ungleiche Ehe entwürdigt. Aber die Würde des Königs wird doch wieder so hoch gehalten, dasz ihr eine besondere Gött- lichkeit inwohnt. Sein Leib wird nach den Gesetzen Manu's, aus Bestandtheilen gebildet, welche in den acht göttlichen Wächtern der Welt ihren Ursprung haben, daher ist er rein und heilig. "Wie die Sonne blendet er die Augen und Her- zen, und Niemand auf Erden vermag ihm ins Antlitz zu sehen. Gott hat ihn geschaffen zur Erhaltung aller Wesen. Keiner darf ihn, selbst wenn er noch ein Kind ist, verachten, indem er zu sich sagt: er ist ein einfacher Sterblicher, denn eine grosze göttliche Kraft wohnt in ihm." 4
Auch der indische König ist von Priestern umgeben. Er bedarf der Weihe, wenn er die Regierung antritt. Seine sieben oder acht Minister, welche er einzeln und vereint in allen Geschäften vernimmt, bevor er den Entscheid faszt, sind meistens Brahmanen. Jedenfalls aber musz er in allen wich- tigen Dingen vorerst einen brahmanischen Gewissensrath zu Rathe ziehen. Auch ihm ist ein strenges Ceremoniel vorge- schrieben, und die Gesetze Manu's mahnen ihn in ernster Sprache an seine -- wenn auch nicht näher geordnete -- Ver- antwortlichkeit: "Der unsinnige Monarch, welcher seine Unter- thanen durch Ungerechtigkeit bedrückt, wird in kurzem seines Königthums und seines Lebens beraubt werden, er und seine ganze Familie." 5
Immerhin hat der indische in höherem Grade arische Stat übrigens ein helleres, freieres Ansehen, und ist in ihm die königliche Würde und Macht mehr und statlicher ausgebildet, als in den finsteren Priesterstaten von Meroe und Aegypten. In allen aber finden wir ein schroffes und starres Kasten- system; grosze Vorrechte der Priesterkaste, die in sich alles geistige Leben der Nation vereinigte und abschlosz, und zu-
4Manava -- Dharma -- Sastra. Lois de Manou, par Loiseleur. Paris 1833. V. 96, 97. VII. 3-8.
5 Ebend. VII. 54 ff. 111.
Sechstes Capitel. I. Die (Ideokratie) Theokratie.
ungleiche Ehe entwürdigt. Aber die Würde des Königs wird doch wieder so hoch gehalten, dasz ihr eine besondere Gött- lichkeit inwohnt. Sein Leib wird nach den Gesetzen Manu's, aus Bestandtheilen gebildet, welche in den acht göttlichen Wächtern der Welt ihren Ursprung haben, daher ist er rein und heilig. „Wie die Sonne blendet er die Augen und Her- zen, und Niemand auf Erden vermag ihm ins Antlitz zu sehen. Gott hat ihn geschaffen zur Erhaltung aller Wesen. Keiner darf ihn, selbst wenn er noch ein Kind ist, verachten, indem er zu sich sagt: er ist ein einfacher Sterblicher, denn eine grosze göttliche Kraft wohnt in ihm.“ 4
Auch der indische König ist von Priestern umgeben. Er bedarf der Weihe, wenn er die Regierung antritt. Seine sieben oder acht Minister, welche er einzeln und vereint in allen Geschäften vernimmt, bevor er den Entscheid faszt, sind meistens Brahmanen. Jedenfalls aber musz er in allen wich- tigen Dingen vorerst einen brahmanischen Gewissensrath zu Rathe ziehen. Auch ihm ist ein strenges Ceremoniel vorge- schrieben, und die Gesetze Manu's mahnen ihn in ernster Sprache an seine — wenn auch nicht näher geordnete — Ver- antwortlichkeit: „Der unsinnige Monarch, welcher seine Unter- thanen durch Ungerechtigkeit bedrückt, wird in kurzem seines Königthums und seines Lebens beraubt werden, er und seine ganze Familie.“ 5
Immerhin hat der indische in höherem Grade arische Stat übrigens ein helleres, freieres Ansehen, und ist in ihm die königliche Würde und Macht mehr und statlicher ausgebildet, als in den finsteren Priesterstaten von Meroë und Aegypten. In allen aber finden wir ein schroffes und starres Kasten- system; grosze Vorrechte der Priesterkaste, die in sich alles geistige Leben der Nation vereinigte und abschlosz, und zu-
4Manava — Dharma — Sastra. Lois de Manou, par Loiseleur. Paris 1833. V. 96, 97. VII. 3-8.
5 Ebend. VII. 54 ff. 111.
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Sechstes Capitel. I. Die (Ideokratie) Theokratie.
ungleiche Ehe entwürdigt. Aber die Würde des Königs wird
doch wieder so hoch gehalten, dasz ihr eine besondere Gött-
lichkeit inwohnt. Sein Leib wird nach den Gesetzen Manu's,
aus Bestandtheilen gebildet, welche in den acht göttlichen
Wächtern der Welt ihren Ursprung haben, daher ist er rein
und heilig. „Wie die Sonne blendet er die Augen und Her-
zen, und Niemand auf Erden vermag ihm ins Antlitz zu sehen.
Gott hat ihn geschaffen zur Erhaltung aller Wesen. Keiner
darf ihn, selbst wenn er noch ein Kind ist, verachten, indem
er zu sich sagt: er ist ein einfacher Sterblicher, denn eine
grosze göttliche Kraft wohnt in ihm.“ 4
Auch der indische König ist von Priestern umgeben.
Er bedarf der Weihe, wenn er die Regierung antritt. Seine
sieben oder acht Minister, welche er einzeln und vereint in
allen Geschäften vernimmt, bevor er den Entscheid faszt, sind
meistens Brahmanen. Jedenfalls aber musz er in allen wich-
tigen Dingen vorerst einen brahmanischen Gewissensrath zu
Rathe ziehen. Auch ihm ist ein strenges Ceremoniel vorge-
schrieben, und die Gesetze Manu's mahnen ihn in ernster
Sprache an seine — wenn auch nicht näher geordnete — Ver-
antwortlichkeit: „Der unsinnige Monarch, welcher seine Unter-
thanen durch Ungerechtigkeit bedrückt, wird in kurzem seines
Königthums und seines Lebens beraubt werden, er und seine
ganze Familie.“ 5
Immerhin hat der indische in höherem Grade arische Stat
übrigens ein helleres, freieres Ansehen, und ist in ihm die
königliche Würde und Macht mehr und statlicher ausgebildet,
als in den finsteren Priesterstaten von Meroë und Aegypten.
In allen aber finden wir ein schroffes und starres Kasten-
system; grosze Vorrechte der Priesterkaste, die in sich alles
geistige Leben der Nation vereinigte und abschlosz, und zu-
4 Manava — Dharma — Sastra. Lois de Manou, par Loiseleur.
Paris 1833. V. 96, 97. VII. 3-8.
5 Ebend. VII. 54 ff. 111.
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/407>, abgerufen am 25.11.2024.
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