr.
jeder kirchlichen Hierarchie abgeneigt; sie wollten alle An-
theil haben an der gemeinen Priesterschaft der Christen und
betrachteten sich als Brüder. Sie suchten jenseits des Meeres
Sicherheit vor den Verfolgungen der bischöflichen Kirche und
vor dem State, der dieser huldigte. Sie wollten ihre religiöse
und ihre politische Freiheit retten. Ihre Ideen waren noch
zugleich theokratisch und demokratisch. Sie empörten
sich nicht wider die königliche und parlamentarische Ver-
fassung ihres Mutterlandes, aber sie suchten doch sich dem
nahen Drucke der englischen Statsgewalt möglichst zu ent-
ziehen. Schon die erste Vereinbarung der „Pilger,“ welche
sich in Plymouth niederlieszen (vom 11. Nov. 1620) ist höchst
charakteristisch für die Entstehung der nordamerikanischen
Demokratie: „Wir haben die Reise zur Ehre Gottes, unsers
Königs und unsers Vaterlandes in der Absicht unternommen,
um in dem Norden von Virginien die erste Pflanzung zu
gründen. Feierlich und wechselseitig erklären wir vor dem
Angesichte Gottes, dasz wir uns zu einem politischen und
bürgerlichen Körper vereinigen, um unter uns gute Ordnung
zu halten und unser Ziel zu erreichen. Kraft dieses Actes
werden wir gerechte und billige Gesetze, Ordnungen, Be-
schlüsse, Institutionen, Beamte machen, wie wir es für zweck-
mäszig und der gemeinen Wohlfahrt der Colonie nützlich
erachten.“ Die Urkunde wurde von allen Pflanzern unter-
zeichnet. In ähnlicher Weise verfuhren die ersten Auswan-
derer nach Rhode-Island, New-Haven, Connecticut, Providence.
Die ganze Gestaltung der neuen Gemeinden erscheint so als
das gemeinsame Werk der freien Männer.

Verschieden von der nördlichen neu-englischen
Gruppe, in der Massachusets die mächtigste Colonie wurde,
waren anfangs die Verhältnisse in der südlichen Gruppe,
die zuerst Virginien benannt wurde, bis dann später der
Name der angesehensten Colonie verblieb. Die bischöfliche
Kirche mit ihrer aristokratischen Verfassung fand dort willi-

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[539/0557] Zweiundzwanzigstes Cap. IV. Demokr. Statsformen. B. Repräsentat. Demokr. jeder kirchlichen Hierarchie abgeneigt; sie wollten alle An- theil haben an der gemeinen Priesterschaft der Christen und betrachteten sich als Brüder. Sie suchten jenseits des Meeres Sicherheit vor den Verfolgungen der bischöflichen Kirche und vor dem State, der dieser huldigte. Sie wollten ihre religiöse und ihre politische Freiheit retten. Ihre Ideen waren noch zugleich theokratisch und demokratisch. Sie empörten sich nicht wider die königliche und parlamentarische Ver- fassung ihres Mutterlandes, aber sie suchten doch sich dem nahen Drucke der englischen Statsgewalt möglichst zu ent- ziehen. Schon die erste Vereinbarung der „Pilger,“ welche sich in Plymouth niederlieszen (vom 11. Nov. 1620) ist höchst charakteristisch für die Entstehung der nordamerikanischen Demokratie: „Wir haben die Reise zur Ehre Gottes, unsers Königs und unsers Vaterlandes in der Absicht unternommen, um in dem Norden von Virginien die erste Pflanzung zu gründen. Feierlich und wechselseitig erklären wir vor dem Angesichte Gottes, dasz wir uns zu einem politischen und bürgerlichen Körper vereinigen, um unter uns gute Ordnung zu halten und unser Ziel zu erreichen. Kraft dieses Actes werden wir gerechte und billige Gesetze, Ordnungen, Be- schlüsse, Institutionen, Beamte machen, wie wir es für zweck- mäszig und der gemeinen Wohlfahrt der Colonie nützlich erachten.“ Die Urkunde wurde von allen Pflanzern unter- zeichnet. In ähnlicher Weise verfuhren die ersten Auswan- derer nach Rhode-Island, New-Haven, Connecticut, Providence. Die ganze Gestaltung der neuen Gemeinden erscheint so als das gemeinsame Werk der freien Männer. Verschieden von der nördlichen neu-englischen Gruppe, in der Massachusets die mächtigste Colonie wurde, waren anfangs die Verhältnisse in der südlichen Gruppe, die zuerst Virginien benannt wurde, bis dann später der Name der angesehensten Colonie verblieb. Die bischöfliche Kirche mit ihrer aristokratischen Verfassung fand dort willi-

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/557>, abgerufen am 25.11.2024.