Sechsz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 3. Mon. Princip etc.
Das im Mittelalter erkannte Princip, dasz alle Regierungs- autorität und Gewalt von oben her komme und stufenweise nach unten verliehen, nicht aber umgekehrt von unten nach oben aufgetragen werde, und dasz alle obrigkeitliche Macht vom Centrum zur Peripherie und nicht von dieser zu jenem den Weg nehme und wirke, ist in der constitutionellen Monarchie der neuern Zeit in Anerkennung geblieben. Aber die mittelalterliche Zersplitterung dieser Gewalt in selbständige Theilgewalten ist nun aufgegeben worden.
4. Alle einzelnen Statsorgane sind dem Monarchen untergeordnet, und zwar nicht blosz die, welche in ihrem Wirkungskreise von seinem Willen völlig abhängig sind, son- dern auch die, an deren Zustimmung er selber gebunden ist, um einen statlichen Willen zu äuszern, wie die Minister und die, denen ein von der Einwirkung des Statsoberhauptes un- abhängiger Wirkungskreis angewiesen ist, wie die Richter, ja selbst die gesetzgebenden Kammern, welche als selbständige Mächte im State sich mit ihm zur Gesetzgebung einigen. Wie das Haupt allen andern Gliedern des Körpers und dem Leibe übergeordnet ist, so hat der Monarch in dem Statskörper die höchste Stelle.
Man darf den Begriff der constitutionellen Mon- archie nicht aus der englischen Verfassung allein ableiten. Je nach der Art und der Geschichte eines Volkes bekommt dieselbe Grundform einen modificirten Ausdruck. Da sie ihrer Natur nach relativ und nicht absolut ist, so hat sie auch die Fähigkeit, sich den verschiedenen Verhältnissen und Be- dürfnissen anzuschmiegen.
Als nothwendige Merkmale aller constitutionellen Mon- archie sind folgende Eigenschaften hervorzuheben:
gewalt des Statshaupts und verlangt für jenes Unabhängigkeit sowohl von der Volksvertretung als von den Ministern. Diese Theorie eröffnet dem Absolutismus der Fürsten eine bequeme Hinterthüre, aber gefährdet und untergräbt die ganze verfassungsmäszige Statsordnung.
Sechsz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 3. Mon. Princip etc.
Das im Mittelalter erkannte Princip, dasz alle Regierungs- autorität und Gewalt von oben her komme und stufenweise nach unten verliehen, nicht aber umgekehrt von unten nach oben aufgetragen werde, und dasz alle obrigkeitliche Macht vom Centrum zur Peripherie und nicht von dieser zu jenem den Weg nehme und wirke, ist in der constitutionellen Monarchie der neuern Zeit in Anerkennung geblieben. Aber die mittelalterliche Zersplitterung dieser Gewalt in selbständige Theilgewalten ist nun aufgegeben worden.
4. Alle einzelnen Statsorgane sind dem Monarchen untergeordnet, und zwar nicht blosz die, welche in ihrem Wirkungskreise von seinem Willen völlig abhängig sind, son- dern auch die, an deren Zustimmung er selber gebunden ist, um einen statlichen Willen zu äuszern, wie die Minister und die, denen ein von der Einwirkung des Statsoberhauptes un- abhängiger Wirkungskreis angewiesen ist, wie die Richter, ja selbst die gesetzgebenden Kammern, welche als selbständige Mächte im State sich mit ihm zur Gesetzgebung einigen. Wie das Haupt allen andern Gliedern des Körpers und dem Leibe übergeordnet ist, so hat der Monarch in dem Statskörper die höchste Stelle.
Man darf den Begriff der constitutionellen Mon- archie nicht aus der englischen Verfassung allein ableiten. Je nach der Art und der Geschichte eines Volkes bekommt dieselbe Grundform einen modificirten Ausdruck. Da sie ihrer Natur nach relativ und nicht absolut ist, so hat sie auch die Fähigkeit, sich den verschiedenen Verhältnissen und Be- dürfnissen anzuschmiegen.
Als nothwendige Merkmale aller constitutionellen Mon- archie sind folgende Eigenschaften hervorzuheben:
gewalt des Statshaupts und verlangt für jenes Unabhängigkeit sowohl von der Volksvertretung als von den Ministern. Diese Theorie eröffnet dem Absolutismus der Fürsten eine bequeme Hinterthüre, aber gefährdet und untergräbt die ganze verfassungsmäszige Statsordnung.
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Sechsz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 3. Mon. Princip etc.
Das im Mittelalter erkannte Princip, dasz alle Regierungs-
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nach unten verliehen, nicht aber umgekehrt von unten nach
oben aufgetragen werde, und dasz alle obrigkeitliche Macht
vom Centrum zur Peripherie und nicht von dieser zu
jenem den Weg nehme und wirke, ist in der constitutionellen
Monarchie der neuern Zeit in Anerkennung geblieben. Aber
die mittelalterliche Zersplitterung dieser Gewalt in selbständige
Theilgewalten ist nun aufgegeben worden.
4. Alle einzelnen Statsorgane sind dem Monarchen
untergeordnet, und zwar nicht blosz die, welche in ihrem
Wirkungskreise von seinem Willen völlig abhängig sind, son-
dern auch die, an deren Zustimmung er selber gebunden ist,
um einen statlichen Willen zu äuszern, wie die Minister und
die, denen ein von der Einwirkung des Statsoberhauptes un-
abhängiger Wirkungskreis angewiesen ist, wie die Richter,
ja selbst die gesetzgebenden Kammern, welche als selbständige
Mächte im State sich mit ihm zur Gesetzgebung einigen. Wie
das Haupt allen andern Gliedern des Körpers und dem Leibe
übergeordnet ist, so hat der Monarch in dem Statskörper die
höchste Stelle.
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archie nicht aus der englischen Verfassung allein ableiten.
Je nach der Art und der Geschichte eines Volkes bekommt
dieselbe Grundform einen modificirten Ausdruck. Da sie ihrer
Natur nach relativ und nicht absolut ist, so hat sie auch
die Fähigkeit, sich den verschiedenen Verhältnissen und Be-
dürfnissen anzuschmiegen.
Als nothwendige Merkmale aller constitutionellen Mon-
archie sind folgende Eigenschaften hervorzuheben:
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8 gewalt des Statshaupts und verlangt für jenes Unabhängigkeit sowohl
von der Volksvertretung als von den Ministern. Diese Theorie eröffnet
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/517>, abgerufen am 24.11.2024.
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