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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc.
germanischen Statslebens, d. h. der eigentlichen euro-
päischen Statscultur
.

I. Zuerst kam diese Statsform in England zur Ausbil-
dung. Langsam reifte sie heran in der groszen Geschichte
dieses Inselreiches, langsam, aber in stäter und sicherer Ent-
wicklung. In keinem europäischen Lande hatte das König-
thum während des Mittelalters seine centrale Macht so un-
versehrt erhalten wie in England, in keinem aber auch wurden
die Rechte und die Freiheiten des Adels und des Volkes so
männlich vertheidigt und so fest begründet, wie dort.

Auch die englische Nation ist von den erschütternden
Fiebern der Revolution nicht verschont geblieben. Zwei grosze
Revolutionen drohten dem ganzen englischen Statsgebäude den
Untergang. Die erste, um die Mitte des XIII. Jahrhunderts,
war der Versuch der Aristokratie, die Statsregierung dem
Könige wegzunehmen und in ihre Gewalt zu bringen. Das
war der Sinn der "Provisionen" von Oxford von 1258,
welche dem besiegten Könige Heinrich III. von dem Grafen
Leicester aufgenöthigt wurden. 1 In der zweiten groszen
Revolution, welche aus dem Kampfe Karls I. mit dem langen
Parlament in der Mitte des XVII. Jahrhunderts hervorbrach,
ward für einige Zeit das Königthum sammt der Aristokratie
von der fanatisirten Volkspartei der demokratischen Pu-
ritaner beseitigt (1649).

Aber beidemale dauerte die Krankheit nicht so lange,
dasz sie den Statskörper auf die Dauer schwächte. Sie war
auch, obwohl äuszerlich in heftigen Symptomen sich offen-
barend, innerlich nicht so mächtig, um dem Leben der Nation
eine fremde Richtung zu geben. Beidemale erholte sich Eng-
land rasch von der Erschütterung und der historische Zu-
sammenhang mit der Vergangenheit ging nicht verloren, die
Entwicklung der Nation blieb eine organische und nor-

1 Guizot, Essai u. s. f. S. 311 ff.
Bluntschli, allgemeine Statslehre. 29

Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc.
germanischen Statslebens, d. h. der eigentlichen euro-
päischen Statscultur
.

I. Zuerst kam diese Statsform in England zur Ausbil-
dung. Langsam reifte sie heran in der groszen Geschichte
dieses Inselreiches, langsam, aber in stäter und sicherer Ent-
wicklung. In keinem europäischen Lande hatte das König-
thum während des Mittelalters seine centrale Macht so un-
versehrt erhalten wie in England, in keinem aber auch wurden
die Rechte und die Freiheiten des Adels und des Volkes so
männlich vertheidigt und so fest begründet, wie dort.

Auch die englische Nation ist von den erschütternden
Fiebern der Revolution nicht verschont geblieben. Zwei grosze
Revolutionen drohten dem ganzen englischen Statsgebäude den
Untergang. Die erste, um die Mitte des XIII. Jahrhunderts,
war der Versuch der Aristokratie, die Statsregierung dem
Könige wegzunehmen und in ihre Gewalt zu bringen. Das
war der Sinn der „Provisionen“ von Oxford von 1258,
welche dem besiegten Könige Heinrich III. von dem Grafen
Leicester aufgenöthigt wurden. 1 In der zweiten groszen
Revolution, welche aus dem Kampfe Karls I. mit dem langen
Parlament in der Mitte des XVII. Jahrhunderts hervorbrach,
ward für einige Zeit das Königthum sammt der Aristokratie
von der fanatisirten Volkspartei der demokratischen Pu-
ritaner beseitigt (1649).

Aber beidemale dauerte die Krankheit nicht so lange,
dasz sie den Statskörper auf die Dauer schwächte. Sie war
auch, obwohl äuszerlich in heftigen Symptomen sich offen-
barend, innerlich nicht so mächtig, um dem Leben der Nation
eine fremde Richtung zu geben. Beidemale erholte sich Eng-
land rasch von der Erschütterung und der historische Zu-
sammenhang mit der Vergangenheit ging nicht verloren, die
Entwicklung der Nation blieb eine organische und nor-

1 Guizot, Essai u. s. f. S. 311 ff.
Bluntschli, allgemeine Statslehre. 29
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[449/0467] Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc. germanischen Statslebens, d. h. der eigentlichen euro- päischen Statscultur. I. Zuerst kam diese Statsform in England zur Ausbil- dung. Langsam reifte sie heran in der groszen Geschichte dieses Inselreiches, langsam, aber in stäter und sicherer Ent- wicklung. In keinem europäischen Lande hatte das König- thum während des Mittelalters seine centrale Macht so un- versehrt erhalten wie in England, in keinem aber auch wurden die Rechte und die Freiheiten des Adels und des Volkes so männlich vertheidigt und so fest begründet, wie dort. Auch die englische Nation ist von den erschütternden Fiebern der Revolution nicht verschont geblieben. Zwei grosze Revolutionen drohten dem ganzen englischen Statsgebäude den Untergang. Die erste, um die Mitte des XIII. Jahrhunderts, war der Versuch der Aristokratie, die Statsregierung dem Könige wegzunehmen und in ihre Gewalt zu bringen. Das war der Sinn der „Provisionen“ von Oxford von 1258, welche dem besiegten Könige Heinrich III. von dem Grafen Leicester aufgenöthigt wurden. 1 In der zweiten groszen Revolution, welche aus dem Kampfe Karls I. mit dem langen Parlament in der Mitte des XVII. Jahrhunderts hervorbrach, ward für einige Zeit das Königthum sammt der Aristokratie von der fanatisirten Volkspartei der demokratischen Pu- ritaner beseitigt (1649). Aber beidemale dauerte die Krankheit nicht so lange, dasz sie den Statskörper auf die Dauer schwächte. Sie war auch, obwohl äuszerlich in heftigen Symptomen sich offen- barend, innerlich nicht so mächtig, um dem Leben der Nation eine fremde Richtung zu geben. Beidemale erholte sich Eng- land rasch von der Erschütterung und der historische Zu- sammenhang mit der Vergangenheit ging nicht verloren, die Entwicklung der Nation blieb eine organische und nor- 1 Guizot, Essai u. s. f. S. 311 ff. Bluntschli, allgemeine Statslehre. 29

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/467>, abgerufen am 24.11.2024.