Eilftes Capitel. II. Monarch. Statsformen. D. Fränkisches Königthum.
Pflicht wird mit der des Rechts unauflösbar verbunden, und schrankenlose Willkürgewalt nicht gestattet. Der neue Gedanke ist freilich noch nicht nach allen Seiten klar ge- worden, aber der Kern desselben ist gesund und einer wahr- haft statlichen Entwicklung fähig.
Von diesem Standpunkte aus darf und soll der König auch gebieten. Das Gebot äuszerte sich in der Form des sogenannten Bannes. Der König hatte sowohl den Heer- bann als den Gerichtsbann. In Folge des ersten verfügte er über die ganze Kriegsmacht des Reiches, freilich auch hier durch das Herkommen beschränkt und nach bestimmten Ver- hältnissen der Kriegsdienstpflicht. Indessen riefen starke Kö- nige, wie insbesondere Karl der Grosze, nicht blosz das lehens- pflichtige Gefolge, sondern ganze Abtheilungen des Heerbannes auch zu Angriffskriegen auf, und bedrohten jeden Säumigen mit dem schweren Königsbann von 60 Schillingen Busze. 7
In dem Gerichtswesen, woran sich noch immer die Lan- desverwaltung anlehnte, übt der König den Gerichtsbann aus, freilich selten mehr in Person, in der Regel durch die Gaugrafen, deren Gerichtsbarkeit aber von ihm abgeleitet ward. Die erstarkende Statsordnung beschränkte nun die früher in viel weiterem Umfange geübte Selbsthülfe und Rache in Privatrechtlichen Streitigkeiten wie in Straffällen, und über das ganze Land breitete sich der sogenannte Königsfrie- den unter dem Schutze des Königsbannes aus und ersetzte den vormals leichter zu störenden gemeinen Frieden.
Auch die Einkünfte der königlichen Kammer und der Fiscus des Königs, worüber dieser nach eigenem Er- messen frei verfügte, hatten bedeutend zugenommen. Die
sui dignitatem custodire debet. Nomen enim regis intellectualiter hoc retinet, ut subjectis omnibus rectoris officium procuret."
7 Vgl. Zöpfl. D. St. u. R. G. II. §. 36. Cap. 2. Caroli M. a. 812. §. 1: "Quicumque homo liber in hostem bannitus fuerit et venisse con- temserit, plenum heribannum i. e. 60 solidos persolvat."
Eilftes Capitel. II. Monarch. Statsformen. D. Fränkisches Königthum.
Pflicht wird mit der des Rechts unauflösbar verbunden, und schrankenlose Willkürgewalt nicht gestattet. Der neue Gedanke ist freilich noch nicht nach allen Seiten klar ge- worden, aber der Kern desselben ist gesund und einer wahr- haft statlichen Entwicklung fähig.
Von diesem Standpunkte aus darf und soll der König auch gebieten. Das Gebot äuszerte sich in der Form des sogenannten Bannes. Der König hatte sowohl den Heer- bann als den Gerichtsbann. In Folge des ersten verfügte er über die ganze Kriegsmacht des Reiches, freilich auch hier durch das Herkommen beschränkt und nach bestimmten Ver- hältnissen der Kriegsdienstpflicht. Indessen riefen starke Kö- nige, wie insbesondere Karl der Grosze, nicht blosz das lehens- pflichtige Gefolge, sondern ganze Abtheilungen des Heerbannes auch zu Angriffskriegen auf, und bedrohten jeden Säumigen mit dem schweren Königsbann von 60 Schillingen Busze. 7
In dem Gerichtswesen, woran sich noch immer die Lan- desverwaltung anlehnte, übt der König den Gerichtsbann aus, freilich selten mehr in Person, in der Regel durch die Gaugrafen, deren Gerichtsbarkeit aber von ihm abgeleitet ward. Die erstarkende Statsordnung beschränkte nun die früher in viel weiterem Umfange geübte Selbsthülfe und Rache in Privatrechtlichen Streitigkeiten wie in Straffällen, und über das ganze Land breitete sich der sogenannte Königsfrie- den unter dem Schutze des Königsbannes aus und ersetzte den vormals leichter zu störenden gemeinen Frieden.
Auch die Einkünfte der königlichen Kammer und der Fiscus des Königs, worüber dieser nach eigenem Er- messen frei verfügte, hatten bedeutend zugenommen. Die
sui dignitatem custodire debet. Nomen enim regis intellectualiter hoc retinet, ut subjectis omnibus rectoris officium procuret.“
7 Vgl. Zöpfl. D. St. u. R. G. II. §. 36. Cap. 2. Caroli M. a. 812. §. 1: „Quicumque homo liber in hostem bannitus fuerit et venisse con- temserit, plenum heribannum i. e. 60 solidos persolvat.“
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Pflicht wird mit der des Rechts unauflösbar verbunden,
und schrankenlose Willkürgewalt nicht gestattet. Der neue
Gedanke ist freilich noch nicht nach allen Seiten klar ge-
worden, aber der Kern desselben ist gesund und einer wahr-
haft statlichen Entwicklung fähig.
Von diesem Standpunkte aus darf und soll der König
auch gebieten. Das Gebot äuszerte sich in der Form des
sogenannten Bannes. Der König hatte sowohl den Heer-
bann als den Gerichtsbann. In Folge des ersten verfügte
er über die ganze Kriegsmacht des Reiches, freilich auch hier
durch das Herkommen beschränkt und nach bestimmten Ver-
hältnissen der Kriegsdienstpflicht. Indessen riefen starke Kö-
nige, wie insbesondere Karl der Grosze, nicht blosz das lehens-
pflichtige Gefolge, sondern ganze Abtheilungen des Heerbannes
auch zu Angriffskriegen auf, und bedrohten jeden Säumigen
mit dem schweren Königsbann von 60 Schillingen Busze. 7
In dem Gerichtswesen, woran sich noch immer die Lan-
desverwaltung anlehnte, übt der König den Gerichtsbann
aus, freilich selten mehr in Person, in der Regel durch die
Gaugrafen, deren Gerichtsbarkeit aber von ihm abgeleitet
ward. Die erstarkende Statsordnung beschränkte nun die
früher in viel weiterem Umfange geübte Selbsthülfe und Rache
in Privatrechtlichen Streitigkeiten wie in Straffällen, und über
das ganze Land breitete sich der sogenannte Königsfrie-
den unter dem Schutze des Königsbannes aus und ersetzte
den vormals leichter zu störenden gemeinen Frieden.
Auch die Einkünfte der königlichen Kammer und
der Fiscus des Königs, worüber dieser nach eigenem Er-
messen frei verfügte, hatten bedeutend zugenommen. Die
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7 Vgl. Zöpfl. D. St. u. R. G. II. §. 36. Cap. 2. Caroli M. a. 812.
§. 1: „Quicumque homo liber in hostem bannitus fuerit et venisse con-
temserit, plenum heribannum i. e. 60 solidos persolvat.“
6 sui dignitatem custodire debet. Nomen enim regis intellectualiter hoc
retinet, ut subjectis omnibus rectoris officium procuret.“
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/443>, abgerufen am 22.11.2024.
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