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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
so schwebt ihr der Adel der höheren Rasse und Art als
Typus vor.

In gewissem Sinn stehen Theokratie und Monarchie
auf der einen, Aristokratie und Demokratie auf der
andern Seite sich gegenüber. In den beiden ersten nämlich
ist die Regierung in höchster Machtfülle und Majestät so con-
centrirt, dasz der Regent nicht zugleich Regierter ist, dasz er
nur das Statsinteresse, nicht zugleich Privatinteressen vertritt.
In der Theokratie aber ist diese Erhabenheit der Statsherr-
schaft göttlich und daher absolut, in der Monarchie mensch-
lich und daher relativ dargestellt. Die beiden letztern
Grundformen auf der andern Seite, welche daher auch mit
dem gemeinsamen Namen der Republik zusammengefaszt
werden, haben das Gemeinsame, dasz in ihnen der Gegensatz
der Regierung und Regierten nicht so scharf hervortritt, son-
dern eine gewisse Mischung voraussetzt, so dasz die nämlichen
Menschen sich bald als Origkeit, bald als Unterthanen be-
trachten und äuszern und zugleich öffentliche und Privat-
interessen haben. In der Demokratie verbreitet sich diese
Mischung über das ganze Volk, in der Aristokratie dagegen
ist sie auf die herrschende Classe des Volkes beschränkt,
welche zwar den übrigen Bestandtheilen des Volkes nur als
Herrscher gegenübertritt, unter sich selber aber gewöhnlich
demokratisch organisirt und so Herrscher und Unterthan zu-
gleich ist. Insofern erscheint die Aristokratie allerdings als
eine Zwischen- und Mittelstufe zwischen der Demokratie und
der Monarchie.

In einer andern Beziehung aber gehören hinwieder Mon-
archie und Aristokratie
zusammen und sind der Theo-
kratie und Demokratie
gegenüber zu stellen. In den
erstern ist der Gegensatz zwischen Regierung und Regierten
menschlich so organisirt, dasz sich die Regenten als solche
selbständig fühlen und wissen, und ebenso von dem
Volke geachtet werden, dasz sie in eigenem Namen und

Sechstes Buch. Die Statsformen.
so schwebt ihr der Adel der höheren Rasse und Art als
Typus vor.

In gewissem Sinn stehen Theokratie und Monarchie
auf der einen, Aristokratie und Demokratie auf der
andern Seite sich gegenüber. In den beiden ersten nämlich
ist die Regierung in höchster Machtfülle und Majestät so con-
centrirt, dasz der Regent nicht zugleich Regierter ist, dasz er
nur das Statsinteresse, nicht zugleich Privatinteressen vertritt.
In der Theokratie aber ist diese Erhabenheit der Statsherr-
schaft göttlich und daher absolut, in der Monarchie mensch-
lich und daher relativ dargestellt. Die beiden letztern
Grundformen auf der andern Seite, welche daher auch mit
dem gemeinsamen Namen der Republik zusammengefaszt
werden, haben das Gemeinsame, dasz in ihnen der Gegensatz
der Regierung und Regierten nicht so scharf hervortritt, son-
dern eine gewisse Mischung voraussetzt, so dasz die nämlichen
Menschen sich bald als Origkeit, bald als Unterthanen be-
trachten und äuszern und zugleich öffentliche und Privat-
interessen haben. In der Demokratie verbreitet sich diese
Mischung über das ganze Volk, in der Aristokratie dagegen
ist sie auf die herrschende Classe des Volkes beschränkt,
welche zwar den übrigen Bestandtheilen des Volkes nur als
Herrscher gegenübertritt, unter sich selber aber gewöhnlich
demokratisch organisirt und so Herrscher und Unterthan zu-
gleich ist. Insofern erscheint die Aristokratie allerdings als
eine Zwischen- und Mittelstufe zwischen der Demokratie und
der Monarchie.

In einer andern Beziehung aber gehören hinwieder Mon-
archie und Aristokratie
zusammen und sind der Theo-
kratie und Demokratie
gegenüber zu stellen. In den
erstern ist der Gegensatz zwischen Regierung und Regierten
menschlich so organisirt, dasz sich die Regenten als solche
selbständig fühlen und wissen, und ebenso von dem
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[380/0398] Sechstes Buch. Die Statsformen. so schwebt ihr der Adel der höheren Rasse und Art als Typus vor. In gewissem Sinn stehen Theokratie und Monarchie auf der einen, Aristokratie und Demokratie auf der andern Seite sich gegenüber. In den beiden ersten nämlich ist die Regierung in höchster Machtfülle und Majestät so con- centrirt, dasz der Regent nicht zugleich Regierter ist, dasz er nur das Statsinteresse, nicht zugleich Privatinteressen vertritt. In der Theokratie aber ist diese Erhabenheit der Statsherr- schaft göttlich und daher absolut, in der Monarchie mensch- lich und daher relativ dargestellt. Die beiden letztern Grundformen auf der andern Seite, welche daher auch mit dem gemeinsamen Namen der Republik zusammengefaszt werden, haben das Gemeinsame, dasz in ihnen der Gegensatz der Regierung und Regierten nicht so scharf hervortritt, son- dern eine gewisse Mischung voraussetzt, so dasz die nämlichen Menschen sich bald als Origkeit, bald als Unterthanen be- trachten und äuszern und zugleich öffentliche und Privat- interessen haben. In der Demokratie verbreitet sich diese Mischung über das ganze Volk, in der Aristokratie dagegen ist sie auf die herrschende Classe des Volkes beschränkt, welche zwar den übrigen Bestandtheilen des Volkes nur als Herrscher gegenübertritt, unter sich selber aber gewöhnlich demokratisch organisirt und so Herrscher und Unterthan zu- gleich ist. Insofern erscheint die Aristokratie allerdings als eine Zwischen- und Mittelstufe zwischen der Demokratie und der Monarchie. In einer andern Beziehung aber gehören hinwieder Mon- archie und Aristokratie zusammen und sind der Theo- kratie und Demokratie gegenüber zu stellen. In den erstern ist der Gegensatz zwischen Regierung und Regierten menschlich so organisirt, dasz sich die Regenten als solche selbständig fühlen und wissen, und ebenso von dem Volke geachtet werden, dasz sie in eigenem Namen und

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/398>, abgerufen am 22.11.2024.