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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Neuntes Cap. II. Monarch. Statsformen. B. Altrömisches Volkskönigthum.
den Gesetzen konnte aber der König unzweifelhaft durch sein
Edict, ohne Berathung und Zustimmung irgend einer be-
schränkenden Versammlung, das Recht näher bestimmen, wel-
ches er schützen und handhaben werde. Machte er auch selten
davon Gebrauch, so wurde es von jeher doch als ein Recht
der römischen Magistrate betrachtet, das Gewohnheitsrecht
und neue Rechtsansichten in solcher Weise zur Anerkennung
zu bringen, und in den von ihnen bestimmten Formen fort-
zubilden. Dieses jus edicendi ist von den Königen auf die
Magistrate der Republik übergegangen, nicht für diese neu
begründet worden.

So war auch die Autorität der römischen Könige in Hand-
habung der Rechtspflege viel gröszer, als die der germa-
nischen Fürsten. Wie diese saszen auch jene öffentlich und
anfangs persönlich zu Gericht, aber der Rex war nicht be-
schränkt durch das Urtheil der Beisitzer. Er leitete nicht
blosz den Gang des Processes, er setzte selber den Rechts-
satz fest (jus dicit), welcher zur Anwendung kommen sollte.
Er urtheilte wohl auch in der ältern Zeit häufig selbst. Die
ganze Privatrechtspflege und die Strafrechtspflege gröszern-
theils hingen durchaus von ihm ab. 7

Wie ausgedehnt ferner war die Heeresgewalt des rö-
mischen Königs! Keine Schranke hemmte im Felde das abso-
lute Recht desselben über Leben und Tod aller Kriegspflich-
tigen von den obersten Führern bis hinab zu den niedrigsten
Kriegern. Noch aus den Zeiten der römischen Republik, in
welchen die überlieferte königliche Gewalt so mancherlei Be-
schränkungen erlitten hatte, kennen wir eine ziemliche Anzahl

wenn er den Königen in älterer Zeit für sich allein alle Gesetzge-
bungsgewalt zuschreibt. Der bescheidenere Ausdruck rogare legem wird
zwar von den Königen nicht gebraucht, sondern die vornehmeren Be-
zeichnungen constituere, instituere, dare jus; aber damit wird weder die
Bedeutung des Senates, noch die des Volkes verneint.
7 Cicero de Rep. V. 2: "Omnia conficiebantur judiciis regiis." II. 31.
Zonaras, annal. VII. 13.

Neuntes Cap. II. Monarch. Statsformen. B. Altrömisches Volkskönigthum.
den Gesetzen konnte aber der König unzweifelhaft durch sein
Edict, ohne Berathung und Zustimmung irgend einer be-
schränkenden Versammlung, das Recht näher bestimmen, wel-
ches er schützen und handhaben werde. Machte er auch selten
davon Gebrauch, so wurde es von jeher doch als ein Recht
der römischen Magistrate betrachtet, das Gewohnheitsrecht
und neue Rechtsansichten in solcher Weise zur Anerkennung
zu bringen, und in den von ihnen bestimmten Formen fort-
zubilden. Dieses jus edicendi ist von den Königen auf die
Magistrate der Republik übergegangen, nicht für diese neu
begründet worden.

So war auch die Autorität der römischen Könige in Hand-
habung der Rechtspflege viel gröszer, als die der germa-
nischen Fürsten. Wie diese saszen auch jene öffentlich und
anfangs persönlich zu Gericht, aber der Rex war nicht be-
schränkt durch das Urtheil der Beisitzer. Er leitete nicht
blosz den Gang des Processes, er setzte selber den Rechts-
satz fest (jus dicit), welcher zur Anwendung kommen sollte.
Er urtheilte wohl auch in der ältern Zeit häufig selbst. Die
ganze Privatrechtspflege und die Strafrechtspflege gröszern-
theils hingen durchaus von ihm ab. 7

Wie ausgedehnt ferner war die Heeresgewalt des rö-
mischen Königs! Keine Schranke hemmte im Felde das abso-
lute Recht desselben über Leben und Tod aller Kriegspflich-
tigen von den obersten Führern bis hinab zu den niedrigsten
Kriegern. Noch aus den Zeiten der römischen Republik, in
welchen die überlieferte königliche Gewalt so mancherlei Be-
schränkungen erlitten hatte, kennen wir eine ziemliche Anzahl

wenn er den Königen in älterer Zeit für sich allein alle Gesetzge-
bungsgewalt zuschreibt. Der bescheidenere Ausdruck rogare legem wird
zwar von den Königen nicht gebraucht, sondern die vornehmeren Be-
zeichnungen constituere, instituere, dare jus; aber damit wird weder die
Bedeutung des Senates, noch die des Volkes verneint.
7 Cicero de Rep. V. 2: „Omnia conficiebantur judiciis regiis.“ II. 31.
Zonaras, annal. VII. 13.
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[413/0431] Neuntes Cap. II. Monarch. Statsformen. B. Altrömisches Volkskönigthum. den Gesetzen konnte aber der König unzweifelhaft durch sein Edict, ohne Berathung und Zustimmung irgend einer be- schränkenden Versammlung, das Recht näher bestimmen, wel- ches er schützen und handhaben werde. Machte er auch selten davon Gebrauch, so wurde es von jeher doch als ein Recht der römischen Magistrate betrachtet, das Gewohnheitsrecht und neue Rechtsansichten in solcher Weise zur Anerkennung zu bringen, und in den von ihnen bestimmten Formen fort- zubilden. Dieses jus edicendi ist von den Königen auf die Magistrate der Republik übergegangen, nicht für diese neu begründet worden. So war auch die Autorität der römischen Könige in Hand- habung der Rechtspflege viel gröszer, als die der germa- nischen Fürsten. Wie diese saszen auch jene öffentlich und anfangs persönlich zu Gericht, aber der Rex war nicht be- schränkt durch das Urtheil der Beisitzer. Er leitete nicht blosz den Gang des Processes, er setzte selber den Rechts- satz fest (jus dicit), welcher zur Anwendung kommen sollte. Er urtheilte wohl auch in der ältern Zeit häufig selbst. Die ganze Privatrechtspflege und die Strafrechtspflege gröszern- theils hingen durchaus von ihm ab. 7 Wie ausgedehnt ferner war die Heeresgewalt des rö- mischen Königs! Keine Schranke hemmte im Felde das abso- lute Recht desselben über Leben und Tod aller Kriegspflich- tigen von den obersten Führern bis hinab zu den niedrigsten Kriegern. Noch aus den Zeiten der römischen Republik, in welchen die überlieferte königliche Gewalt so mancherlei Be- schränkungen erlitten hatte, kennen wir eine ziemliche Anzahl 6 7 Cicero de Rep. V. 2: „Omnia conficiebantur judiciis regiis.“ II. 31. Zonaras, annal. VII. 13. 6 wenn er den Königen in älterer Zeit für sich allein alle Gesetzge- bungsgewalt zuschreibt. Der bescheidenere Ausdruck rogare legem wird zwar von den Königen nicht gebraucht, sondern die vornehmeren Be- zeichnungen constituere, instituere, dare jus; aber damit wird weder die Bedeutung des Senates, noch die des Volkes verneint.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/431>, abgerufen am 25.11.2024.