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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Viertes Buch. Von der Entstehung und dem Untergang des States.
wie in unsern Tagen die Communisten. Aber als ihnen die
Gelegenheit geboten ward, einen Versuch zur Einführung ihrer
unstatlichen Gemeinschaft zu machen, haben sie doch wieder
-- obwohl in karikirter Form -- einen Stat eingerichtet.

2. Die Auswanderung eines Volkes aus dem Lande
seiner Väter, wie die Helvetier zu Cäsars Zeit sie unternom-
men, oder die Vertreibung eines Volkes aus seiner Heimat,
wie sie während der groszen Völkerwanderungen in Europa oft
erzwungen worden, zerstört den bisherigen Stat jedenfalls; und
es ist gewöhnlich unsicher, ob es dem weiterziehenden Volke
gelinge, eine neue feste Herrschaft über ein anderes Land zu
erwerben, und so einen neuen Stat zu gründen.

3. Die Eroberung eines Landes und die Unter-
werfung
eines bisher selbständigen Volkes durch eine fremde
Macht ist öfter noch Zerstörung alter als Gründung neuer
Staten, indem sie meistens eine blosze Erweiterung des sieg-
reichen States zur Folge hat. In dieser Weise hat einst Rom
eine Reihe von Staten verschlungen, und über deren Bevölke-
rung und Gebiet seine Herrschaft ausgebreitet. Die Ergebung
(deditio) des schwächern Volkes hat zwar den Schein der
Freiwilligkeit, ist aber regelmäszig doch das Werk der Noth
und äuszeren Zwanges und fällt dann mit der Unterwerfung
zusammen.

4. Die volle Union ferner zieht den Untergang der
unirten Staten nach sich. Da in ihr aber zugleich der An-
fang eines neuen gröszeren States liegt, dessen Volk aus den
Völkern der aufgelösten Staten besteht, so ist hier eher eine
freiwillige Entäuszerung der bisherigen statlichen Son-
derexistenz denkbar.

5. Den Gegensatz zu dem Aufgehen der kleineren Staten
in dem gröszeren Gesammtstat bildet die Theilung eines
Reiches in mehrere Staten oder die Vertheilung eines
States unter mehrere fremde Staten. Die erstere kann ohne
äuszeren Zwang auf organische Weise vor sich gehen, indem

Viertes Buch. Von der Entstehung und dem Untergang des States.
wie in unsern Tagen die Communisten. Aber als ihnen die
Gelegenheit geboten ward, einen Versuch zur Einführung ihrer
unstatlichen Gemeinschaft zu machen, haben sie doch wieder
— obwohl in karikirter Form — einen Stat eingerichtet.

2. Die Auswanderung eines Volkes aus dem Lande
seiner Väter, wie die Helvetier zu Cäsars Zeit sie unternom-
men, oder die Vertreibung eines Volkes aus seiner Heimat,
wie sie während der groszen Völkerwanderungen in Europa oft
erzwungen worden, zerstört den bisherigen Stat jedenfalls; und
es ist gewöhnlich unsicher, ob es dem weiterziehenden Volke
gelinge, eine neue feste Herrschaft über ein anderes Land zu
erwerben, und so einen neuen Stat zu gründen.

3. Die Eroberung eines Landes und die Unter-
werfung
eines bisher selbständigen Volkes durch eine fremde
Macht ist öfter noch Zerstörung alter als Gründung neuer
Staten, indem sie meistens eine blosze Erweiterung des sieg-
reichen States zur Folge hat. In dieser Weise hat einst Rom
eine Reihe von Staten verschlungen, und über deren Bevölke-
rung und Gebiet seine Herrschaft ausgebreitet. Die Ergebung
(deditio) des schwächern Volkes hat zwar den Schein der
Freiwilligkeit, ist aber regelmäszig doch das Werk der Noth
und äuszeren Zwanges und fällt dann mit der Unterwerfung
zusammen.

4. Die volle Union ferner zieht den Untergang der
unirten Staten nach sich. Da in ihr aber zugleich der An-
fang eines neuen gröszeren States liegt, dessen Volk aus den
Völkern der aufgelösten Staten besteht, so ist hier eher eine
freiwillige Entäuszerung der bisherigen statlichen Son-
derexistenz denkbar.

5. Den Gegensatz zu dem Aufgehen der kleineren Staten
in dem gröszeren Gesammtstat bildet die Theilung eines
Reiches in mehrere Staten oder die Vertheilung eines
States unter mehrere fremde Staten. Die erstere kann ohne
äuszeren Zwang auf organische Weise vor sich gehen, indem

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[322/0340] Viertes Buch. Von der Entstehung und dem Untergang des States. wie in unsern Tagen die Communisten. Aber als ihnen die Gelegenheit geboten ward, einen Versuch zur Einführung ihrer unstatlichen Gemeinschaft zu machen, haben sie doch wieder — obwohl in karikirter Form — einen Stat eingerichtet. 2. Die Auswanderung eines Volkes aus dem Lande seiner Väter, wie die Helvetier zu Cäsars Zeit sie unternom- men, oder die Vertreibung eines Volkes aus seiner Heimat, wie sie während der groszen Völkerwanderungen in Europa oft erzwungen worden, zerstört den bisherigen Stat jedenfalls; und es ist gewöhnlich unsicher, ob es dem weiterziehenden Volke gelinge, eine neue feste Herrschaft über ein anderes Land zu erwerben, und so einen neuen Stat zu gründen. 3. Die Eroberung eines Landes und die Unter- werfung eines bisher selbständigen Volkes durch eine fremde Macht ist öfter noch Zerstörung alter als Gründung neuer Staten, indem sie meistens eine blosze Erweiterung des sieg- reichen States zur Folge hat. In dieser Weise hat einst Rom eine Reihe von Staten verschlungen, und über deren Bevölke- rung und Gebiet seine Herrschaft ausgebreitet. Die Ergebung (deditio) des schwächern Volkes hat zwar den Schein der Freiwilligkeit, ist aber regelmäszig doch das Werk der Noth und äuszeren Zwanges und fällt dann mit der Unterwerfung zusammen. 4. Die volle Union ferner zieht den Untergang der unirten Staten nach sich. Da in ihr aber zugleich der An- fang eines neuen gröszeren States liegt, dessen Volk aus den Völkern der aufgelösten Staten besteht, so ist hier eher eine freiwillige Entäuszerung der bisherigen statlichen Son- derexistenz denkbar. 5. Den Gegensatz zu dem Aufgehen der kleineren Staten in dem gröszeren Gesammtstat bildet die Theilung eines Reiches in mehrere Staten oder die Vertheilung eines States unter mehrere fremde Staten. Die erstere kann ohne äuszeren Zwang auf organische Weise vor sich gehen, indem

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/340>, abgerufen am 22.11.2024.