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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc.
stellt; und daher noch etwas von Aristokratie an sich hat.
Die Mischung verschiedenartiger Verfassungsprincipien in dem
deutschen Reiche, welche vor zwei Jahrhunderten Pufendorf
als monstros erklärt, ist auch in der heutigen Reichsverfassung
noch nicht völlig geklärt. Aber trotz dieser geschichtlich-
politischen Besonderheiten ist die Lebensfähigkeit und die
Thatkraft des deutschen Reichs bewährt. Wenn Einheit und
Macht der monarchischen Regierung und anerkannte Volks-
rechte und Volksfreiheiten das Wesen der constitutionellen
Monarchie bilden, so musz die deutsche Reichsverfassung als
eine eigenthümliche Form dieser Statsgattung anerkannt werden.



Fassen wir die Resultate zusammen:

In West-Europa hat das System der repräsentativen
oder der constitutionellen Monarchie das entschiedenste
Uebergewicht erlangt. Fast in allen Staten der civilisirten
europäischen Völker werden nicht blosz das Privatrecht der
Bürger, sondern auch politische Rechte der Volksmenge und
ihrer Classen anerkannt und Stellvertreter derselben zur Mit-
wirkung bei der Gesetzgebung zugezogen. Die europäische
Monarchie
ist nicht mehr eine unbeschränkte und absolute
Gewalt, sondern eine durch das Recht auch der Unter-
thanen beschränkte oberste Rechtsmacht
.

Aber im Uebrigen sind die Verfassungsformen noch sehr
verschieden.

In England ist das Königthum von einer mächtigen
Aristokratie umgeben, und die thatsächliche Leitung mehr
von den Mehrheiten der Parlamentshäuser und den ihnen ver-
antwortlichen Ministern als von dem individuellen Willen des
Königs abhängig. Auf dem Continente dagegen gibt es
nirgends mehr eine so angesehene Aristokratie. Vielmehr
kommt da neben dem monarchischen das demokrati-
sche
Element vorzüglich in Betracht; das aristokratische hat

Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc.
stellt; und daher noch etwas von Aristokratie an sich hat.
Die Mischung verschiedenartiger Verfassungsprincipien in dem
deutschen Reiche, welche vor zwei Jahrhunderten Pufendorf
als monstros erklärt, ist auch in der heutigen Reichsverfassung
noch nicht völlig geklärt. Aber trotz dieser geschichtlich-
politischen Besonderheiten ist die Lebensfähigkeit und die
Thatkraft des deutschen Reichs bewährt. Wenn Einheit und
Macht der monarchischen Regierung und anerkannte Volks-
rechte und Volksfreiheiten das Wesen der constitutionellen
Monarchie bilden, so musz die deutsche Reichsverfassung als
eine eigenthümliche Form dieser Statsgattung anerkannt werden.



Fassen wir die Resultate zusammen:

In West-Europa hat das System der repräsentativen
oder der constitutionellen Monarchie das entschiedenste
Uebergewicht erlangt. Fast in allen Staten der civilisirten
europäischen Völker werden nicht blosz das Privatrecht der
Bürger, sondern auch politische Rechte der Volksmenge und
ihrer Classen anerkannt und Stellvertreter derselben zur Mit-
wirkung bei der Gesetzgebung zugezogen. Die europäische
Monarchie
ist nicht mehr eine unbeschränkte und absolute
Gewalt, sondern eine durch das Recht auch der Unter-
thanen beschränkte oberste Rechtsmacht
.

Aber im Uebrigen sind die Verfassungsformen noch sehr
verschieden.

In England ist das Königthum von einer mächtigen
Aristokratie umgeben, und die thatsächliche Leitung mehr
von den Mehrheiten der Parlamentshäuser und den ihnen ver-
antwortlichen Ministern als von dem individuellen Willen des
Königs abhängig. Auf dem Continente dagegen gibt es
nirgends mehr eine so angesehene Aristokratie. Vielmehr
kommt da neben dem monarchischen das demokrati-
sche
Element vorzüglich in Betracht; das aristokratische hat

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[483/0501] Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc. stellt; und daher noch etwas von Aristokratie an sich hat. Die Mischung verschiedenartiger Verfassungsprincipien in dem deutschen Reiche, welche vor zwei Jahrhunderten Pufendorf als monstros erklärt, ist auch in der heutigen Reichsverfassung noch nicht völlig geklärt. Aber trotz dieser geschichtlich- politischen Besonderheiten ist die Lebensfähigkeit und die Thatkraft des deutschen Reichs bewährt. Wenn Einheit und Macht der monarchischen Regierung und anerkannte Volks- rechte und Volksfreiheiten das Wesen der constitutionellen Monarchie bilden, so musz die deutsche Reichsverfassung als eine eigenthümliche Form dieser Statsgattung anerkannt werden. Fassen wir die Resultate zusammen: In West-Europa hat das System der repräsentativen oder der constitutionellen Monarchie das entschiedenste Uebergewicht erlangt. Fast in allen Staten der civilisirten europäischen Völker werden nicht blosz das Privatrecht der Bürger, sondern auch politische Rechte der Volksmenge und ihrer Classen anerkannt und Stellvertreter derselben zur Mit- wirkung bei der Gesetzgebung zugezogen. Die europäische Monarchie ist nicht mehr eine unbeschränkte und absolute Gewalt, sondern eine durch das Recht auch der Unter- thanen beschränkte oberste Rechtsmacht. Aber im Uebrigen sind die Verfassungsformen noch sehr verschieden. In England ist das Königthum von einer mächtigen Aristokratie umgeben, und die thatsächliche Leitung mehr von den Mehrheiten der Parlamentshäuser und den ihnen ver- antwortlichen Ministern als von dem individuellen Willen des Königs abhängig. Auf dem Continente dagegen gibt es nirgends mehr eine so angesehene Aristokratie. Vielmehr kommt da neben dem monarchischen das demokrati- sche Element vorzüglich in Betracht; das aristokratische hat

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/501>, abgerufen am 24.11.2024.