decretirte die Steuern, und bestimmte die Ausgaben und Ver- wendungen. Er verfügte über die Aushebung der Truppen und vertheilte die Heere unter die Magistrate. Er ertheilte den Proconsuln und Proprätoren die zur Regierung der Pro- vinzen erforderlichen Vollmachten und Instructionen, und controlirte die gesammte Verwaltung derselben. In schweren Krisen des States ertheilte er den Consuln jene unbegrenzte Machtfülle, welche nöthig schien, die Republik vor Schaden zu bewahren.
4. Die Magistrate. Man kann darüber Zweifel haben, ob die römischen Magistraturen eher eine königliche oder eine aristokratische Institution gewesen seien. Dasz aber ihr Cha- rakter kein demokratischer gewesen, das ist augenfällig genug. Schon die vornehme Form der äuszern Erscheinung dieser Magistrate, ihre mit Purpur geschmückte Toga, der curulische Stuhl auf erhöhtem Boden, die Umgebung derselben mit einem freiwilligen Stab angesehener Gehülfen und Freunde, der Vortritt der Lictoren, die Verbindung mit den Göttern, die bei ihrer Ernennung in Form der Auspicien sich äuszern muszte und die nun auch durch die von den Magistraten vor- genommenen Auspicien unterhalten wurde, läszt in dieser Beziehung keinen Zweifel zurück. Die ausgedehnte und inner- lich absolute Machtfülle, welche in dem imperium als Kern desselben lag, war wesentlich königlich, 3 und die republi- kanische Seite derselben war nur in der kurzen Dauer, für welche diese Macht einzelnen Römern verliehen ward, und in der Vertheilung derselben unter zwei oder mehrere Magistrate von gleichem Rang zu erkennen. Ein dem römischen Stats- recht eigenthümlicher und sehr beachtenswerther offenbar aristokratischer Grundsatz ist es, dasz jeder Magistrat berech- tigt ist, jede Amtshandlung eines ihm gleich oder niedriger
3Cicero de Legibus III. 3: "Regio imperio duo sunto." Liv. IV. 3. Polyb. VI, 11. §. 7: "ton upaton exousian, teleios monarkhikon ephainet' einai kai basilikon."
Sechstes Buch. Die Statsformen.
decretirte die Steuern, und bestimmte die Ausgaben und Ver- wendungen. Er verfügte über die Aushebung der Truppen und vertheilte die Heere unter die Magistrate. Er ertheilte den Proconsuln und Proprätoren die zur Regierung der Pro- vinzen erforderlichen Vollmachten und Instructionen, und controlirte die gesammte Verwaltung derselben. In schweren Krisen des States ertheilte er den Consuln jene unbegrenzte Machtfülle, welche nöthig schien, die Republik vor Schaden zu bewahren.
4. Die Magistrate. Man kann darüber Zweifel haben, ob die römischen Magistraturen eher eine königliche oder eine aristokratische Institution gewesen seien. Dasz aber ihr Cha- rakter kein demokratischer gewesen, das ist augenfällig genug. Schon die vornehme Form der äuszern Erscheinung dieser Magistrate, ihre mit Purpur geschmückte Toga, der curulische Stuhl auf erhöhtem Boden, die Umgebung derselben mit einem freiwilligen Stab angesehener Gehülfen und Freunde, der Vortritt der Lictoren, die Verbindung mit den Göttern, die bei ihrer Ernennung in Form der Auspicien sich äuszern muszte und die nun auch durch die von den Magistraten vor- genommenen Auspicien unterhalten wurde, läszt in dieser Beziehung keinen Zweifel zurück. Die ausgedehnte und inner- lich absolute Machtfülle, welche in dem imperium als Kern desselben lag, war wesentlich königlich, 3 und die republi- kanische Seite derselben war nur in der kurzen Dauer, für welche diese Macht einzelnen Römern verliehen ward, und in der Vertheilung derselben unter zwei oder mehrere Magistrate von gleichem Rang zu erkennen. Ein dem römischen Stats- recht eigenthümlicher und sehr beachtenswerther offenbar aristokratischer Grundsatz ist es, dasz jeder Magistrat berech- tigt ist, jede Amtshandlung eines ihm gleich oder niedriger
3Cicero de Legibus III. 3: „Regio imperio duo sunto.“ Liv. IV. 3. Polyb. VI, 11. §. 7: „τῶν ὑπάτων ἐξουσίαν, τελείως μοναϱχιϰὸν ἐφαίνετ᾽ εἶναι ϰαὶ βασιλιϰὸν.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0532"n="514"/><fwplace="top"type="header">Sechstes Buch. Die Statsformen.</fw><lb/>
decretirte die Steuern, und bestimmte die Ausgaben und Ver-<lb/>
wendungen. Er verfügte über die Aushebung der Truppen<lb/>
und vertheilte die Heere unter die Magistrate. Er ertheilte<lb/>
