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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
Wahrheit der Behauptung zugestehen müssen, dasz die römische
Republik, obwohl monarchische Ueberlieferungen und demo-
kratische Elemente auf die Verfassung einwirkten, dennoch
wesentlich eine Aristokratie war, und zwar keine Ge-
schlechts- oder Standesaristokratie, wie das Mittelalter sie in
zahlreichen Formen hervorgebracht hat, sondern die grosz-
artigste und herrlichste Volksaristokratie der Welt-
geschichte.



Neunzehntes Capitel.
Bemerkungen über die Aristokratie.

Montesquieu hat die Mäszigung (moderation) als Princip
der Aristokratie erklärt, und allerdings bedarf die Aristokratie
der Mäszigung im Interesse ihrer Sicherheit, und wird auf
die Mäszigung hingewiesen durch die Betrachtung, dasz sie
an Zahl und physischer Kraft von der Menge, über welche
sie die Herrschaft übt, übertroffen wird. Wird die Demo-
kratie im Gefühl ihrer äuszerlich unbeschränkten Macht leicht
zu einem unmäszigen Gebrauch derselben verführt, so kann
die Aristokratie im Gegentheil der Sorge nicht leicht los wer-
den, dasz die gereizte Menge ihr Widerstand leiste und sich
wider sie auflehne; und diese Rücksicht bestimmt sie in
der Regel, ihr statliches Uebergewicht nicht allzudrückend
werden zu lassen. Sie weisz es, dasz die Erhaltung ihres
Ansehens groszentheils darauf beruht, dasz sie Masz hält und
ihre Politik ist gewöhnlich conservativ.

Aber das innerste geistige Princip der Aristokratie wird
damit doch nicht bezeichnet. Vielmehr läszt sich als solches
eher die moralische und geistige Auszeichnung der
herrschenden Classe von der regierten Menge angeben. Die
Aristokratie ist nur insofern Wahrheit, als wirklich in ihr die

Sechstes Buch. Die Statsformen.
Wahrheit der Behauptung zugestehen müssen, dasz die römische
Republik, obwohl monarchische Ueberlieferungen und demo-
kratische Elemente auf die Verfassung einwirkten, dennoch
wesentlich eine Aristokratie war, und zwar keine Ge-
schlechts- oder Standesaristokratie, wie das Mittelalter sie in
zahlreichen Formen hervorgebracht hat, sondern die grosz-
artigste und herrlichste Volksaristokratie der Welt-
geschichte.



Neunzehntes Capitel.
Bemerkungen über die Aristokratie.

Montesquieu hat die Mäszigung (modération) als Princip
der Aristokratie erklärt, und allerdings bedarf die Aristokratie
der Mäszigung im Interesse ihrer Sicherheit, und wird auf
die Mäszigung hingewiesen durch die Betrachtung, dasz sie
an Zahl und physischer Kraft von der Menge, über welche
sie die Herrschaft übt, übertroffen wird. Wird die Demo-
kratie im Gefühl ihrer äuszerlich unbeschränkten Macht leicht
zu einem unmäszigen Gebrauch derselben verführt, so kann
die Aristokratie im Gegentheil der Sorge nicht leicht los wer-
den, dasz die gereizte Menge ihr Widerstand leiste und sich
wider sie auflehne; und diese Rücksicht bestimmt sie in
der Regel, ihr statliches Uebergewicht nicht allzudrückend
werden zu lassen. Sie weisz es, dasz die Erhaltung ihres
Ansehens groszentheils darauf beruht, dasz sie Masz hält und
ihre Politik ist gewöhnlich conservativ.

Aber das innerste geistige Princip der Aristokratie wird
damit doch nicht bezeichnet. Vielmehr läszt sich als solches
eher die moralische und geistige Auszeichnung der
herrschenden Classe von der regierten Menge angeben. Die
Aristokratie ist nur insofern Wahrheit, als wirklich in ihr die

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[516/0534] Sechstes Buch. Die Statsformen. Wahrheit der Behauptung zugestehen müssen, dasz die römische Republik, obwohl monarchische Ueberlieferungen und demo- kratische Elemente auf die Verfassung einwirkten, dennoch wesentlich eine Aristokratie war, und zwar keine Ge- schlechts- oder Standesaristokratie, wie das Mittelalter sie in zahlreichen Formen hervorgebracht hat, sondern die grosz- artigste und herrlichste Volksaristokratie der Welt- geschichte. Neunzehntes Capitel. Bemerkungen über die Aristokratie. Montesquieu hat die Mäszigung (modération) als Princip der Aristokratie erklärt, und allerdings bedarf die Aristokratie der Mäszigung im Interesse ihrer Sicherheit, und wird auf die Mäszigung hingewiesen durch die Betrachtung, dasz sie an Zahl und physischer Kraft von der Menge, über welche sie die Herrschaft übt, übertroffen wird. Wird die Demo- kratie im Gefühl ihrer äuszerlich unbeschränkten Macht leicht zu einem unmäszigen Gebrauch derselben verführt, so kann die Aristokratie im Gegentheil der Sorge nicht leicht los wer- den, dasz die gereizte Menge ihr Widerstand leiste und sich wider sie auflehne; und diese Rücksicht bestimmt sie in der Regel, ihr statliches Uebergewicht nicht allzudrückend werden zu lassen. Sie weisz es, dasz die Erhaltung ihres Ansehens groszentheils darauf beruht, dasz sie Masz hält und ihre Politik ist gewöhnlich conservativ. Aber das innerste geistige Princip der Aristokratie wird damit doch nicht bezeichnet. Vielmehr läszt sich als solches eher die moralische und geistige Auszeichnung der herrschenden Classe von der regierten Menge angeben. Die Aristokratie ist nur insofern Wahrheit, als wirklich in ihr die

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/534>, abgerufen am 28.11.2024.