den Proconsuln und Proprätoren die zur Regierung der Pro-<lb/>
vinzen erforderlichen Vollmachten und Instructionen, und<lb/>
controlirte die gesammte Verwaltung derselben. In schweren<lb/>
Krisen des States ertheilte er den Consuln jene unbegrenzte<lb/>
Machtfülle, welche nöthig schien, die Republik vor Schaden<lb/>
zu bewahren.</p><lb/><p>4. Die <hirendition="#g">Magistrate</hi>. Man kann darüber Zweifel haben,<lb/>
ob die römischen Magistraturen eher eine königliche oder eine<lb/>
aristokratische Institution gewesen seien. Dasz aber ihr Cha-<lb/>
rakter kein demokratischer gewesen, das ist augenfällig genug.<lb/>
Schon die vornehme Form der äuszern Erscheinung dieser<lb/>
Magistrate, ihre mit Purpur geschmückte Toga, der curulische<lb/>
Stuhl auf erhöhtem Boden, die Umgebung derselben mit<lb/>
einem freiwilligen Stab angesehener Gehülfen und Freunde,<lb/>
der Vortritt der Lictoren, die Verbindung mit den Göttern,<lb/>
die bei ihrer Ernennung in Form der Auspicien sich äuszern<lb/>
muszte und die nun auch durch die von den Magistraten vor-<lb/>
genommenen Auspicien unterhalten wurde, läszt in dieser<lb/>
Beziehung keinen Zweifel zurück. Die ausgedehnte und inner-<lb/>
lich absolute Machtfülle, welche in dem imperium als Kern<lb/>
desselben lag, war wesentlich königlich, <noteplace="foot"n="3"><hirendition="#i">Cicero</hi> de Legibus III. 3: „<hirendition="#i">Regio</hi> imperio <hirendition="#i">duo</hi> sunto.“<hirendition="#i">Liv</hi>. IV. 3.<lb/><hirendition="#i">Polyb</hi>. VI, 11. §. 7: „τῶνὑπάτωνἐξουσίαν, τελείως<hirendition="#g">μοναϱχιϰὸν</hi>ἐφαίνετ᾽<lb/>εἶναιϰαὶβασιλιϰὸν.“</note> und die republi-<lb/>
kanische Seite derselben war nur in der kurzen Dauer, für<lb/>
welche diese Macht einzelnen Römern verliehen ward, und in<lb/>
der Vertheilung derselben unter zwei oder mehrere Magistrate<lb/>
von gleichem Rang zu erkennen. Ein dem römischen Stats-<lb/>
recht eigenthümlicher und sehr beachtenswerther offenbar<lb/>
aristokratischer Grundsatz ist es, dasz jeder Magistrat berech-<lb/>
tigt ist, jede Amtshandlung eines ihm gleich oder niedriger<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[514/0532]
Sechstes Buch. Die Statsformen.
decretirte die Steuern, und bestimmte die Ausgaben und Ver-
wendungen. Er verfügte über die Aushebung der Truppen
und vertheilte die Heere unter die Magistrate. Er ertheilte
den Proconsuln und Proprätoren die zur Regierung der Pro-
vinzen erforderlichen Vollmachten und Instructionen, und
controlirte die gesammte Verwaltung derselben. In schweren
Krisen des States ertheilte er den Consuln jene unbegrenzte
Machtfülle, welche nöthig schien, die Republik vor Schaden
zu bewahren.
4. Die Magistrate. Man kann darüber Zweifel haben,
ob die römischen Magistraturen eher eine königliche oder eine
aristokratische Institution gewesen seien. Dasz aber ihr Cha-
rakter kein demokratischer gewesen, das ist augenfällig genug.
Schon die vornehme Form der äuszern Erscheinung dieser
Magistrate, ihre mit Purpur geschmückte Toga, der curulische
Stuhl auf erhöhtem Boden, die Umgebung derselben mit
einem freiwilligen Stab angesehener Gehülfen und Freunde,
der Vortritt der Lictoren, die Verbindung mit den Göttern,
die bei ihrer Ernennung in Form der Auspicien sich äuszern
muszte und die nun auch durch die von den Magistraten vor-
genommenen Auspicien unterhalten wurde, läszt in dieser
Beziehung keinen Zweifel zurück. Die ausgedehnte und inner-
lich absolute Machtfülle, welche in dem imperium als Kern
desselben lag, war wesentlich königlich, 3 und die republi-
kanische Seite derselben war nur in der kurzen Dauer, für
welche diese Macht einzelnen Römern verliehen ward, und in
der Vertheilung derselben unter zwei oder mehrere Magistrate
von gleichem Rang zu erkennen. Ein dem römischen Stats-
recht eigenthümlicher und sehr beachtenswerther offenbar
aristokratischer Grundsatz ist es, dasz jeder Magistrat berech-
tigt ist, jede Amtshandlung eines ihm gleich oder niedriger
3 Cicero de Legibus III. 3: „Regio imperio duo sunto.“ Liv. IV. 3.
Polyb. VI, 11. §. 7: „τῶν ὑπάτων ἐξουσίαν, τελείως μοναϱχιϰὸν ἐφαίνετ᾽
εἶναι ϰαὶ βασιλιϰὸν.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/532>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.